29.5.08

Schule als lernende Organisation

Dies ist ein weites Feld. Allein, was bei einer Tagung in Dillingen über die Nutzung des Internets für die Schule zusammengestellt wurde, stellt beinahe ein Überangebot dar.
Aber man kann sich ja auf einen Punkt beschränken und sehen, ob einem das was bringt, und dann in vier Wochen noch einmal etwas anderes ausprobieren.

Wikipedia und Kommunikation

Eine mutige These mit einem hochinteressanten Beleg finde ich in Michael Kratky’s Weblog
Langfristig bin ich der Meinung, dass die Wikipedia auch für die Wissenschaft, zum Beispiel als Ort der Selbstpräsentation, immer attraktiver wird. [...]
Ein Extrembeispiel, das die eben aufgestellte These aber bestätigt, stellt der folgende, hier verkürzt und anonymisiert wiedergegebene Austausch zwischen einem Professor und einem 13-jährigen Schüler dar:

- Ist irgendwie zu hoch für mich, bedarf einer gründlichen Überarbeitung, ich verstehe nur Bahnhof!–18:00, 16. Feb.
- Kommt Ihnen die überarbeitete Fassung entgegen? –20:01, 17. Feb. 2007 (…)Gerade habe ich deine Selbstvorstellung gelesen: Schüler, 13 Jahre alt. Für dich ist dieser Artikel (leider) nicht geschrieben - obwohl ich mich freuen würde, wenn ich ihn so verständlich schreiben könnte, dass auch du ihn verstehst, und er dabei dennoch auch für Lehrer (und interessierte “Laien”) informativ wäre. Bleiben wir im Dialog? –20:04, 17. Feb.
- Ich sehe dass du dir sehr viel Mühe gegeben hast. Das ist ja erst die Rohfassung, vielleicht ändert sich in nächster Zeit ja noch etwas. Wikipedia ist ja für alle und es finden sich sicher noch welche, die mithelfen und vielleicht wird der Artikel dann auch so, dass ich ihn verstehe! –12:00, 18. Feb. (…)
- Ich habe den Artikel nochmals überarbeitet, vereinfacht, gekürzt. Ich habe dabei ziemlich stark an dich (…)gedacht und mich gefragt, was du jetzt verstehst und was nicht. Deine Skepsis war hilfreich für mich! Danke! (…)
Was verstehst du noch nicht? — 14:06, 19. Feb.
- Ähm, die Methodische Umsetzung und die Sieben Prinzipien! — 18:05, 19. Feb.
- “Sieben Prinzipien” sind jetzt zu drei “methodischen Aspekten” reduziert. (…) Was konkret ist an der “methodischen Umsetzung” nicht verständlich? –13:21, 25. Feb.
- Ich hab es jetzt noch einmal durchgelesen und verstanden! –14:05, 25. Feb.
- Ich verbuche das als Kompliment und bin entsprechend stolz. Danke für deine Hartnäckigkeit.– 13:56, 28. Feb.

Zu solch einem Dialog gehören in der Tat nicht nur ein besonderer Professor und ein besonderer 13-jähriger, sondern auch ein entsprechendes Wissensgebiet, auf dem der 13-jährige (als Schüler) sehr wichtige Grundkenntnisse mitbringt.
Doch auch in Mathematik oder den Naturwissenschaften, wo Spezialisten eine dem normalen Hochschulabsolventen ihres Fachs völlig unverständliche Sprache sprechen, lässt sich der Dialog in Wikipedia sinnvoll führen.
Systematisch versucht wird das in der Simple English Wikipedia, wo etwa die Heisenbergsche Unschärferelation auf einem vergleichsweise einfachen Niveau angeboten wird und dem Leser über die Diskussionsseite die Gelegenheit zur Nachfrage gegeben ist.

24.5.08

Schule kann gelingen

Herr Rau schreibt über den Bericht Enja Riegels über die Helene-Lange-Schule, dass er einerseits etwas neidisch ist, andererseits etwas enttäuscht, dass er nicht mehr über den Weg zum Erfolg erfährt. (So ging es mir bei der Lektüre auch.) Dann fährt er aber zu Recht fort: “Das Buch von Riegel sagt leider nicht, wie man dorthin kommt, wo die Helene-Lange-Schule ist, und auch das hat schließlich zwanzig Jahre gedauert - aber es zeigt, dass es möglich ist. Man muss wohl ein Ziel haben, auf das man nach und nach hinarbeitet.”

Wichtig ist aber ein zweites, worauf er hinweist: “Ansonsten, und das ist das, was ich von dem Buch vor allem mitnehme, gelten für diese öffentliche Schule im Prinzip die gleichen Lehrpläne, Vorschriften, Erlasse wie für alle anderen Schulen. Manche davon muss man kreativ erfüllen, andere umgehen. Und das kann man anscheinend, wenn man will.”

Damit man das erreichen kann, was Kultusminister mit ihren Vorschriften erreichen wollen, muss man bereit sein, diese Vorschriften zu umgehen.

Das ist leider nicht ungewöhnlich, aber es macht es nicht einfacher, sich mit gutem Gewissen an solche Vorschriften zu halten.

23.5.08

Geschichtsklitterung

Den 1968ern nachzusagen, sie hätten den Historikerstreit gegen Ernst Noltes in der FAZ ausgebreitete Thesen angefangen, wie es in der heutigen FAZ geschieht, heißt denn doch sich die Geschichte allzusehr zurechtzufrisieren.
Es war Habermas, der scharfe Kritiker der 68er und von ihnen unter die "Scheißliberalen" Gezählte, der ihn begann. Zu Recht war vorher im Artikel Habermas' Kritik an den totalitären Elementen der Bewegung angeführt worden.
Freilich Götz Alys Parallelisierung von nationalsozialistischen Angriffen von Studenten auf Professoren mit denen von 1968 hat er so nie vertreten, auch wenn er schon am 9.6.1967 in einer Diskussion mit Rudi Dutschke von einem linken Faschismus sprach. Denn im selben Atemzug hatte er ihre "voluntaristische Ideologie" mit dem utopischen Sozialismus verglichen und später ausdrücklich die Identifizierung des SDS mit den Studenten der 30er Jahre als grobes Missverständnis bezeichnet.
So schrieb er in einem Brief vom 13. Mai 1968 an C. Grossner:
Erstens habe ich damals nicht gesehen, dass die neuen Formen der Provokation ein sinnvolles, legitimes und sogar notwendiges Mittel sind, um Diskussionen dort, wo sie verweigert werden, zu erzwingen.
Zweitens hatte ich damals Angst vor den irrationalistischen Implikationen eines Vorgehens, das unter dem Topos 'die Spielregeln brechen' eingeführt wurde. Diese Befürchtungen hege ich auch heute noch, daher hat sich die Intention meiner damaligen Bemerkung nicht geändert. Freilich würde ich [...] heute [...] das Etikett des linken Faschismus vermeiden, und zwar nicht nur, weil dieses Etikett das grobe Missverständnis einer Identifizierung des SDS mit den rechten Studenten Anfang der dreißiger Jahre hervorgerufen hat, sondern weil ich inzwischen überhaupt unsicher geworden bin, ob das eigentliche Neue an den gegenwärtigen Revolten durch geistesgeschichtliche Parallelen getroffen werden kann.

12.5.08

Apokalypseblindheit

In seinem Buch Klimakrieg warnt Harald Welzer davor, über dem Blick auf die ökologischen Folgen des Klimawandels die sozialen, nämlich Krieg und Gewalt, die damit einhergehen werden, zu unterschätzen. Die drohende Apokalypse sei eine doppelte, die Apokalypseblindheit (das Wort hat Günter Anders geprägt) beziehe sich aber vor allem auf die drohende Gewalt. So ordnet er den Darfurkonflikt nicht den ethnischen, sondern den Klimakonflikten zu.