29.6.12

Bildungsförderung

Jean Paul meint dazu:
Noch besser als alle Aufgaben sind vielleicht gar keine; der Jüngling dürfe selber sich jedesmal die Materie wie eine Geliebte auslesen, für welche er warm und voll ist und mit der allein er das Lebendige zu erzeugen vermag. Lasset doch den jungen Geist nur auf einige Stunden und Bogen lang frei – wie ja sogar der ältere es braucht –, damit er von eueren Händen ungestört austöne; sonst ist er eine Glocke, die auf dem Boden aufsteht und nicht eher ertönen kann als bis sie unberührt im Freien hangt. Aber so sind die Menschen durch alle Ämter hinauf; sie haben keine Lust, knechtische Maschinen zu freien Geistern zu machen und dadurch ihre Schöpf-, Herrsch- und Schaffkraft zu zeigen, sondern sie glauben diese umgekehrt zu erweisen, wenn sie an ihre nächste oder Obermaschine aus Geist wieder eine Zwischenmaschine und an die Zwischenmaschinen endlich die letzte anzuschienen und einzuhäkeln vermögen, so daß zuletzt eine Mutter Marionette erscheint, welche eine Marionettentochter führt, die wieder ihrerseits imstande ist, ein Hündchen in die Höhe zu heben – – Alles nur eine Zusammenhäkelung desselben Maschinenmeisters. Gott, der Reinfreie, will nur Freie erziehen; der Teufel, der Reinunfreie, will nur seinesgleichen. (Jean Paul: Selberlebensbeschreibung, S.747)
Ist das als Argument für Unschooling zu verstehen? Oder nur als Wiederholung von Kants Motto der Aufklärung sapere aude!?
 Oder nimmt er schon die Argumente von Herbert Renz-Polster: Menschenkinder Plädoyer für eine artgerechte Erziehung vorweg?
Aber er argumentiert ja, es ginge jedem Menschen so. Also ein Plädoyer für Bedingungsloses Grundeinkommen?

23.6.12

Wie Afrika die Möglichkeit genommen wird, seine Bewohner vor Hunger zu schützen

Der überhöhte Fleischkonsum in den alten Industrieländern kann nur durch massiven Einkauf von Futtermitteln aus Übersee aufrechterhalten werden. Wenn die Schwellenländer und neuen Industrieländer ihren Bewohnern auch nur annähernd denselben Fleischkonsum ermöglichen wollen, reicht dafür die vorhandene Ackerfläche nicht aus. Ackerland wird also mittelfristig teurer werden.
Deshalb kaufen es Investoren aus aller Herren Länder gegenwärtig dort, wo es noch billig zu kriegen ist, nämlich in Afrika - obwohl dort jetzt schon 300 Millionen Menschen hungern.
Das wir ihnen dadurch erleichtert, dass in großen Teilen Afrikas Landeigentum auf dem Gewohnheitsrecht der Besitzer beruht und es daher schwer für sie ist, ihre Eigentumsrechte vor Gericht einzuklagen.
Inzwischen sind  in Afrika schon etwa 60 Miliarden Hektar Ackerland - das entspricht knapp dem Doppelten der Fläche Deutschlands - aufgekauft worden.
Auf Englisch nennt man den Vorgang land grabbing: Man grabscht sich Land, wo man es kriegen kann, auch wenn man keine Verwendung dafür hat. Als Spekulationsobjekt taugt es allemal. Und so verlieren die, die das Land bearbeiten, ihr Eigentumsrecht daran, die Slums der Millionenstädte weiten sich aus. 
(vgl.auch Eppler: Eine solidarische Leistungsgesellschaft, 2011, S.125-134)

17.6.12

Eppler: Eine solidarische Leistungsgesellschaft

Eine zentrale Aussage des Buches ist:
Wissenschaftlicher Erfolg ist kein Maß für Leistung. Die Bezeichnung „Leistungsträger“ versucht das zu überspielen.

Zitate zu diesem Kontext:
„Der Unterschied zwischen Leistung und Erfolg ist wichtig für unser Zusammenleben.“ (S.76) „Marktradikalismus ist auf den Wachstumsglauben angewiesen.“ (S.80) „Es gab nach dem Zweiten Weltkrieg die schöne Lehre, der Luxuskonsum von heute sei der Massenkonsum von morgen. Damals stimmte dies sogar. Das Schnitzel, das sich im Krieg nur wenige leisten konnten, genoss jetzt eine Mehrheit.“ (S.81)

Das, was Eppler am Schnitzel beschreibt, wiederholte sich bei Fernseher, Auto, Computer und allen möglichen elektrischen und elektronischen Geräten.
Seinen weiterführenden Gedanken möchte ich mit eigenen Worten wiedergeben:
Es gibt Bereiche des Luxuskonsums, die mit Sicherheit nicht allen zugänglich sind. Als anschauliches Beispiel kann dafür die "Villa im Tessin" stehen. Was nicht über Massenproduktion vermehrbar ist, steigt bei erhöhter Nachfrage so im Preis, dass es immer nur einem sehr kleinen Teil der Bevölkerung zugänglich bleiben wird.

Die Flugreisen der Billiganbieter sind nur scheinbar ein Gegenbeispiel. Kurzfristig ist hier - wegen der Ausschaltung jeder ökologischen Vernunft - eine Massenproduktion in einem Bereich entstanden, auf dem diese Massenproduktion nur für eine sehr kurze Zeitspanne wird aufrechterhalten können.
Freilich gilt für weite Bereiche der Massenproduktion - wenn auch in weit abgeschwächterem Maße, dass sie so energie- und materialintensiv ist, dass sie in der gegenwärtig betriebenen Form nicht nachhaltig ist.
(Eppler: Eine solidarische Leistungsgesellschaft, 2011)


12.6.12

25 Prozent und Vertrauen

Ackermann gab 25% Kapitalrendite als Ziel für seine Bank aus. Seine Begründung: Wir wollten mit den besten Banken mithalten.
25% Kapitalrendite können in der Realwirtschaft nicht verdient werden, also musste er spekulieren lassen und da, wo die Spekulation daneben ging, die Poltik dazu bringen, das Risiko nachträglich auszugleichen.
Das ist ihm sehr gut gelungen, und sein Schweuzer Akzent erleichtert ihm, das als solides Wirtschaften zu verkaufen.
Das wusste ich schon länger. Aber heute lese ich einen Kommentar von Stephan Kaufmann in der FR (12.6.12), der den Vorgang besonders gut veranschaulicht:
"Es ist also etwas vereinfachend zu behaupten, das Problem von Staaten, Banken, Haushalten und Unternehmen bestünde darin, dass sie zu viele Schulden hätten. Denn diese Schulden sind das an den Märkten gehandelte Finanzvermögen, der Reichtum der Welt. „Zu viele Schulden“ bedeutet mithin nur, dass an den Finanzmärkten zu viele Ansprüche auf künftige Verwertung, auf noch zu produzierendes Wachstum zirkulieren.
Der Finanzmarkt – oder genauer: das Finanzkapital – ist heutzutage das Subjekt der globalen Ökonomie. Mit seinen Ansprüchen an die Zukunft überfordert es die reale Welt und wird damit selber brüchig. Um es zu retten, nehmen die Staaten mehr Kredit auf und erhöhen damit die Last der Erwartung, also die Ansprüche an künftiges Wachstum.
Das Weltfinanzsystem beruht auf dem Glauben, dass diese Ansprüche eingelöst werden können."


Die Hervorhebungen sind von mir. Ich möchte Kaufmanns Gedanken aber noch etwas schärfer formulieren: Das Finanzsystem beruht - wie jede Spekulation - auf dem Vertrauen darauf, dass die anderen   nicht früher aus der Spekulation aussteigen als man selbst. Man weiß, dass die Ansprüche mittelfristig nicht eingelöst werden können, spekuliert aber darauf, dass die Staaten die Banken, weil "systemnotwendig" erhalten.
Im Augenblick geht das noch gut. Aber wenn man lange genug erfolgreich gegen die Staaten spekuliert hat, können auch die einen bei Fehlspekulationen nicht retten.
Ein anschauliches Beispiel dafür hat Wilhelm Hauff in seinem Märchen "Das kalte Herz" gegeben.
Das Glasmännlein hat dem Kohlenmunk-Peter versprochen, dass er immer so viel Geld in der Tasche haben wird wie der sagenhaft reiche Ezechiel. Als Peter gegen Ezechiel spielt und dem alles Geld abnimmt, hat er plötzlich selbst kein Geld mehr.

Die Banker können freilich nicht wie Peter dem Holländer.Michel ihr Herz verkaufen und dadurch wieder zu Geld komen.
Preisfrage: Warum nicht?

4.6.12

Wer versagt gegenwärtig? - Die Versager oder?

"Es ist hochproblematisch, wenn die Kernnormen, die eine Gesellschaft zusammenhalten - Gerechtigkeit, Fairness, Solidarität -, einer erheblichen Anzahl der Menschen als nicht mehr realisierbar gelten."
Das meint Heitmeyer in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau am 4.6.12 und sieht eine wesentliche Verantwortung bei den Eliten. Sie seien "inzwischen nicht mehr unbedingt Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.
Die Ökonomisierung aller Lebensbereiche bis hin zur Familie, die Sortierung von Menschen nach Nützlichkeit, wird ja wesentlich durch die Unterstützung eines autoritären Kapitalismus durch Eliten vorangetrieben. [...]
Es hilft gar nichts, akribisch und beflissen eine politische Entscheidung nach der anderen abzuarbeiten, wenn die Perspektive, der Fluchtpunkt fehlt." (Eppler: Eine solidarische Leistungsgesellschaft, 2011, S.44)
Hier trifft sich Heitmeyer mit Eppler, der davor warnt, dass sich der Staat seine Entscheidungen durch den Markt abnehmen lässt. "Die Politik muss diskutieren und entscheiden, was rascher, was langsamer, was gar nicht wachsen oder gar schrumpfen soll." Diesem Grundsatz sei sogar Angela Merkel gefolgt, zunächst mit ihrer Entscheidung für längere Laufzeiten der Atomkraftwerke, dann mit ihrer Entscheidung, aus der Atomenergieproduktion auszusteigen.

Wie viele Türme hat der Parthenon?

Es gibt keine Frage, auf die manche Schüler nicht auch ohne Denken zu einer Antwort zu kommen hoffen.
Wozu gibt es denn Wikipedia und Antwortforen, wenn ich noch selber denken soll?

Da hilft wohl nichts, als immer wieder Fragen zu stellen, deren Antwort nicht ergoogelt werden kann, und den Schülern nachzuweisen, was sie alles selbst herausfinden können.

Übrigens: Natürlich muss man "Parthenon" irgendwo nachschlagen können oder wenigstens irgendwann ein Bild davon gesehen haben. A priori beantwortet sich selbst diese Frage nicht. Insofern: Nachschlagen muss man auch können.