14.1.17

Demokratie und das persönliche Lernnetzwerk (Blogparade Demokratiefähigkeit)

Netzwerken ist von jeher ein wichtiger Zugang zu Bildung gewesen. In der Zeit des Internet, wo das Auswahlproblem tendenziell ins Unendliche wächst, gilt das noch mehr. Deshalb ist die Qualifikation, sich ein persönliches Lernnetzwerk zu schaffen, eine wichtige Voraussetzung für Bildung im digitalen Zeitalter.
Freilich, je besser das Lernnetzwerk auf die individuellen Bedürfnisse ausgerichtet ist, desto größer ist die Gefahr, dass die Auseinandersetzung mit Menschen verschiedener Herkunft und Wertegemeinschaften, dass die Einübung in die demokratische Gestaltung unseres Zusammenlebens dabei zu kurz kommen.
Demokratie lernt man nicht in einer Interessengemeinschaft.* Da lernt man nur gute Zusammenarbeit, Teamwork. Was uns abhanden zu kommen droht, ist die Fähigkeit, widerstreitende Interessen anderer als grundsätzlich berechtigt anzuerkennen, und in einem geregelten Prozess zu Kompromissen zu finden.

Wenn man das als allgemeines Problem anerkennt, wird man auch akzeptieren können, dass es einen öffentlichen Raum geben muss, wo diese Fähigkeit eingeübt wird, ohne dass es gleich zu Frustration ("Die da oben machen ja sowieso nur, was sie wollen." "Politiker sind alle korrupt.") und daraus folgend zu Verschwörungstheorien kommt.
Bei widerstreitenden Interessen gibt es unvermeidlich Widerstände gegen Lösungsansätze für Umweltschutz, für Friedensordnungen und "Bewahrung der Schöpfung". Dazu bedarf es keiner Verschwörung.
Diese Erfahrungen zu machen, ohne dabei fürchten zu müssen, dass eigene existenzielle Grundbedürfnisse gefährdet werden, weil man in der Minderheit ist, ist Grundvoraussetzung für die Anerkennung von Demokratie.

Erfahrungsgemäß setzen sich die am besten Angepassten mit ihren Interessen am leichtesten durch und merken deshalb nicht, dass sie es deswegen viel leichter haben, eine demokratische Grundordnung zu akzeptieren. Wir brauchen aber eine Gesellschaft, in der nicht nur die Angepassten und die Lieblinge der jeweils aktuellen politischen Korrektheit zu ihrem Recht kommen und deshalb für ihren Zusammenhalt einzutreten bereit sind.

Obama wirbt dafür, Trump als Präsidenten anzuerkennen. Dabei zweifeln nicht nur Verschwörungstheoretiker daran, dass die amerikanische Demokratie stärker ist als alle Netzwerke zur Durchsetzung von Partikularinteressen. Weshalb ist es dazu gekommen? Wie kann man gegensteuern?

Was tun, bevor nur noch ziviler Ungehorsam als Mittel bleibt?
Netzwerk Courage *Dies Netzwerk bietet ein interessantes Gegenbeispiel gegen meine Argumentation, dass man Demokratie nicht in einer Interessengemeinschaft lernen könne. Zivilcourage ist gewiss eine wichtige Voraussetzung für funktionierende Demokratie, und die lernen die meisten Menschen am besten in Gemeinschaft.
Recht brechen, um Recht zu schützen, ZEIT online 14.1.17

Mit welchen Mitteln auch in der seriösen Presse  partikulare Interessen gegen den Versuch, eine solidarischer Gesellschaft zu entwickeln, verteidigt werden, kann man hier nachlesen.

Neuste Beiträge zur Blogparade Förderung von Demokratiefähigkeit:

Thomas Krüger: „Wir müssen politische Vielfalt als Demokratiegewinn sehen“  
Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung  äußert sich nicht absichtlich zu unserer Blogparade, aber eindeutig zu ihrem Thema. Er sieht politische Vielfalt als Gewinn und ist der Meinung, dass politische Bildung ihre größte Wirkung in der Jugend
hat.

Man braucht Nachrichten nicht zu fälschen, um zu manipulieren. Es reicht ein einseitiger Kontext.
Daniel Bernsen: Wie können Schulen Demokratiefähigkeit fördern?

Mitsprache und Mitentscheidung im Klassenzimmer als entscheidender Ansatzpunkt
Frühere Texte zum Thema:

Links:
Praxisbuch DemokratiepädagogikBundeszentrale politische Bildung

Schulstadt „Uhlmanien“ 

Wilhelm Heitmeyer hat im Zusammenhang mit der Zunahme des Rechtspopulismus (FR 28.10.16) darauf hingewiesen, wie gefährlich die Gewöhnung an Missstände ist: "Das Fatale ist, dass alles, was als normal gilt, nicht mehr problematisiert werden kann."
Wenn es bei allem berechtigten Streit eine Gemeinsamkeit zwischen allen Demokraten geben sollte, dann gewiss die: Es darf nicht wieder wie gegen Ende der Weimarer Republik zum Allgemeinplatz werden, dass man weniger Demokratie brauche.



Qualifiziert handeln! Bildungsarbeit und Rechtspopulismus Veranstaltungstag am 27.3.17 in Frankfurt

Björn Höcke in Dresden "Höcke hat längst aufgehört, von Flüchtlingsproblematiken zu sprechen - er redet jetzt von einem Deutschland, das nicht aus der Nazizeit lernen darf"
(Spiegel online 18.1.17)

Barack Obama über die Notwendigkeit, aus seiner Filterblase herauszukommen:
It’s what you said in your farewell address about Atticus Finch, where you said people are so isolated in their little bubbles. Fiction can leap — It bridges them. I struck up a friendship with [the novelist] Marilynne Robinson, who has become a good friend. And we’ve become sort of pen pals. I started reading her in Iowa, where “Gilead” and some of her best novels are set. And I loved her writing in part because I saw those people every day. And the interior life she was describing that connected them — the people I was shaking hands with and making speeches to — it connected them with my grandparents, who were from Kansas and ended up journeying all the way to Hawaii, but whose foundation had been set in a very similar setting. [...] Ausschnitte aus dem Interview mit der New York Times, NYT 16.1.17

Lamya Kaddor will  "keine Rezepte liefern, es geht ihr darum, eine Debatte anzustoßen. Eine Debatte darüber, "was uns zusammenhält"."

Ich denke, wir sollten sie führen. (Fontanefan)

Hier hat Walter Böhme eine Blogparade zum Thema Förderung von Demokratiefähigkeit angestoßen, die ziemlich genau auf dasselbe Thema hinausläuft.

Zum Thema Bedrohte Demokratie jetzt Materialien zum Funkkolleg Sicherheit:
Materialien

9.1.17

Reformbedarf in Europa

Heidi Kuhlmann schreibt in der Frankfurter Rundschau vom 9.1.2017 im Gastbeitrag auf Seite 10:
"Vor allem brauchen wir aber eine Debatte zu Europa im öffentlichen Raum, um Bürgerbeteiligung in Europa über die wichtigen Fragen unserer Zeit nicht nur auf Ja-Nein-Fragen reduziert in Referenden zu beantworten. Gemeinsam müssen wir herausarbeiten [...]: Wie wir die EU neu durchdenken können, damit die Bürger wieder hinter dem europäischen Projekt stehen."

Das Problem ist klar beschrieben. Deshalb nehme ich die Formulierung hier auf.
Lösungen stehen noch nicht im Raum. Juncker und Oettinger sind nur Beispiele dafür, wie diese Debatte blockiert wird.
Was für Lösungsansätze es meines Erachtens dennoch gibt, will ich - sobald möglich - hier andeuten.
Zunächst nur ein Link: euro|topics

Euro|topics gibt freilich nur einen Einblick in nationale Stellungnahmen zu internationalen Themen. Eine Diskussion - geschweige denn eine Debatte - beobachte ich noch nicht.
Wo gibt es Ansätze, die ich übersehen habe? (Die bitte ich in Kommentaren zu nennen.)

Meine Ideen, wie man sie über internationale Presseschauen entwickeln könnte, sind noch sehr rudimentär. Demnächst werde ich sie hier entwickeln, hoffe aber stark auf Hinweise, wo schon welche entwickelt worden sind.

Ansätze sind internationale Gastbeiträge in nationalen Zeitungen. Außerdem gemeinsame Artikel mehrerer großer Zeitungen (parallel veröffentlicht). Die sind freilich meiner Beobachtung nach noch seltener als internationale Aufrufe von Intellektuellen.