29.6.10

Biosprit macht Hunger

Es gibt manche Möglichkeiten, aus Biomasse Energie zu gewinnen.
Die bekannteste ist natürlich das Verbrennen von Holz, außerdem war lange die Produktion von Holzkohle die Voraussetzung für die Gewinnung von Metall aus Erzen. Ebenfalls seit Jahrtausenden wird der Kot von Tieren als Brennmaterial verwendet, besonders von Nomaden, die ihn nicht als Dünger verwenden können. Aber auch in holzarmen Gegenden wird er so eingesetzt, z.B. recht häufig in Indien. Zwar geht damit natürlicher Dünger verloren, wenn aber dadurch vermieden wird, dass die letzten Pflanzen ausgerottet werden, wird es trotzdem sinnvoll sein.
In letzter Zeit wird die Produktion von Biogas propagiert. So können landwirtschaftliche Abfälle und Wildpflanzen zur Energiegewinnung eingesetzt werden.
Umweltschützer waren von solch nachhaltiger Energieproduktion so fasziniert, dass sie sich auch eine Möglichkeit, damit in größerem Umfang Erdöl einzusparen versprachen. Denn wenn man pflanzliche Rohstoffe als Ausgangsstoff für die Herstellung von Kraftstoff einsetzte, dann gelänge es, fossile Rohstoffe, deren Erneuerung Jahrmillionen braucht, durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen.
Alkohol, umweltfreundlicher Bioethanol genannt, lässt sich aus stärkehaltigen Pflanzen wie Mais, Weizen und Zuckerrohr gewinnen, Biodiesel aus ölhaltigen Pflanzen wie Soja, Raps und Ölpalmen. Solche umweltfreundlichen Produkte wurden auch sogleich subventioniert, so dass z.B. in Brasilen Alkohol schon zum vorherrschenden Kraftstoff geworden ist.
Was man in der ersten Begeisterung nicht genügend beachtet hatte, war, dass es hier nicht mehr um landwirtschaftlichen Abfall ging, sondern um hochwertige Nahrungsmittel, die so der Lebensmittelproduktion entzogen wurden. In der EU mit ihrer landwirtschaftlichen Überproduktion mochte das Sinn haben, doch ganz gewiss nicht in Brasilien, wenn dafür Regenwald gerodet wurde, um angeblich nachhaltigen Treibstoff zu produzieren. (In Brasilien nimmt die Anbaufläche für Agrarkraftstoffe inzwischen eine Fläche dreimal so groß wie Deutschland ein.)
Dass inzwischen so viel Anbaufläche für Agrarkraftstoffe verbraucht wird, hat erheblich zur Steigerung der Lebensmittelkosten beigetragen. (Je nach Land wird der Anteil der Steigerung der Lebensmittelpreise seit 2005, der auf reduzierte Anbauflächen zurückgeht, auf 30% bis 70% geschätzt.) Dabei liegt das Einsparpotential von Agrarkraftstoffen gegenüber Erdöl nur bei 10 - 30 Prozent. Effektiver wäre es, Einsparmöglichkeiten über Beendigung der Subventionierung des Flugverkehrs, über Kraftfahrzeuge mit geringerem Verbrauch und durch Einsatz von Solarstrom zu unterstützen.
Der brasilianische Theologe Frei Betto kritisiert diese Politik daher sehr energisch: "Angesichts des Hungers in der Welt ist die Produktion von Agrosprit unverantwortlich und unmenschlich."

Literatur:
Caritas International (Hrsg.): Volle Tanks - leere Teller - Der Preis für Agrarkraftstoffe: Hunger, Vertreibung, Umweltzerstörung, Lambertus 2007

Link:
http://www.biofuelwatch.org.uk/

Ein (kleines) Handlungsangebot:
Dies  Flugblatt zur Weitergabe an Tankstellenpächter kann man auch bei  Regenwald.org herunterladen.

28.6.10

Hilft Gentechnik gegen Hunger?

Im Weltagrarbericht von 2008 betonen 500 Wissenschaftler, dass Gentechnik den Hunger vieler Kleinbauern vergrößert habe. Wie das?

Gentechnik ermöglicht es, gezielt Pflanzen zu züchten, wie es durch traditionelle Zucht nicht möglich war. Man kann Genabschnitte von Fischen in Tomaten, von Bodenbakterien in Mais und von Cholera-Erregern in Kartoffeln einbauen, um die gewünschten Pflanzeneigenschaften zu erzielen. Da diese Gentechnik vornehmlich eingesetzt wird, um Agrarpflanzen zu verändern, um im Sinne der "Grünen Revolution" höhere Erträge und geringere Schädlingsanfälligkeit zu erreichen, spricht man auch von "Grüner Gentechnik".
Im Wesentlichen werden bisher vier gentechnisch veränderte Pflanzensorten in größerem Stil angebaut: Mais, Soja, Baumwolle und Raps. Insgesamt werden auf 7,5% der Weltacherfläche gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut, davon 80% in den USA, in Brasilien und Argentinien. In Europa werden nur der Genmais MON 810 und die Amflora Kartoffel des Cemiekonzerns BASF angebaut. Inzwischen ist der Anbau von Genmais in mehreren EU-Ländern, darunter auch Deutschland, verboten worden. Warum das, wo er doch Gift produziert, das Maisschädlinge abwehrt?
Der Hauptgrund ist der, dass Genmais letztlich unkontrollierbar auch andere Pflanzensorten verändert. In Mexiko ist inzwischen das Erbgut von einem Drittel der Maissorten verändert worden, obwohl in weitem Umkreis kein Genmais angebaut wird. Der Grund ist unbekannt.
Es darf spekuliert werden. Mag sein, dass beim Verladen von Saatgut kleine Mengen von Genmais zwischen die traditionellen Maissorten geraten (man spricht von "technisch unvermeidbarer Beimischung") und nach der Aussaat durch Pollenflug die veränderten Gene verbreiten. Tatsache ist nur, dass Genabschnitte von Genmais unvermutet in natürlichem Mais auftraten.

Warum ist das so problematisch?
Der schädlingsresistente Mais wirkt nicht nur gegen Schädlinge, sondern auch gegen Bodenbakterien und auf Bienen, die für die Bestäubung vieler Agrarpflanzen wichtig sind. Zudem ist die Unschädlichkeit von Genmais nicht abgesichert. Immerhin hat auf den Philippinen die Zahl der Atemwegserkrankungen zur Zeit der Maisernte zugenommen, seit dort Genmais angebaut wird. Jedenfalls berichtet das das Londoner Institut "Science in Society". Es kann sich aber auch um ein zufälliges Zusammentreffen handeln.
Wegen dieser Unsicherheit besteht in Deutschland eine Kennzeichnungspflicht für pflanzliche Lebensmittel, in denen mehr als 0.9% gentechnisch veränderte pflanzliche Bestandteile enthalten sind. Das gilt aber nicht für tierische Produkte. Daher werden Tiere in konventioneller Haltung meist bedenkenlos mit gentechnisch verändertem Kraftfutter gefüttert.
In Deutschland bestehen strenge Regeln für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen. So muss der Anbau drei Monate vor der Aussaat an das Anbauregister gemeldet werden, und im Internet kann man auf einer Karte einsehen, wo gemtechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden. Dagegen ist freilich geklagt worden. Denn es ist schon vorgekommen, dass Gegner gentechnisch veränderte Pflanzen zerstört haben.
In manchen Entwicklungsländern greifen freilich Verbote kaum, so dass es dem Konzern Monsanto gelungen ist, durch Billigangebote sein Saatgut in Ländern einzuführen, wo es offiziell verboten ist.

Literatur:
  • Buntzel, Rudolf, Suman Sahai (2005): Risiko: Grüne Gentechnik. Brandes & Apsel Verlag GmbH
Links:
www.gendreck-weg.de
www.bvl.bund.de (Standortregister zu Feldern mit Genplanzen in Deutschland)
www.bantam-mais.de

Dieser Beitrag ist unter Benutzung des Infoblatts Grüne Gentechnik von Inkota und des Wikipediaartikels Grüne Gentechnik entstanden. 

26.6.10

Biologische Vielfalt

In Indien gab es um 1900 noch etwa 100 000 verschiedene Reissorten. Um 1970 gab es dort nur noch 12 Sorten, die in nennenswertem Umfang angebaut wurden. Aufgrund der "Grünen Revolution" (landwirtschaftlicher Produktion mit industriellen Standards) sind ca. 75 Prozent der Nutzpflanzenarten verschwunden. Ein wenig davon wird uns auch in Deutschland beim Apfelkauf bewusst. Statt der ursprünglich 2 500 deutschen Apfelsorten sind jetzt trotz (bzw. wegen) des internationalen Marktzugangs nur noch 30 Sorten im Handel.
Doch der Artenrückgang in Europa ist relativ harmlos. Problematisch ist besonders der in den zwölf Megabiodiversitätsländern wie z.B. Mexiko, in denen 70-80% der Arten der Welt zu Hause sind.
Nur "immer wieder neu gekreuzt, geerntet und wieder ausgebracht, entwickeln sich Pflanzen so weiter, dass sie angepasst bleiben an Klimawandel, an neue oder sich wandelnde Pflanzenarten oder Schädlinge." (Inkota Infoblatt Biologische Vielfalt, S.2)
Auf dem Weltgipfel von Rio de Janeiro 1992 wurde auch eine Konvention über Biologische Vielfalt (CBD) beschlossen. Das traditionelle Wissen indigener Gemeinschaften und Zuchtleistungen traditionell arbeitender Bauern sind darin anerkannt. Doch Patentierung von Pflanzenarten ist darin nicht ausgeschlossen. Besonders die grüne Gentechnik  könnte zu hunderten von Patenten auf Pflanzen führen.

Zusammenfassung von neueren Meldungen von UN und anderen 13.7.2010:
Unternehmen tragen bei zu Artensterben und Umweltverschmutzung. Die Scäden gehen in die Billionen.

24.6.10

Biopiraterie

Biopiraterie ist ein polemischer Begriff, der sich darauf bezieht, dass sich Konzerne Pflanzen, Tiere und deren Gene patentieren lassen, die in vielen Jahrhunderten oder Jahrtausenden von regionalen Gemeinschaften entdeckt oder gezüchtet worden sind.
So haben sie erreicht, dass Hunderttausende von Kleinbauern daran gehindert wurden, das in ihrer Kultur entwickelte Saatgut weiter zu züchten, und dass sie so in den Ruin getrieben wurden.
Anders als beim Land Grabbing wird bei Biopiraterie freilich keine Gewalt eingesetzt, und der Anfang ist von wissenschaftlicher Forschung gar nicht zu unterscheiden:
Wissenschaftler besuchen bisher unerforschte Gebiete - besonders erfolgreich sind sie wegen seiner Artenvielfalt im Regenwald - und befragen die Einheimischen, zum Teil Menschen, die noch im Steinzeitalter leben, nach ihren traditionellen Heilmitteln. Dann kaufen sie einzelne Exemplare bzw. tauschen sie ein, sie sind ja keine Diebe, und untersuchen sie im Labor auf die enthaltenen Wirkstoffe.
Sie sinddoch rechte Helfer der Menschheit, da sie ein Geheimwissen, das früher nur wenigen hundert oder tausend Menschen zur Verfügung stand, der ganzen Menshheit zugute kommen lassen - bzw. dem Teil der Menschheit, der die daraus entwickelten Präparate bezahlen kann.
Dass der Konzern, der diese Arbeit finanziert, daran verdienen will, muss man doch verstehen. Und der Einheimische ist ja bezahlt worden. Nicht wie früher mit Glasperlen, nein mit 50 Dollar oder gar 100 Euro, die der Einheimische erhält, wenn der Konzern seine 50 Millionen oder 2 Milliarden Dollar (oder Euro) Gewinn macht.
Was soll daran falsch sein?

In einzelnen Fällen gibt es freilich Ausnahmen. Das Europäische Patentamt hatte bereits ein Patent auf das Öl des indischen Niembaumes erteilt, das in Indien seit Jahrtausenden als natürliches Pflanzenschutzmittel verwendet wird. Doch dann kam es zu Protesten, bei denen auch Vandana Shiva, Trägerin des Alternativen Nobelpreises von 1993, mitwirkte. Ihre Kritik ist ganz grundsätzlich:
Nachdem der Kolonialismus in seiner ersten Auflage Kontinente erobert und ihre ursprünglichen Bewohner überfallen, ausgebeutet und versklavt habe, wende sich der neue Kolonialismus den Innenräumen der Körper zu. Leben dürfe nicht privatisierbar und patentierbar werden.
Inzwischen ist das Patent aufgehoben und das "geistige Eigentum" des Konzerns am heiligen Öl der Inder gilt nicht mehr.
Ob der Fall Schule macht? Wenn die Betroffenen keinen Druck aufbauen, wird das Europäische Patentamt sicher weiter den Konzernen solche Patente erteilen. (Zum Fall Basmatireis sieh hier!)

Literaturhinweis:
Michael Frein, Hartmut Meyer: Die Biopiraten. Milliardengeschäfte der Pharmaindustrie mit dem Bauplan der Natur. Berlin 2008, ISBN 978-3-430-30022-3

Links:
Kampagne gegen Biopiraterie
Kein Patent auf Leben

Patente auf Algorithmen und Leben  (Seite des Netzwerks Freies Wissen)

23.6.10

Landraub in Wildwestmanier

Was wir aus dem Kolonialismus kennen, die Aneignung des Besitzes anderer Völker, die in Nordamerika zur Vertreibung und beinahe völligen Vernichtung der indianischen Urbevölkerung geführt hat, wiederholt sich gegenwärtig unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts hundertfach.
Land wird ohne Berücksichtigung der Menschen, die auf dem Land leben und es für ihren Lebensunterhalt brauchen, aufgekauft über Kaufverträge, von denen die Besitzer des Landes erst hören, wenn sie längst abgeschlossen sind und es schon an die Vertreibung der Besitzer geht. (land grabbing)
In den letzten viereinhalb Jahren sind über zwanzig Millionen Hektar Ackerland in Afrika, Asien und Lateinamerika an ausländische Investoren verkauft oder auf mehrere Jahrzehnte hin verpachtet worden (für die Zeit von 2006 bis 2009 liegen die Schätzungen zwischen 22 und 50 Millionen Hektar). Aussagekräftig werden für uns die Zahlen, wenn wir bedenken, dass die Ackerfläche der gesamten erweiterten Europäischen Union gegenwärtig 97 Millionen Hektar beträgt. Wenn sich die Investoren auf die EU konzentriert hätten, wäre also in vier Jahren die gesamte Ackerfläche Deutschlands, Frankreichs und der Beneluxländer in ausländischen Besitz übergegangen.

Wer kauft Land?
Das sind zum einen Länder, mit industrieller Entwicklung, deren landwirtschaftliche Produktion nicht ausreicht, ihre Bevölkerung zu versorgen und die sich so autark machen wollen. Dazu gehören insbesondere einiger reiche Golfstaaten, Südkorea und China. So wird gegenwärtig aus Äthiopien, dessen Bevölkerung stark vom Hunger bedroht ist, in großem Umfang Reis von Farmen in saudiarabischen Besitz nach Saudiarabien geliefert.
Private Investoren aus den Industriestaaten konzentrieren sich vor allem auf den Anbau von Energiepflanzen, um Agrarkraftstoffe als Ersatz für das knapper werdende Erdöl zu produzieren. Dabei tut sich besonders die schwedische Firma Sekab hervor, die in Mosambik auf über 100 000 Hektar Energiepflanzen anbauen will.
Agrarland wird aber auch von Spekulanten (besonders Banken und Investmentfonds) gekauft, die im Zuge der Finanzkrise auf Objekte umsteigen wollen, die langfristig knapper werden. Je mehr Spekulanten einsteigen, desto schneller steigen die Preise und desto eher lohnt sich ihre Investition.

Sind Investitionen in die Landwirtschaft etwa nicht sinnvoll?
Wenn es darum ginge, mehr Nahrungsmittel für die Bevölkerung der Länder in Hungerregionen zu produzieren, wären sie ein Segen. Statt dessen wird das Kapital verwendet, um Land der Nahrungsmittelproduktion zu entfremden.
Dabei lässt sich der Vorwurf nicht allein einigen Investoren der letzten Jahre machen. Insgesamt ist der Anteil der Entwicklungshilfe von OECD-Ländern, der in landwirtschaftliche Hilfe gesteckt wird in den letzten 25 Jahren von 17 auf 4 Prozent zurückgegangen.

Was wird gegen diese Entwicklung getan?
Die G8-Staaten und die Weltbank planen gegenwärtig zusammen mit der Agrarindustrie Prinzipien zur Regulierung solcher Investitionen. Dabei soll freilich das Freiwilligkeitsprinzip gelten. Daraus kann man schließen, dass es primär um eine PR-Maßnahme der Agrarindustrie geht.
Die Organisation Inkota, von der ich meine Informationen habe, macht durch Aktionen auf den Landraub aufmerksam und unterstützt in Mozambik ORAM, einen Verband von Bauernorganisationen, in Landrechtsfragen, um sie vor Landraub/land grabbing zu schützen.

Links:
Ausführliche Information zu "land grabbing" (englisch)
Aufruf zu Protest gegen Ausverkauf von Ackerland von Kleinbauern

21.6.10

Was ich nicht weiß

Beim Besuch der Ausstellung "abgeerntet" der  entwicklungspolitischen Organisation Inkota habe ich erfahren, dass ich zu einigen Themen viel zu wenig weiß. Demnächst werde ich daher in Blogartikeln darüber informieren, was ich bis dahin über die unten angegebenen Themen und einige andere gelernt haben werde und nach und nach Links zu diesen Artikeln  (Kurzinformation) und zu Organisationen, die sich mit diesen Themen beschäftigen, hier ergänzen. Zunächst verweise ich nur auf Info-Blätter von Inkota zu folgenden Themen:
Hier Hörbeiträge zum Thema der Ausstellung. Man kann sie übrigens bei Inkota bestellen.

Blogbeiträge:
Recht auf Nahrung und Ernährungssouveränität: Recht auf Überlebenskampf ohne Gewalt
Land Grabbing: Landraub in Wildwestmanier
Biologische Vielfalt
Biopiraterie
Hilft Gentechnik gegen Hunger?
Biosprit macht Hunger 

Links:
Ausführliche Information zu "land grabbing" (englisch)
Aufruf zu Protest gegen Ausverkauf von Ackerland von Kleinbauern
Internationale Organisation von Kleinbauern zum Kampf für Ernährungssouveränität (englisch)
Nyéléni 2007 - Forum for Food Sovereignty. 23rd - 27th February 2007. Sélingué. Mali
Food First

Eine ausführliche Darstellung zu diesem Themenkomplex findet sich in:
Wilfried Bommert: Kein Brot für die Welt. Die Zukunft der Welternährung. Riemann Verlag (München) 2009. Orig.-Ausg., 1. Auflage. 351 Seiten. ISBN 978-3-570-50108-5

17.6.10

17. Juni

Der Nationalfeiertag der alten Bundesrepublik erinnerte an den Aufstand in der DDR vom 17. 6. 1953. Es war ein Tag der Niederlage und auch ein Tag der Hoffnung. Zu diesem Tag gehörten die Bild von den Arbeitern, die mit Steinen auf Panzer warfen, und das Bild von Deutschland in der Grenzen von 1937 mit der Formel "Deutschland dreigeteilt niemals!" Die Bundesrepublik gehörte zum Westblock, die DDR zum Ostblock. Beide versuchten, Musterkind in ihrem Block zu sein.
Der Geschichtsunterricht der alten Bundesrepublik blieb nicht selten am Ende der Weimarer Republik stecken. Wer den Nationalsozialismus und die Nachkriegszeit bis 1950 behandelte, war stolz darauf, wie weit er gekommen war. Die DDR wurde als totalitärer Staat und Gegenbild zum freien Westen beschrieben, historisch interessant erschien allenfalls der Weg zum Einparteiensystem der SED und dem Aufbau der Volksarmee, danach eigentlich nichts mehr.

Der Nationalfeiertag der vereinigten Bundesrepublik Deutschland ist der 3. Oktober, der Tag der Wiedervereinigung von 1990. Die prägenden Bilder sind die der Feier am Brandenburger Tor und vom Fall der Mauer. "Wahnsinn!" das Stichwort.
Damals wurde klar, dass die gesamte Phase von 1945 bis 1989 Geschichte geworden war. Das wiedervereinigte Deutschland war wie die Europäische Einigung nicht mehr Vision, sondern Wirklichkeit, deren Vorgeschichte zu betrachten war.

Leicht fällt es im Westen Adenauerära, Studentenbewegung, Ostpolitik, RAF, den Wechsel von Schmidt zu Kohl und dann die Stufen zur Auflösung der Blöcke als wesentliche Stationen zu beschreiben. Doch welche Phasen der Geschichte der DDR sind so prägend, dass sie unbedingt behandelt werden müssten? Bisher kenne ich noch keine didaktisch überzeugende Konzeption für den Schulunterricht.

Bemerkenswert finde ich deshalb die Auswahl, die Dietrich Garska in Das schweigende Klassenzimmer trifft. 1953 und 1956 als die Jahre der gescheiterten Aufstände in DDR und Ungarn. Dann erst wieder der Blick auf die Einigung. Sollte man mit dem Prager Frühling von 1968 als Parallele zur Studentenbewegung fortfahren, dann 1976 die Ausbürgerung Biermanns und die Proteste dagegen mit der Entstehung der Solidarność in Polen 1980 zusammen sehen als Vorbereitung der friedlichen Revolutionen von 1989?

Das hieße, die DDR-Geschichte vom Ende her als letztlich nicht erfolgreiche Dauerunterdrückung zu verstehen. Aber das dafür entscheidende Jahr des Mauerbaus von 1961 fehlte dann. Darf man es wagen, die DDR-Geschichte nur in DDR vor und nach dem Mauerbau zu gliedern?

Nachtrag vom 13.8. (Mauerbau 1961):
In Brandenburg gibt es Überlegungen, mit der DDR-Geschichte schon in Klasse 7 zu beginnen.

10.6.10

Vom Problemlösen - Planspiele

Den Hinweis auf den Lohhausenversuch von Dörner, verdanke ich jeanpol. (Zur näheren Information sieh besonders hier.)

Er erinnert mich an Simulationen und Planspiele, die ich mitgemacht habe. Bei einer war ich Regierungschef und habe mit meiner Opposition diskutiert. Kein Wunder, dass ich auf neue Nachrichten etwas erschreckt reagierte. Kein guter Problemlöser. - Angela Merkel weiß, weshalb sie auf den Vorschlag, Gauck zu ihrem Kandidaten für den Bundespräsidenten zu machen, nur "Danke für die Info" schrieb.

Unabhängig davon, ob Dörners wissenschaftliche Erkenntnisse zutreffend sind oder nicht - mir scheinen sie recht fundiert -, in Planspielen sein eigenes Entscheidungsverhalten erlebt zu haben, ist eine nützliche Erfahrung, die man Schülern gönnen sollte.
Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet Hilfen zur Auswahl aus 131 Planspielen an.

6.6.10

Vattenfall will in Berlin Tropenholz verfeuern

Vattenfall betreibt ein Kraftwerk mit Holzfeuerung zur Stromversorgung von Berlin. Jetzt will es im Märkischen Viertel in Reinickendorf ein zweites mit einer elektrischen Leistung von fünf Megawatt bauen. So weit so vorbildlich.

Freilich braucht der schwedische Konzern dafür nach eigenen Angaben eine Million Tonnen Holz pro Jahr. Da sich das Holz entgegen früherer Annahmen nicht im Umfeld Berlins beschaffen lässt, will Vattenfall jetzt über Buchanan Renewable eine Million Tonnen Gummibaum-Holzschnitzel aus Liberia importieren.

Silas Siakor, Direktor des Instituts für Nachhaltige Entwicklung in der Hauptstaft Liberias, Monrovia, meint dazu:

BRE kauft alte Gummibäume und verwandelt sie in Holzschnitzel für den Export. Das hat bereits zu schwerwiegenden wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Menschen in den Städten des Landes geführt, die auf hauptsächlich aus Gummibaumholz produzierte Holzkohle angewiesen sind. Die Holzkohlepreise sind von 100 auf 200 $ gestiegen – d.h. um 100 Prozent, weil jetzt mehr Gummibaumholz an BRE verkauft wird, anstatt Holzkohle daraus zu machen. Die überwältigende Mehrheit von uns hängt für den häuslichen Energiebedarf von Holzkohle ab, weshalb dieser Preisanstieg sehr bedeutend ist.

Die Angaben dazu habe ich von der Aktion "Rettet den Regenwald". Sonst weise ich auf solche Aktionen nicht hin. Da es diesmal aber um eine Konkurrenz zwischen der deutschen Hauptstadt und den Armen in Liberia um das dortige Feuerholz geht und weil ich gerade auf die Möglichkeiten politischer Beteiligung hingewiesen habe, wird man mir vielleicht dies Beispiel verzeihen. Meiner Meinung nach ist es durchaus unterrichtsgeeignet und zwar beim Thema Entwicklungshilfe. Und einen Brief an den Senat von Berlin hat die Aktion "Rettet den Regenwald e.V." schon vorformuliert. (Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz Umweltsenatorin
Frau Kathrin Lompscher poststelle@senguv.berlin.de)

4.6.10

Effizienz als einziger Wert?

Tony Judt, dem wir die vorzügliche Darstellung der Geschichte Europas seit 1945 zu verdanken haben, hat 2009 die Diskussion über die Alternative Neoliberalismus - Sozialdemokratie (wie ich es verkürzt benenne) angestoßen. Hier zunächst nur der Link zur Übersetzung seines Aufsatzes.

3.6.10

Politische Beteiligung

Angeregt durch einen Diskussionsbeitrag in ZUM-Unity habe ich in einem ZUM-Wiki-Artikel einige Internetseiten zusammengestellt, die politische Informationen bieten und zum Teil auch sehr direkt zu politischer Beteiligung anregen. Da ich - dank Wikipedia - da einiges Neue kennengelernt habe, auf das ich gern aufmerksam machen möchte, führe ich diese Seiten auch hier an (einige finden sich schon länger in meiner Linkliste rechts). Dass ich noch nicht alle dieser Seiten kannte, halte ich für eine Bildungslücke, die schwerer wiegt als manche andere. Dass ich manche dieser Seiten, obwohl ich sei schon lange kenne, fast nie aufsuche, nehme ich mir nicht übel.

* Abgeordnetenwatch.de Seite mit der Möglichkeit, Abgeordnete verschiedener Parlamente direkt zu befragen
* "Direkt zur Kanzlerin!" Seite zur Befragung der Kanzlerin
* democracy online today
* e-politik.de Onlinemagazin zur Förderung politischer Bildung
* Indymedia Netzwerk von Medienaktivisten
* JibJab.com englische Seite mit politiksatirischen Comics
* NachDenkSeiten Seite mit politischen Kommentaren und Informationen
* Politik-digital Seite für politische Information und Kommunikation
* Smartvote Schweizer Seite mit Wahlentscheidungshilfen
* Wahl-O-Mat Seite der Bundeszentrale für politische Bildung mit Wahlentscheidungshilfen für die Bundesrepublik Deutschland
* Wahlkabine.at Österreichische Seite mit Wahlentscheidungshilfen

Link zum ZUM-Wiki-Artikel

1.6.10

Umgang mit Missbrauchsfällen an Internaten: Neuanfang an der Odenwaldschule

Der Trägerverein der Odenwaldschule (OSO) und sein Vorstand haben sich erneuert. Keines der Mitglieder, die 1999 für die Verschleppung der Aufklärung des Missbrauchsskandals eine Rolle spielte, ist noch Mitglied des Vorstandes. Neben dem Rechtsanwalt Michael Frenzel als Vorsitzendem wirken ein Missbrauchsopfer, Adrian Koerfer, und der bekannte Journalist Johannes von Dohnanyi im Vorstand mit. - Bedauerlich freilich, dass bisher keine Frau für die Vorstandsarbeit gewonnen werden konnte.
Rita Süsmuth hat den Vorsitz einer internationalen Expertenkommission übernommen, die Methoden zur möglichst effektiven Prävention künftigen Missbrauchs herausfinden soll.
Der Landrat Matthias Wilkes will seine etwas übereifrige Ankündigung, künftig keinen Schüler mehr über die Jugendhilfe der Odenwaldschule zuzuweisen, überdenken. Der Einsatz der Direktorin Margarita Kaufmann scheint für die Schule Früchte zu tragen.
Die schwierige Balance, zwischen pädagogischer Nähe und der Übergriffe verhindernden Distanz zu finden, wird nicht leicht sein. Ob Modelle einer stärkeren Mitverantwortung von Schülern oder ein strikteres Regelwerk zur Gewaltenteilung zwischen Trägerverein und Schule helfen können oder ob eine externe Appellationsinstanz im Sinne eines Ombudsmannes erforderlich ist oder eine Kombination von diesen und weiteren Ansätzen, sollte unvoreingenommen geprüft werden. Die bisherigen Instrumente waren vielleicht stark genug, neuen Missbrauch zu verhindern, aber jedenfalls nicht geeignet, ohne Unterstützung von außen die Aufklärungsarbeit über frühere Fälle genügend voranzubringen.