7.2.22

Wieder einmal: Motivation

 Text 1: "Mein Handicap spornt mich an" (ZEIT, 3.2.22)

"Fehlt bei der Inklusion die Entschlossenheit?

Bentele: Ja, wenn wir eine offene Welt ohne Vorurteile wollen, 

dann müssen wir in der Schule damit anfangen. Immer wieder 

erlebe ich Barrieren, weil Menschen mit und ohne Behinderung

sich so schlecht kennen. Viele Menschen sagen etwa zu mir: 

Toll, dass du so gut hören kannst. Oder: Wie machst du das 

mit dem Schreiben? Noch nehmen wir eher das Trennende 

als das Verbindende an anderen wahr. Das ist Teil des 

Problems, das auch Kinder aus Einwanderer-familien 

kennen. Wir haben eben längst noch keine Schule für alle. 

[...] dann hat mich erst der Münchner Oberbürgermeister 

Christian Ude gefragt, ob ich sein Wahlkampfteam 

unterstützen wolle, und schließlich kam die Anfrage 

von Andrea Nahles, ob ich in die Bundesregierung als

Beauftragte kommen will. Ich habe kurz gezögert, 

denn die Sozialgesetzbücher kannte ich nicht in 

allen Details aus dem Effeff. Aber ich habe selten 

zu einem Risiko Nein gesagt."

(Verena Bentele)

Fontanefan: Hier das Verbindende zu sehen, ist etwas viel 

verlangt. 

Schließlich hat Bentele als blinde Skiläuferin nach einem Sturz

eine Niere verloren und danach furchtbare Angst. Dann ist sie

aber doch wieder Gletscher hinabgefahren. Da ist es nicht nur

für Sehende wie für Blinde eine riesige Herausforderung, das

Verbindende zu sehen.

Diese Herausforderung anzunehmen, könnte Motivation 

stärken.


Text 2:

Wenn eine Gruppe in einem Motivationstief ist wird vom Lehrer höchste Selbstdisziplin verlangt, denn er muss trotz Widerstände seine Forderungen aufrechterhalten, seine gute Laune und seine Offenheit bewahren, sich vor Selbstmitleid und Gejammere hüten. Das geht nur, wenn man sich kurzfristig unabhängig vom Urteil und von der Stimmung der Klasse macht und im Vertrauen auf die Qualität der eigenen Arbeit "durchhält", bis die Motivation der Schüler wieder da ist.

Die Therapie

Aus meiner Sicht liegt ein Hauptproblem unseres Schulwesens darin, dass die Schüler qualitativ (Energie, Erfahrung, Denkvermögen, Handlungsbereitschaft) mit einem so hohen Niveau in die Schule kommen, dass man als Einzellehrer ihre legitimen Ansprüche nur mit einem enormen Aufwand befriedigen kann. Bezogen auf meine 11.Klasse bin ich der Meinung, dass meine ganze Arbeitskraft gerade hinreicht, um diese Schüler gut zu bedienen. Andererseits: wer von meinen Kollegen kann sich einen solchen Aufwand leisten?

Es müssten folgende Forderungen erfüllt werden:

  • Der Einzelkampf der Lehrers muss durchbrochen werden. Wenn ich beispielsweise die 11. Klasse im Team mit anderen Lehrern führen würde, wüsste ich, welche Aktivitäten gerade anstehen. Ferner könnte ich Informationen über die allgemeine Stimmung in der Klasse einholen und würde nicht jede Schwierigkeit (aber auch jeden Erfolg) auf mich allein zurückführen.
  • Projekte müssen mit Kollegen geplant und durchgeführt werden. Wenn ich eine Woche lang beispielsweise mit der Deutschlehrerin, dem Englischlehrer und dem Geschichtslehrer ein Projekt über die Renaissance inklusive Exkursion gestalte, dann ist die Arbeit insgesamt viel intensiver, sie hat einen Anfang, eine Klimax und einen Schluss, sie nähert sich dadurch der Struktur des realen Lebens. Die Schüler prägen sich das Erlebte viel besser ein.
  • Über den 45-Minuten-Takt war ich mir bisher nicht ganz schlüssig. In der letzten Zeit stelle ich fest, dass dieser Takt schon sehr störend sein kann: zum Beispiel lasse ich gegenwärtig Plakate anfertigen, auf denen die Etappen unserer Frankreichreise dargestellt werden. Der Fleiß meiner Schüler ist tadellos, aber ihre Arbeit wird immer wieder unterbrochen, weil die Stunde zu Ende ist. Was uns am Stück höchstens 90 Minuten beschäftigt hätte, zieht sich durch die Unterbrechungen des 45-Minuten-Taktes jetzt seit mehr als einer Woche hin. Das gilt nicht nur für die Erstellung von Plakaten, sondern auch für jede längere Arbeit (Kurzreferate, Klassenkorrespondenz usw.). Wird dadurch der oft beklagten Oberflächlichkeit des modernen Lebens nicht Vorschub geleistet?

Diese Forderungen sind natürlich nicht originell. An vielen Schulen werden sie schon erfüllt. Ich glaube, diese Schulen sind auf dem richtigen Weg.

Der zweite Text stammt aus dem Jahr 1998 und ist nicht von mir, sondern von Jean Pol Martin.

Ich halte ihn aber immer noch für einen treffenden Beitrag zum Motivationsproblem.

mehr zu Motivation: 

Eine Zusammenfassung mehrerer Beiträge von 2012

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