5.5.17

G8 oder G9 macht keinen Unterschied, aber die Umstellung einen großen Aufwand

Neue Expertise zeigt: G8 oder G9 macht keinen Unterschied bildungsklick 4.5. 2017

"Zentrale Erkenntnis der Expertise von Prof. Dr. Olaf Köller vom Leipniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel ist, dass die G8-Reform keine negativen Folgen hat. Zwischen G8- und G9-Abiturienten lassen sich keine Unterschiede in der fachlichen Leistung nachweisen."

Laut ZEIT 19/2017 im Teil Chancen sieht sich  Prof. Köller aufgrund dieser Studie zu dem Urteil berechtigt: "[...] Politiker und Eltern, die wieder G9 wollen, verhalten sich genauso postfaktisch [wie Trump]".

Es bleibt sein Geheimnis, wie man sich postfaktisch verhalten kann. Aber für Beschimpfungen scheint sich das Wort zu eignen. 
Ein Wissenschaftler, der auf sich hält, sollte auf einem anderen Niveau argumentieren, finde ich.

Hier kann man sich seine Studie genauer ansehen:
https://www.stiftung-mercator.de/de/publikation/verkuerzung-der-gymnasialzeit-in-deutschland/

Auch Alexander Stracke sieht G9 und G8 als gleichwertig an, ist aber weit entfernt davon, Befürworter der Rückkehr zu G9 als sich "postfaktisch" verhaltend zu bezeichnen. Allerdings hat er zwei wichtige Beobachtungen gemacht:
1)
 "Die Umstellung war jeweils mit erheblichem Aufwand verbunden. Es gab neue Schulbücher, und die Curricula mussten zweimal verändert werden, sodass der Stoff statt in neun in acht beziehungsweise wieder in neun Jahren vermittelt werden konnte. Ich weiß von vielen Kollegen, dass sie dieses Hin und Her genervt hat."
2)
"Mit G8 wurde die 10. Klasse zum Vorbereitungsjahr. Wer von der Realschule zu uns wechselte, musste deshalb die 10. Klasse wiederholen, aber die war stofflich nicht so entlastet wie vorher die Elfte. Der Wechsel fiel damit vielen Realschülern schwerer. Viele haben sich ganz dagegen entschieden. Nach meiner Erfahrung war das Schulsystem mit G8 nicht so durchlässig wie vorher."

An meiner ehemaligen (ich bin pensioniert) lief das mit den Umstellungen wie folgt:

Als uns G8 als Schulversuch angeboten wurde, hat das Kollegium es abgelehnt.      
Die unterschiedlichen Begründungen fasse ich zusammen mit: "Es muss im Leben mehr als Schule geben." (Ein Gedanke, den G8-Schüler, die im Bewusstsein eines gewonnenen Jahrs eine Art Sabbatjahr einlegen, offenbar ebenfalls hegen.)

Als G8 verpflichtend eingeführt wurde, wurde argumentiert: Wir wählen den späteren der beiden möglichen Termine, damit wir von den Erfahrungen anderer profitieren und Schulbücher, von denen man beim Übergang von G9 zu G8 für einen Jahrgang jeweils doppelte Klassensätze brauchte, von einer Schule, die das schon hinter sich hat, übernehmen zu können. 

Als Schulen dann zu G9 zurückkehren konnten, entschied sich das Kollegium dagegen, weil man den Aufwand einer neuerlichen Umstellung vermeiden wollte. Das fiel umso leichter, weil Schule in unmittelbarer Nachbarschaft sich für G9 entschieden und so Wahlfreiheit für die Schüler und ein problemloserer Übergang für Realschüler gesichert war.

Angesichts der weitgehenden Gleichwertigkeit von G8 und G9 scheint mir das ein sehr rationales Vorgehen zu sein, denn für die lokale Schullandschaft verbindet es die Vorteile beider Systeme und für die eigene Schule bleiben Energien frei für Schulverbesserung. Die Entscheidung anderer Schulen zu G9 zurückzukehren, halte ich deshalb aber in keiner Weise für "postfaktisch".

Wo ein Fehler gemacht wurde, das war eindeutig da, als man den flächendeckenden Übergang zu G8 vollzog, ohne die Auswirkungen davon vorher zureichend zu untersuchen. 
Dass man die Schuld für diesen Fehler jetzt den Eltern zuschieben will, die mit den Folgen leben mussten, möchte ich als wenig hilfreich bezeichnen, auch wenn ich es gefühlsmäßig als empörend wahrnehme. 
Wissenschaft sollte rationale Entscheidungen ermöglichen und nicht dazu dienen, Fehlentscheidungen zu rechtfertigen. 

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