13.8.24

Worauf kommt es beim Lernen an?

 Eine sehr beachtenswerte Antwort dazu hat Maik Riecken 2013 gegeben.

Ein kurzer Auszug:
Bildung hat für mich zwei wesentliche Komponenten. Struktur und Inhalte. Ich sehe diese beiden Komponenten einzeln als völlig wertlos an. Sieht man das Verhältnis zwischen beiden als dichotomisch an, so wird ein Schuh daraus.
Das ist ähnlich wie ein Lager (Struktur) mit Paketen (Inhalte). In einem Lager befinden sich Regale. [...] Wenn es keine Pakete gibt, ist der Betrieb des Lagers als Selbstzweck irgendwie doof. Wenn es keine Lagerstrukturen gibt, wird es mit der Verwertbarkeit der Pakete schnell schwierig. Lager und Pakete gehören also zusammen wie die zwei Seiten eines Blatts Papier – ein dichotomisches Verhältnis.
Ein modernes Lager organisiert sich heutzutage übrigens immer neu, besitzt also im Prinzip wenig feststehende Strukturen. Einzelne Pakete oder “Wissensartefakte” sind da weniger dynamisch – wobei es natürlich immer auf das Wissensgebiet ankommt.

Ich bin Maik sehr dankbar für sein Modell.
Bei ihm ist das Lager ja so sinnhaft geordnet wie bei einem Standortkatalog einer Seminarbibliothek und nicht wie dem eine Uni-Bibliothek, wo die Inhalte nach Eingangsdatum eingeordnet werden und das Finden über den zentralen Katalog geschieht, wie es bei computergesteuerter Suche bei großen Lagern wie etwa bei Amazon geschieht.
Dass bei künstlicher Intelligenz mit Hilfe von Big Data sinnhafte Ordnung über Statistik hergestellt werden kann, dass dabei aber das Kriterium der „Wahrheit“ oder „Echtheit“ der Inhalte eine untergeordnete Rolle spielt und warum das geschieht, war 2013 nicht interessant, dürfte aber für Informatiker eine interessante Frage sein, die beim Sammeln und Abrufen der Informationen einmal eine zentrale Rolle spielen wird.

Dazu jetzt der Kommentar eines Informatikers:

Die Unterscheidung zwischen Struktur und Inhalt beim Lernen finde ich auch eine nützliche Idee. 
So erinnere ich mich an Statistik-Vorlesungen. Da stellte der Professor eine stochastische Verteilung nach der anderen vor, und ich hatte keine Ahnung, welchen Zweck das eigentlich haben sollte. Später, nachdem ich in mehr Kontexten mit praktischen Anwendungen für Statistik in Kontakt gekommen war, konnte ich endlich einordnen, warum mich die frühere Vorlesung hätte interessieren sollen -- da wäre ich dann gerne zurückgegangen und hätte sie mir dann noch mal angehört. Aber da war es zu spät -- wir hatten die Inhalte vor der Struktur behandelt, und deswegen hatte ich die Inhalte nirgends ablegen können.

Interessanterweise kann man bei der KI vordergründig nicht wirklich benennen, wo sie Inhalte lernt und wo sie Struktur lernt (jedenfalls soweit ich das beurteilen kann). Alles wird irgendwo in den Gewichten des neuronalen Modells abgelegt. Ob und wie das Modell zwischen Struktur und Inhalt unterscheidet, ist dann eine emergente Eigenschaft des Systems; und diese emergenten Eigenschaften von KI-Systemen zu verstehen, damit tut sich die Forschung noch sehr schwer, soweit ich weiß. Ähnlich ist es übrigens auch, soweit ich weiß, beim Gehirn und dem natürlichen Lernen.

Das Ganze erinnert mich an die Figur "Tante Kolonia" (englisch "Aunt Hilary") aus Gödel, Escher, Bach, eine Ameisenkolonie, die Intelligenz und Bewusstsein hat und sich mit den anderen Figuren aus dem Buch "unterhält", indem sie bestimmte Muster im Ameisengewirr erscheinen lässt. Die Tatsache, dass Tante Kolonia ein Bewusstsein hat, ist wiederum eine emergente Eigenschaft, die sich nicht auf der Ebene einer einzelnen Ameise erklären lässt. Tante Kolonia selbst interessiert sich wenig für Ameisen, und die anderen Figuren im Buch sind etwas schockiert darüber, dass sie mit einem Ameisenbären befreundet ist und es ihm sogar immer wieder gestattet, von den Ameisen ihrer Kolonie zu naschen.

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