8.8.11

Wissensarbeit = Arbeit 2.0?

„Ein Wissensarbeiter ist jemand, der mehr über seine Tätigkeit weiß als jeder andere in der Organisation“, definiert Peter Drucker.
Weil das so ist, argumentiert Ulrich Klotz, könne kein Vorgesetzter besser wissen, was der Wissensarbeiter zu tun habe, als dieser selbst. So nachzulesen in dem höchst lesenswerten Artikel in der Frankfurter Rundschau vom 8.8.11. Deshalb greife "Frederick W. Taylors Konzept der 'wissenschaftlichen Betriebsführung'" für Wissensarbeiter nicht mehr, weil es Menschen als Teil einer Maschine begreife, und das führe zu "Frust und Demotivation".
Die richtige Arbeitsorganisation glaubt er im Internet bei Projekten wie Linux, Firefox und Wikipedia zu finden. In diesen Projekten herrsche "ein anderes Verständnis von geistigem Gemeineigentum. Hier sind die Menschen motiviert und gerne bereit, ihr Wissen und ihre Ideen anderen oder einer Organisation zur Verfügung zu stellen, weil ihnen Vertrauen, Respekt, Anerkennung, Fairness und Toleranz entgegengebracht wird." Das sei Arbeit 2.0, weil hier auf gleicher Augenhöhe gearbeitet werde.
So weit mein Referat seiner Thesen.


So sympathisch mir seine Haltung ist. Ich muss seiner Darstellung doch an wichtigen Punkten widersprechen:
Es ist zwar richtig, dass in diesen Projekten eine andere Motivation herrscht als anderswo. Doch "Vertrauen, Respekt, Anerkennung, Fairness und Toleranz" finden sich - zumindest in der Wikipedia - oft nicht. 
Weshalb ist das nicht so? 
Zum einen, weil Menschen nicht alle auf Vertrauen etc. angelegt sind, aber auch, weil es mit Vertrauen allein nicht immer getan ist. Denn freilich hat der Verfasser von zu Guttenbergs Dissertation über seine Arbeit mehr gewusst "als jeder andere". (Das gilt unabhängig davon, wer diese Arbeit verfasst hat.) Aber dennoch musste die Arbeit kontrolliert werden. Dasselbe ist der Fall in Wikipedia und Open-Source-Projekten. Bei letzteren gibt es freilich eine objektive Kontrolle: Funktioniert das Programm oder nicht. (Dass die Kontrolle oft nicht ausreichen wird, steht auf einem anderen Blatt.) Bei der Wikipedia aber fehlt dieses Kriterium. Deshalb wird es durch die Forderung nach Belegen, durch Peer-Bewertung und durch Kontrolle durch "Administratoren", Personen mit (ein wenig) mehr Rechten, ersetzt. Dass dies des öfteren "Anerkennung, Fairness und Toleranz" gefährdet und nicht allzu selten sogar zum Umschlag in ihr Gegenteil führt, weiß, wer sich in der Wikipedia ein wenig besser auskennt.
Dennoch gibt der Erfolg dieser internetbasierten Projekte Ulrich Klotz im wesentlichen Recht.


Dass man daraus für die Schule lernen könnte, beweist die seit langem geführte Diskussion über Lernen 2.0, auf die ich hier im Prinzip nur verweisen kann. Auf einen ganz aktuellen Beitrag möchte ich aber ganz gezielt hinweisen: auf Herrn Larbigs Hinweis, dass bei aller Binnendifferenzierung in der Schule weiterhin auf zweierlei aufbauen solle: auf die spezifische Anregung durch den Gegenstand und die Autonomie der Schüler.

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