5.11.14

Rentner und Pensionäre an der Universität

"Wir müssen draußen bleiben!"-Schilder sollten die Universitäten gewiss nicht aufhängen, um Senioren von der Uni fernzuhalten. So problematisch ist das Miteinander von vorberuflichen und nachberuflichen Studenten nicht. Aber kann man angesichts der Überfüllung der Universitäten wirklich ganz unbesorgt davon ausgehen, dass 1% Gasthörer eher beleben als stören?

Prof. Dr. Jörg Tremmel, Politikwissenschaftler an der Universität Tübingen mit Forschungsschwerpunkt Generationengerechtigkeit, vertritt eine andere Meinung: "Die Hochschulen müssen sich auf die Ausbildung der jungen Erststudierenden konzentrieren. Sie vor allem müssen gute Studienbedingungen vorfinden." Und: Wer im Alter noch studieren wolle – sei es regulär oder als Gaststudent –, solle dafür auch eine der Leistung angemessene Gebühr zahlen. Tremmel rechnet in seiner Studie mit dem Titel "Generationengerechte und nachhaltige Bildungspolitik" vor: Seniorenstudierende, die in den meisten Fällen bereits Rentner sind und keiner steuerpflichtigen Tätigkeit mehr nachgehen, geben dem Staat deutlich weniger von dem über die Hochschulen in sie investierten Geld zurück als junge Studierende. (OFFENE HOCHSCHULE. Die Grauen da vorne, bildungsklick, 4.11.14)
Ein ergänzendes Zitat aus der ZEIT:
Die Universitäten sind überfüllt, ein Professor kümmert sich im Schnitt um 64 Studenten. Auf die Raumnot haben die Hochschulen reagiert, indem sie Seminare abends bis 22 Uhr und samstags stattfinden lassen. Wo der Platz nicht reicht, werden Kinosäle, Kirchen und Container angemietet. Die Uni Göttingen mag aktuell ihren 14. Nobelpreisträger hervorgebracht haben, aber Erstsemester müssen in der Stadt auf Feldbetten in alten Schulgebäuden schlafen. (Bildungsbürgertum, 5.11.14)
Ich bin jedenfalls recht froh, dass ich in MOOCs, in Barcamps, von Bloggern und Autoren der Wikipedia und des ZUM-Wikis oder auch in frei gebildeten Gruppen lernen kann, ohne das Zahlenverhältnis zwischen Professoren und Studenten ohne Not weiter zu verschlechtern.
Freilich wird das nicht für jeden ausreichen.

Jedenfalls sind m.E. die 7 goldenen Regeln für ältere Gasthörer (an der Universität Oldenburg) durchaus beherzigenswert:
1. Wir sind Gäste der Universität, die willkommen und nicht nur geduldet sind.
2. Wir haben Spaß an einem offenen und respektvollen Umgang mit den jungen Studierenden.
3. Wir profitieren von den menschlichen und fachlichen Kontakten mit den jungen Studierenden.
4. Wir stehen gegenüber den jungen Studierenden zurück, wenn es räumlich eng wird, wenn Veranstaltungen überbelegt sind und wenn bei fortgeschrittener Zeit diskutiert wird.
5. Wir sind keine „Besserwisser“ und lassen deshalb den jungen Studierenden in der Diskussion den Vortritt und drängen unser Wissen und unsere Erfahrung nicht auf.
6. „Schwarzhören“ ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Bereicherung auf Kosten Anderer.
7. Wir begegnen uns untereinander als Gasthörende freundlich und tragen damit zu einer positiven Atmosphäre bei den Universitätsveranstaltungen bei.

1 Kommentar:

teacheridoo hat gesagt…

Ich studiere ja an einer Massenuni Massenfächer, die öfter mal überfüllt sind.
Insbesondere in den Vorlesungen waren die ersten drei Reihen immer gut gefüllt mit weiß- und grauhaarigen Häuptern, sog. "Kontaktstudenten".

Seminare hingegen wurden (bei uns zumindest) höchst selten von diesen frequentiert, was eigentlich fast schade war, denn ich habe die Senioren immer als die angenehmeren "Mitsitzer" erlebt.
Die erscheinen pünktlich, sind leise, quasseln nicht während der Vorlesung (sodass man als Nebensitzer kein Wort mehr versteht), verlassen auch nicht scharenweise mit lautem Gerumpel den Vorlesungssaal, sobald die Anwesenheitsliste rumgegangen ist, etc. pp.
Soll heißen: Nach meiner Erfahrung sind es gerade die Senioren, die keiner gesonderten Regeln bedürfen, um sich angemessen zu verhalten.

(Ja, ich habe nach den vergangenen 5 Jahren leider ein sehr schlechtes Bild von Studenten.)

Ab davon scheitern die guten Ausbildungsbedingungen m. E. NICHT an diesem winzigen Prozentsatz älterer Studierender. Da mangelt es eher an so vielen anderen Dingen (Geld vor allem, wie überall).