5.10.22

Wieder Lehrermangel

 "[...] Seit Jahren steigen die Geburtenzahlen, wächst die Zahl der zugewanderten Kinder und Jugendlichen; die Kultusministerkonferenz (KMK) verkündete gerade, dass es 2035 eine Million mehr Schülerinnen und Schüler geben werde als heute. Bis dahin könnte den Prognosen des Bildungsforschers Klaus Klemm zufolge ein Mangel von 158.700 Fachkräften entstehen. Klemm hat in seinen Berechnungen bildungspolitische Vorhaben berücksichtigt, die vielleicht bald nicht mehr selbstverständlich sind: den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz, die Inklusion, die Förderung von Schülern in Brennpunktvierteln. [...] Weil es keine langfristige politische Strategie gibt, kämpft jedes Bundesland für sich allein, wirbt schamlos (und obwohl in der KMK schon 2009 anders vereinbart) Lehramtsabsolventen und Pädagogen aus anderen Bundesländern ab; sieht zu, dass es den eigenen Schulbetrieb halbwegs aufrechterhält, quetscht aus den verbliebenen Pädagogen die letzten Kräfte und lässt jeden Willigen, der wahnsinnig genug ist, ohne pädagogische Vorbildung vor eine Klasse zu treten, in eine Schule. [...] 

Produktiv kann sein, dass die Bildungspolitik jetzt bereit ist, Tabuzonen zu betreten. So werden endlich die ausufernden Teilzeitmodelle von Lehrkräften infrage gestellt. Man diskutiert Priorisierungen von Fächern, damit wenigstens die Grundlagen in Mathe, Deutsch und Englisch noch ausreichend vermittelt werden. Multiprofessionelle Teams werden realistischer, weil erkannt wird, dass die Lehrkraft nicht auch noch Verwaltungsaufgaben übernehmen, Laptops reparieren und Kinder verarzten kann. [...] Zurzeit beklagen Universitäten abnehmende Studierendenzahlen, zu viele Interessierte wechseln in andere Jobs. [...]

Jedes Jahr verlässt fast ein Fünftel der Schülerinnen und Schüler die Schule, ohne ausreichend lesen und rechnen zu können. Wenn es ein Bildungssystem nicht mehr schafft, jungen Menschen in ihrer Schulzeit die Minimalausstattung an Wissen und Kompetenzen mitzugeben, ist das Armutszeugnis und Langzeitdrama zugleich. [...]" (Die Lücken im Lehrerzimmer bedrohen das ganze Land, ZEIT 5.10.22)

Dass der Lehrerbedarf fast nie realistisch berechnet wurde, beklage ich auf diesem Blog schon seit vielen Jahren. Verschärft hat sich das Problem dadurch, dass viel zusätzliche Aufgaben auf die Schulen zugekommen sind, ohne dass man (als der Mangel noch nicht so eklatant war) die Zahl der Lehrerstellen erhöht hat, aber außerdem dadurch dass man die Zahl der Pensionierungen der Babyboomer nicht zureichen berücksichtigt hat.

Schon am 24.2.2009 2009 hat der Lehrerfreund vielfaches Politikerversagen beim Versuch, Lehrermangel zu beseitigen, festgestellt.  Es ist ein altes Problem. 

Schon in den 60er Jahren hat das Land Nord-Rhein-Westfalen Seiteneinsteiger, die so genannten Mikätzchen einstellen müssen, um dem Lehrermangel abzuhelfen.

"Diesen Schritt unternahm die NRW-Landesregierung in den 1960er Jahren, um die geburtenstarken Jahrgänge besser beschulen zu können und die Schülerzahl in den wegen Lehrermangels überfüllten Klassen nicht über 50 steigen zu lassen.[1]" (Wikipedia)

Es steht zu hoffen, dass diese Wikipediazitat keinen Politiker auf den Gedanken bringt, diesmal dem Lehrermangel doch mit Klassen über 50 Schüler*innen abzuhelfen. 

Ausführlichere Darstellung zum Problem in der Süddeutschen Zeitung vom 3.1.23

1 Kommentar:

Mark hat gesagt…

Das wundert mich kaum, meine Frau ist auch Lehrerin und ist schon sehr frustriert;(