"[...] Wo der biederste Reformismus dem Tatbestand der Staatsgefährdung nahekommt, wo wer bloß auf Rechtstaatlichkeit und Verfassungstreue pocht schon des Umsturzes verdächtigt wird, da bleibt die Bescheidenheit im Rahmen, und dieser Rahmen wird von Jahr zu Jahr enger. Treue Sozialdemokraten treffen sich augenreibend am äußersten linken Flügel wieder. Ein Hochschulbund [SHB] , gegen sozialistische Ketzer gegründet, sieht sich wegen extremer Denkungsart vom Bannstrahl der Baracke [Geschäftsführung der SPD] bedroht. Kurzum, die Ansprüche, die an einen radikalen Intellektuellen gestellt werden, vermindern sich zusehends. Die Bescheidenheit kennt keine Grenzen mehr. Bald wird als 'linker Rowdy', als 'roter Terrorist', als 'Mao-Jünger' gelten, wer bloß verhindern möchte, dass es noch ärger wird. [...]" (H.M. Enzensberger: Deutschland, Deutschland unter anderm", ed suhrkamp 203 1967, S.45/46)
Ich persönlich, 1961 mit meiner Einstellung von Habermas noch als "politisch irrational distanziert" eingeordnet, fand mich 1967 mit meiner Kritik an den Notstandsgesetzen (genauer genommen: dem Notstandsabschnitt im Grundgesetz) trotz meines Selbstverständnisses als Konservativer am äußersten linken Flügel der SPD wieder. Mit meiner Kritik an der Tötung Benno Ohnesorgs bei einer Demonstration am 2.6.1967 ging ich dann zu den Sympathisanten des SDS über (gegen den der SHB (vgl. oben) gegründet worden war).
Freilich, als ich beamtet werden sollte, bescheinigte mir mein Vorgesetzter, dass ich jederzeit zur FDGO stünde. Als ich ihm fragte, woher er das zu wissen glaube, ich wisse es ja selber nicht, sagte er mir: Wenn er das nicht sage, könne ich kein Beamter werden.
Nachher habe ich dann als einer von zweien auf einer öffentlich im Lehrer ausgelegten Liste einem Schreiben widersprochen, das dieser Vorgesetzte an das Kultusministerium richtete. Und ich glaubte nicht, damit besonders mutig zu sein; denn so sehr ich schulpolitisch gegen ihn stand, so fair hat er mich immer behandelt.
Heute dagegen muss man damit rechnen, dass man gegen geltendes Recht verstößt, wenn man die Ansicht vertritt, dass Russland sich durch das Ausgreifen der Nato bis an die Staatsgrenze Russlands bedroht gefühlt haben könne und deshalb die Ukraine angegriffen habe, um ihren Anschluss an die NATO zu verhindern.
Wie groß ist die Gefahr der Beseitigung des Rechtsstaates? Im Zuge der Pandemiebekämp-fung hat man sich mehrmals, wenn nicht außerhalb des Grundgesetzes, so doch nicht eindeutig innerhalb des Grundgesetzes bewegt.
In mancher Hinsicht waren die Berufsverbote schlimmer als das, was gegenwärtig passiert. Andererseits führte die Entwicklung von diesen Verboten zur neuen deutschen Ostpolitik, zur Einigung mit Gorbatschow und der deutschen Vereinigung. Der Rechtsstaat blieb erhalten.
Der Rechtsstaat ist wieder in Gefahr, aber die Chancen stehen gut, dass die deutsche Demokratie auch aus dieser Krise gestärkt hervorgeht. Freilich, die gegenwärtige Koalition bietet dafür keine Gewähr; denn ohne eine sinnvolle Reaktion auf den Klimawandel stehen uns Krisen bevor, gegen die die gegenwärtige Kumulation von Pandemie,Krieg und Energiekrise harmlos erscheinen wird.
(Einige Links auf frühere Positionen des Verfassers und anderes sollen noch nachgereicht werden.)
Das entfiel, weil ich statt dessen unternommen habe, das Klima-Buch von Greta Thunberg vorzustellen, im Blog und in drei Wikis.
Bei dieser Gelegenheit eine Erinnerung an Ulrike Meinhofs Buch, dessen Titel sind nur durch einen Buchstaben von dem Enzensbergers unterscheidet:
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