11.3.13

Meine Erfahrungen mit Lehren und Lernen II

Meine Kommunikation und die Berichte über meine Aktivitäten  im pädagogischen Feld habe ich in letzter Zeit weitgehend aus diesem Blog heraus verlagert. Damit es hier aber nicht gar zu langweilig wird und zur leichteren Zugänglichkeit für mich selbst, will ich aber wieder etwas mehr hieherziehen.
Zum einen den Hinweis auf meine Teilnahme am hessischen Landtagsprojekt der Wikipedia mit dem dortigen Gummibärchen, dann meine online Stippvisite bei Geschichte Lernen digital am 8.3., und schließlich will ich für die, die die Fortsetzung meines Berichts zu Erfahrungen mit Lehren und Lernen noch nicht gelesen haben, ihn auch hier vorstellen und bei der Gelegenheit auch ergänzen. (z.B. u dem afrikanisch-deutschen Blog "Nachbarschaft", s.u.)
Der Abschluss des Berichts soll dann in einem kommenden Beitrag erfolgen.

Erfahrungen mit Lehren und Lernen II
In meiner Referendarzeit hatten wir einen Fachleiter, der seine Stunden so hielt: Er trat in die Klasse, fragte "Wo waren wir das letzte Mal?" und von da an sprachen nur noch die Schüler. Jedenfalls war das in seinen Vorführstunden für Referendare so. Dieser Idealform des Mottos unserer Ausbilder "Mehr strukturieren, weniger eingreifen!" entsprach mein Unterricht nur im absoluten Ausnahmefall. Im Normalfall machte die Strukturierung immer wieder ein Eingreifen erforderlich. Ohne moderierendes Eingreifen verflachte das Gespräch. Heutige Talkshows erinnern mich immer wieder an den Alptraum solcher Stunden. Die Lösung des Problems schien Gruppenarbeit zu sein. Durch Materialvorgabe und klare Aufgabenstellung sollte die Strukturierung sichergestellt sein, das Eingreifen überflüssig. Das klappte mehr oder minder gut. Die Schwachstelle kam freilich bei dem Bericht der arbeitsteiligen Gruppen über ihre Ergebnisse. Jede Gruppe war darauf fixiert, in den Augen des Lehrers gut dazustehen, die Mitschüler waren unwichtig. Dementsprechend ließ die Motivation des Plenums rapide. Ganz andere Erfahrungen machte ich, wenn ich in der Oberstufe die Gestaltung der Stunden vollständig den Schülern übertrug. Hier gelang des öfteren Teamteaching recht vorbildlich. Doch das hing immer wieder vom Zusammenspiel der Lehrgruppe mit der Gesamtgruppe zusammen. Ein “Lerne freiwillig und mit Begeisterung, was die Schule von dir zu lernen verlangt” war mit dieser Methode jedenfalls ebenfalls nur im Ausnahmefall zu erreichen. Eigenverantwortliches Arbeiten anzuleiten gelang mir dagegen mit der von Heinz Klippert gelernten Methode des Gruppenpuzzles besser. (Dabei bereiten "Stammgruppen" ein Thema vor und setzen sich dann in "Expertengruppen" zusammen, in denen die Experten sich gegenseitig über das zuvor Erarbeitete berichten. Dabei gibt es methodische Varianten, die sich danach unterscheiden, welche Rolle der Arbeit mit der Gesamtgruppe zugemessen wird.) Jeder Pädagoge vermisst in meinem Bericht bis jetzt den Projektunterricht. Meine Erfahrung: Je größer das Projekt ist, desto mehr kommt es auf die Anpassung an die Gruppe und ihre Lernsituation an. Grundsätzlich ist es dabei leichter als bei Kursunterricht möglich, intrinsische Motivation zu wecken, aber im Rahmen eines stundenplangetakteten Unterrichts sind kann nicht gleichfalls in allen Fächern an größeren Projekten gearbeitet werden. Was hat sich aus meiner Sicht bewährt? Theaterstücke, Planspiele, die Erstellung von Büchern, Blogs, Wikiartikeln. Konkrete Projekte, die mir gefallen haben, sind z.B. im Deutschunterricht Klasse 5 - 7 Krabat, in der Oberstufe Romantische Schule. Gegenwärtig werbe ich für die Erstellung von "Miniwikipedias" für das behandelte Fachgebiet mit Stichworterklärungen auf Schülerniveau. Ein Beispiel dafür entsteht gerade im ZUM-Wiki (zu finden unter Historische Stichworte). Theoretisch ließen sich so in großem Stil copyrightfreie Unterrichtsmaterialien (OER) durch Schüler erstellen. Im ZUM-Wiki finden sich dafür viele Ansätze. Weshalb bisher mit dieser Methode keine kompletten Lehrwerke entstehen, wäre zu diskutieren. Offenkundig ist es nicht einfach, sie zu erstellen, es ist aber vielleicht auch nicht sinnvoll. Zu von Lehrern erstellten offenen Bildungsinhalten verweise ich auf die laufenden Diskussionen.

Jetzt aber zu meinen Erfahrungen mit eigenem Lernen und Einzelunterricht...
  •  Das Quadriga Funkkolleg habe ich in bester Erinnerung. Die Studienbriefe ließen sich wie Zeitung lesen, die Hausarbeiten wie Kreuzworträtsel lösen, beim Klausurenschreiben sah man, wer sonst dem Hobby frönte, und bei alledem wurde man über neuere Tendenzen auf Gebieten, die einen interessierten, durch informierte Überblicke auf dem Laufenden gehalten. Das Internet bietet zwar auch manches. Aber beim Vergleich der Mathematik- und Linguistikvorlesungen (diese nur als Beispiel) im Netz schneiden die damaligen Begleitbriefe eindeutig besser ab. (Die Sendungen und Begleitbücher waren demgegenüber zweite Wahl.) Ich kann mir mathematische und linguistische Gedankengänge schriftlich besser nachvollziehen als über das Hören. So verdienstvoll das Funkkolleg Medien, das ich gegenwärtig mitverfolge, ist, es ist nur zum Hören, und die schriftlichen Texte sind zu unübersichtlich. (Dazu, dass MOOCs auch Vorteile haben, weiter unten.)
  • Lehrerfortbildung: die war sehr unterschiedlich. Am meisten störte viele Kollegen, wenn Vorwissen erkundet wurde und dabei der Eindruck entstand, dass die Kursleiter weniger davon verstanden als man selbst. Das ging mir nicht oft so.
Fachinformationen waren meist willkommen. Außer der Gelegenheit, Kollegen von der Universität wieder zu treffen, schätzte ich besonders den Kurs "Literatur 1992", denn auf aktuellem Stand war meine Literaturkenntnis nur bei meinen Lieblingsschriftstellern. Thomas Bernhard und Ransmayr gehörten nicht dazu. Die Erarbeitung von Unterrichtsprojekten habe ich als zweischneidig erlebt. Die auf ein Projekt ausgerichtete Arbeit des Lehrgangs war zunächst motivierend. Wenn man danach - wie meistens - feststellte, dass das Erarbeitete selbst mit großer Anpassungsanstrengung nicht für den eigenen Unterricht taugte, stellte sich trotz der wiederholten Erfahrung immer wieder eine kleine Enttäuschung ein. Doch es gab auch - sehr seltene - Ausnahmen. Die Einführung in unvertraute Methoden erwies sich dagegen fast durchweg hilfreich. Ich nenne hier nur als Beispiel die Kurse von Heinz Klippert und Karl Johé.
  • Privatprojekte:
Wikis: ein umfangreiches Thema. Vom passiven Gebrauch (Links, die ich auf meine Homepageseiten einband) kam ich bald dazu, in der Wikipedia Artikel zu schreiben. Daher fühle ich mich weiter als Wikipedianer und arbeite weiter als Administrator des ZUM-Wikis (Fontane44, dort Beispiele meiner Arbeit), auch wenn die Möglichkeiten der Mitarbeit in der Wikipedia für mich abnehmen. Faszinierend ist dabei, dass man Projekte aufgreifen kann, die als einzelner anzugehen man sich nicht trauen würde (und Projektarbeit ist , wie gesagt, lehrreich). Und wenn man Jahre darauf auf die Zugriffszahlen schaut, freut's einen auch.
Wikisource:  Am meisten beeindruckt hat mich, wie gut mein Projekt der Entzifferung eines Augenzeugenberichts über Napoleons Russlandfeldzug vorankam, nachdem ich Unterstützung bei Wikepianern und Wikisourcemitarbeitern gefunden hatte. (vorher - nachher) Mein Dank gilt besonders Frank und Paulis, aber selbst der Versionsgeschichte ist nicht ohne weiteres zu entnehmen, wie viele anderen außerdem  beteiligt waren. Man müsste die Versionsgeschichten aller 185 Seiten durchgehen. Aus einem recht unvollständigen und fehlerhaften Entzifferungsversuch wurde eine Edition mit erläuternden Anmerkungen, die sich m.E. sehen lassen kann. Solch eine Edition wäre mir, aber auch keinem anderen von uns allein nicht möglich gewesen (bei Frank allerdings wohl nur aufgrund des Zeitmangels). Nebenbei erhielt ich Einblick in andere Editionsunternehmen wie besonders die Herausgabe aller unterschiedlichen Originalausgaben der Märchen der Brüder Grimm Literaturhinweise zum Russlandfeldzug, an die ich sonst nie gekommen wäre. Aber auch ganz private Projekte wie die  Verbesserung alter Kassettenaufnahmen kamen voran, weil ich über ZUM.de technisch Findigere als mich kennenlernte. UrheberrechtPhilosophie.

Blogs: Bei Wikis gerät man über die Arbeit an konkreten Projekten mehr oder minder intensiv in die Wiki-Gemeinschaft hinein. Innerhalb der Blogger Beziehungen aufzubauen, erfordert über die Arbeit an den einzelnen Blogartikeln auch konkrete Kotaktaufnahme mit anderen über Kommentare. Wenn man freilich in der Wikipedia auch nur kurz mit Benutzer: Jeanpol zusammen gearbeitet hat, ergibt sich die Einführung in die pädagogische Bloggerszene wie von selbst. Außer ihm nenne ich nur das Lehrerzimmer von Herrn Rau und den Lehrerfreund.
Der Sonderfall Nachbarschaft (ein afrikanisch-deutsches-Online-Magazin) ergab sich über einen lokalen Kontakt mit einer deutschen Studentin, die an einem internationalen afrikanischen schulorientierten Magazin mitarbeitete, das als Druckversion verbreitet wurde, bei dem die Zusammenarbeit der Redakteure aber über E-Mail lief. Mein Vorschlag, es auch ins Internet zu stellen, fand Anklang. Seit einiger Zeit werden fast nur Beiträge von deutschen Redaktionsmitgliedern eingestellt, da das gedruckte Schulmagazin wegen Krankheit und anderen Problemen der afrikanischen Redakteure gegenwärtig pausiert.

Soziale Medien: Twitter wird von mir vor allem zum Hinweis auf Internetaktivitäten von mir verwendet, aber auch für Hinweise auf Internetaufrufe von bekannten Nichtregierungsorganisationen wie z.B. z.B. Avaaz, Amnesty, Campact - Demokratie in Aktion und Rettet den Regenwald e.V. sowie für gelegentliche Diskussionen und zum Mitverfolgen von Internetkursen.
Damit wäre ich beim nächsten Thema:  MOOCs u.ä.  Darüber informiert mein Blog, der darauf spezialisiert ist.
Barcamps schätze ich seit meiner Telnahme am CorporateLearningCamp 2012.



  • Gruppenunterricht und Einzelunterricht: 
  • Deutsch als Fremdsprache Ich habe neun Jahre Unterrichtsgruppen in Deutsch als Fremdsprache an einer Europäischen Schule unterrichtet. Fremdsprachenlehrer werden zu recht feststellen, dass ich bei diesem learning by doing nicht viel Methodik gelernt habe; doch habe ich dabei dreierlei gewonnen:


    Erstens die Erfahrung, dass ab einem gewissen Niveau der Sprachbeherrschung des Schülers offenbar die Sprachkenntnis des Lehrers wichtiger wird als die Methode (sofern er nicht wichtige Regeln ganz außer Acht lässt).
    Zweitens den Mut, in Deutschland Sprachunterricht für Ausländer fortzusetzen.
    Drittens eine Kenntnis über gewisse Regelmäßigkeiten der deutschen Grammatik, die der Deutschkundige nicht wahrnimmt, weil er sie aufgrund ständiger Anwendung beherrscht, während deutschlernende Muttersprachler aufgrund einer rasanten Sprachentwicklung oft Schwierigkeiten bei der Anwendung der Fälle haben und zwar nicht nur, weil - angeblich - der "Dativ dem Genitiv sein Tod" ist, sondern, weil parallel immer häufiger der Genitiv gebraucht wird, wo der Dativ stehen müsste.

    Erfahrung mit privatem Deutschunterricht für Ausländer in Deutschland:
    Wenn in einer Unterrichtsgruppe die Deutschkenntnisse sich "nur" durch ein bis drei Jahre Deutschunterricht unterscheiden, kann man manches auszugleichen versuchen. Der Unterricht von Sprachlernanfängern und flüssig, aber unkorrekt Deusch Sprechenden sowie mehreren Sprachniveaus zwischen diesen Stufen hat mich aber überfordert. (Daher habe ich eine gewisse Skepsis gegenüber Inklusion, so wünschenswert die Verwirklichung dieses Konzepts aus anderen Gründen ist.) Da war ich froh, als ich bei Einzelunterricht mir die Lernziele von den SchülerInnen vorgeben lassen konnte. Das kann eine beglückende Erfahrung sein.

    Was noch aussteht: mein Bericht über privaten Unterricht in Deutsch als Muttersprache und andere Projekte, die sich nicht so leicht unter einer Überschrift zusammenfassen lassen.

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