Vorbemerkung: Eine Reihe von bildungsaffinen Bloggern hat sich zum Ziel gesetzt, 2024 häufiger thematisch gemeinsam zu bloggen. Die Themenvorschläge werden an dieser Stelle gesammelt, alle Beiträge zum aktuellen Thema werden unter dem Beitrag gesammelt.
Bisherige Beiträge: Herr Mess, Jan-Martin Klinge, Fengler, LehrerInnenzimmer
Meine ältere Tochter hat mit 9 Jahren den SS-Staat von Eugen Kogon gelesen, meine jüngere mit 8 Jahren für sich Anne Frank und das Problem der Judenverfolgung entdeckt. Im Urlaub hat sie in dem Alter im Museum nicht die Dinosaurier oder sonstige Kinderthemen sehen wollen, sondern die Ausstellung zur Judenverfolgung, die weitgehend aus Schriftdokumenten bestand. Einen Versuch, sie irgendwie zu Antifaschismus zu erziehen, habe ich meiner Erinnerung nach nicht gemacht.
In der Schule war sie enttäuscht, dass mehr die Struktur des NS-Staates als seine Verbrechen behandelt wurden.
Unser Sohn ließ sein Kuscheltier schon früh die Rechte anfordern, die es in einem freien Land erwartete. Natürlich davon ausgehend, dass sie auch für ihn selbst galten.
Antifaschismus kannte ich vor allem aus der DDR und auf die große Rolle, die er in den sowjetischen Kriegsgefangenenlagern spielte, bin ich durch die neuerliche Lektüre von Helmut Gollwitzers "Und führen, wohin du nicht willst" wieder aufmerksam geworden.
Die Aggressivität mancher Antifa-Gruppen empfinde ich als problematisch.
Aber selbstverständlich ist für jemanden, der während der Studentenbewegung intensiv über autoritäre Strukturen nachgedacht hat, politische Bildung immer mit der Erziehung zu Kritikfähigkeit und Mündigkeit einhergegangen.
Da ich seit 2007 nicht mehr unterrichte, denke ich freilich nicht mehr über Unterrichtsreihen zur Bekämpfung faschistischer Tendenzen nach, sondern versuche im täglichen Netzdialog, etwas gegen Einseitigkeit und Niedermachen abweichender Meinungen zu unternehmen.
Freilich gibt es auch einige grundsätzliche Voraussetzungen, von denen aus ich argumentiere: Dass man für seine eigenen Handlungen verantwortlich ist, dass man für die politische Verfassung, die sich das Gemeinwesen gibt, mitverantwortlich ist und dass man die prinzipielle Gleichwertigkeit aller Menschen akzeptiert.
Was ich zur Blogparade vielleicht noch ergänzend beitragen kann, versuche ich aus den eingehenden Blogbeiträgen zu erschließen.
Hier aber zunächst meine Reaktion auf einen ZEIT-Artikel vom 12.6.24, der den Schulen Empfehlungen gibt.
Da heißt es: "Die Schulen müssen ihren Schülern in Zukunft etwas beibringen, ohne das die Demokratie nicht überleben kann: die Fähigkeit sich kompetent zu informieren und im Internet Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Hier müssen die Schüler lernen, dass jede neue Nachricht, um glaubwürdig zu sein, mindestens zwei Quellen braucht, jede Meinung eine Gegenmeinung. Dass man auch Posts von guten Freunden nicht ungeprüft weiterleitet."
Meine Überzeugung ist: Wenn die Schulen das versuchen würden, würde der Kampf gegen Faschismus und für die Erhaltung der Demokratie gewiss scheitern.
Sich kompetent zu informieren, Nachrichten nur dann zu glauben, wenn man mindesten zwei Quellen dafür hat, das ist Aufgabe der Journalisten.
Der Normalbürger kann das nicht leisten. Wenn er halbwegs informiert sein will, muss er so viele Informationen aufnehmen, dass er keineswegs alle prüfen kann. Was Schüler lernen müssten, wäre, nicht alles, was ihnen in den Kram passt, für bare Münze zu nehmen und nicht jede Nachricht, die nicht zu ihrem Weltbild passt, auszublenden. Das ist schwer genug. Hilfreich dafür kann gerade die Mitteilung eines guten Freundes sein, wenn er nämlich etwas mitteilt, womit er und sein Freund nicht gerechnet hätten.
Und jetzt kommt das, was helfen kann, das zu lernen, und was man versuchen kann, ihnen beizubringen: Nicht immer dieselben Quellen lesen: nicht nur das Lokalblatt, nicht nur die Qualitätszeitung, sondern auch mal Boulevardzeitung und mal Bild. Denn erst dann kann man merken, wo das Interesse des Autors ist, zu informieren und wo es darum geht, zu manipulieren. Als Schüler ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen, als ich in der Qualitätszeitung den Manipulationsversuch und in der Bildzeitung die wahrheitsgetreue Information las. Das Unerwartete hilft, sich etwas kompetenter zu informieren.
Deshalb ist es gut, wenn im Sprachunterricht Zeitungstexte aus verschiedenen Ländern und von unterschiedlicher Ausrichtung (wie etwa World and Press) gelesen werden.
Und jetzt kurz etwas speziell zum Kampf gegen Faschismus: Wenn man gelernt hat, was Autoren tun, um einen zu manipulieren, wenn man gelernt hat, dass irgend etwas nicht stimmt, wenn man immer nur Nachrichten aufnimmt, die die eigene Sicht bestätigen, dann ist ein wichtiger Schritt zur Informationsaufnahme in der Demokratie getan.
Dazu gehört aber auch, dass man sich darüber im klaren ist, dass ein Gutteil der Informationen, die man aufnimmt, wenn nicht falsch, so doch immerhin verfälscht ist. Welcher Teil das ist, wird man als Normalbürger raten müssen und nur im Ausnahmefall prüfen können. Freilich eins sollte man schon wissen: Dass im Kriegsfall beide Seiten lügen und den Informationen der eigenen Seite nur weit weniger getraut werden darf als im Normalfall. Ja, man sollte wissen, dass Informationen der Gegenseite mal korrekt sein können und dass insofern eine neutrale Stimme sehr hilfreich sein kann.
Nützlich ist dafür eine Sammlung europäischer Pressestimmen wie etwa euro|topics, wobei aber möglichst oft auch Stimmen aus neutralen oder BRICS-Staaten hinzugezogen werden sollten.
Was ich hier nicht bieten kann, sind Vorschläge, wie man in Klassen oder Kursen mit einer Mehrheit von Rechtspopulistischen arbeiten kann. Das habe ich nie in der Praxis erprobt. Da ist es gewiss sinnvoll, die Stimmen von Spezialisten zu hören. Die würden gewiss auch unserer Blogparade guttun.
1 Kommentar:
Habe heute zum Thema geschrieben. Grüße H.
Kommentar veröffentlichen