30.6.24

Werthaltungen in den "Fünfziger Jahren"

 Die Realschullehrerin Makler, M. (geb. 1935) beschreibt ihre Erinnerungen an das Familienleben:

Onkel Helmuth, der sich seit 1938 mit den Nazis eingelassen und für die Gaulleitung in unserer alten Heimat, in Karlsbad in Böhmen gearbeitet hatte, war lange Zeit nach dem Krieg noch eine Art Außenseiter in unserer Familie. Meine Mutter hat ihn gelegentlich als "Nazi" bezeichnet, auch vor uns Kindern. Das war gar nicht politisch gemeint. Zumindest nicht in erster Linie. Was sie meinte, war: der Mann hat keine Religion und keine Kultur – er ist ein Banause. Onkel Helmuth war 1938 aus der Kirche ausgetreten. Ich habe ihn auch nie ein Buch lesen sehen. Bildung hatte er nicht, das stimmte schon. 

Beides, Religion und Bildung war in unserer Familie jedoch damals sehr wichtig. Ohne dass dreimalige Tischgebet, die Zehn-Uhr-Messe am Sonntag und die monatlichen Veranstaltungen des "Theater- und Kulturvereins", dem wir fast alle angehörten, konnten sich meine Eltern ein Leben als "noch einmal Davongekommene"– wie Vater oft sagte – nicht vorstellen. Der "TKV", an den ich wegen der Schubertabende gerne zurückdenke, nahm keine "Roten auf". Zumindest wurde das gemunkelt. Ganz abwegig war es vielleicht nicht. Denn die paar Sozialdemokraten, die man in einer Kleinstadt im "schwarzen" Rheinland so kannte, waren alle nicht im "TKV". Heute denke ich manchmal: Vielleicht war denen das aber auch zu bildungsbeflissen und spießig. Wenn ich nämlich heute an so manche Festrede im "TKV" und auch Predigten in "St. Annen" zurückdenke, wie soll ich sagen, wundere ich mich auch. Noch in meiner Trauungspredigt, sagte Monsignore, Dr. I., ein alter Bekannter meiner Familie und Hölderlinverehrer: "Wir Deutschen sind wieder Bürger des christlichen Abendlandes."

"Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gesellschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu. Er bestimmt insbesondere Wohnort und Wohnung […]. Bürgerliches Gesetzbuch Paragraph 1354 (gültig bis 1957)"

"Zucht, Sauberkeit und Anstand wohnen nur hinter einer [von Haaren], freien Stirn des jungen Mannes."  Katholischer Ratgeber, 1955

Keine Kommentare: