24.10.15

Was sich aus den Erfahrungen mit der deutschen Einigung für den Umgang mit dem Flüchtlingsproblem lernen lässt

1. Vor dem Übergang von den zwei Staaten DDR und BRD gab es ein Flüchtlingsproblem mit teils chaotischen Verhältnissen.
2. Das Versprechen, es werde zu "blühenden Landschaften" kommen, war einerseits falsch, andererseits zutreffend.
a) Die "blühenden Landschaften" kamen nicht so früh, wie angekündigt, aber sie kamen.
b) Sie kamen, aber nicht für alle. Schon gar nicht in gleicher Weise.
3. Der Gegensatz zwischen Ost und West ist inzwischen unwichtiger geworden als der zwischen Arm und Reich und der zwischen Nord und Süd. (Wobei diese Pauschalisierung differenziert werden müsste in: zwischen Gewinnern der Veränderung und den Verlierern.)
4. Gewinner war die ältere Generation aus der DDR zwar zunächst über die Öffnung der Märkte und Rentenerhöhungen. Die Umstellungen waren aber eine eine ungeheure Kraftanstrengung für die Älteren und für viele (meiner Kenntnis nach nicht die Mehrheit) zumindest subjektiv die Mühe nicht wert.
Der langfristige Gewinner war die jüngere Generation der DDR. Sie wuchs in die neue Situation hinein und hatte über freie Wohnortswahl die Möglichkeit, sich ihre Chance im erweiterten Wirtschaftsraum zu suchen.
5. Gewinner der Umstellung waren freilich nicht zuletzt die Schnäppchenjäger, die Großbetriebe für 1 DM kauften und sie dann abwickelten und aus dem Verkauf der Immobilien viele Million Gewinn machten.

Bisher habe ich freilich nur beschrieben, was - aus meiner Sicht - Erfahrungen der deutschen Einigung waren. Was lässt sich daraus lernen?
Vorweg gesagt eins: Auf keinen Fall ein einfaches Dasselbe-in-Grün. Aber es gibt doch Anhaltspunkte.
1. Wer die Umstellung verhindern will, kämpft auf verlorenem Posten. (Beispiel: Lafontaine)
2. Wer die Gegner der Umstellung nur ausgrenzt, statt ihnen Wind aus den Segeln zu nehmen, aber auch. (Die Ausgrenzung der PDS im Osten begünstigte die Entstehung einer gesamtdeutschen Linken. Deren Erfolgsfigur wurde ein Mann aus dem Osten, Gregor Gysi.)
3. Die alten Unterschiede werden sich schon bald zugunsten neuer nivellieren. Bei Angela Merkel und Joachim Gauck wird zwar immer wieder ihre Herkunft aus dem Osten betont, aber was sie erfolgreich macht, ist ihre politische Orientierung und ihr politischer Stil.

Mit dieser Darstellung versuche ich keine Prognose. Aber ich möchte anregen, die gegenwärtige Umstellung als Teil eines längerfristigen Prozesses zu sehen.

Der Historiker Andreas Kossert über die Integration von Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg
"Integration ist ein langer Prozess. Die materiellen Probleme waren vergleichsweise schnell überwunden, aber die mentalen Spuren von Heimatverlust und Vertreibung blieben teilweise über Generationen sichtbar. Deshalb ist es wichtig, sich klarzumachen, was es früher, aber auch heute bedeutet, eine Heimat zu verlieren. Diese Erfahrung war in Deutschland für Millionen Menschen eine kollektive, von der aber viel zu selten die Rede ist. "

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