25.12.15

Steffen Martus' mediengeschulter Blick auf die Aufklärung

Wenn Steffen Martus in "Aufklärung. Das deutsche 18. Jahrhundert" die Politik der deutschen absolutistischen Fürsten am Anfang des 18. Jahrhunderts beschreibt, wirkt es wie aus dem Handbuch der großen Internetfirmen Google, Facebook, Amazon oder ihrer literarischen Repräsentation "Der Circle". Man muss nur die Stichwörter Aufklärung, Fürst etc. durch die passenden Wörter der Internetwelt ersetzen:
"Attraktivität war für die neue Politik auf dem Weg zur" Marktbeherrschung "überhaupt entscheidend, denn der Posten des" Datenlieferanten "sollte reizvoll erscheinen und nicht nur" aufgrund von Ausspähung "eingenommen werden. Wie also versah man" einen Internetdienst "mit so viel Anziehungskraft, dass sich die Menschen gern der Regierung" durch einen Dienstanbieter "unterstellten? Hochschulen" und Schulen "wurden von den" angehenden Monopolisten gern als Instrumente für "solche Fragen begriffen." (Aufklärung. Das deutsche 18. Jahrhundert, S.110/111)*

Wie führt man den Wandel herbei? Internetfirmen müssen dafür sorgen, dass Schulen und Hochschulen möglichst durchgängig mit Computern versorgt sind und mit Computern arbeiten (auch wenn das für die Grundschulen weitgehend sinnwidrig erscheint), Wenn erst einmal genügend Computer angeschafft sind und sich Kinder an den Umgang damit gewöhnt haben, kann man Computer auch im Privatbereich durchsetzen. Mit den Smartphones ist nun endlich auch schon für Dreijährige der Zugang zum Internet eröffnet und Kinder sind - weil noch arglos - ideal geeignet als Datenlieferanten und - um nun das Wort der absolutistischen Fürsten zu gebrauchen - in ihre Rolle als Untertanen eingeführt zu werden.

*Auf die Zeit des 18. Jahrhunderts bezogen formuliert Martus wie folgt:
"Attraktivität war für die neue Politik auf dem Weg zur Aufklärung überhaupt entscheidend, denn der Posten des Untertanen sollte reizvoll erscheinen und nicht nur  auf Befehl eingenommen werden. Wie also versah man ein Herrschaftsgebiet mit so viel Anziehungskraft, dass sich die Menschen gern der Regierung eines Fürsten unterstellten? Hochschulen wurden von den Obrigkeiten der Frühen Neuzeit und vor allem in der Aufklärung  als eine Antwort auf solche "Fragen begriffen." (Aufklärung. Das deutsche 18. Jahrhundert, S.110/111 - Hervorhebungen von mir)

Es geht um eine Neuerrichtung eines Systems von Obrigkeit und Untertanen in ihren Herrschaftsgebieten. Zwischen denen werden die Kämpfe ausgefochten und wir folgen der Attraktivität unserer Herrscher. Wenn Martus das nicht als Kennzeichen unserer Zeit erkannt hätte, hätte er das 18. Jahrhundert nicht so treffsicher als strukturgleich mit dem Internetzeitalter beschreiben können. 


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