26.12.15

Vom Antiamerikanismusvorwurf bis zum Angriff auf Forderungen nach Gerechtigkeit und Demokratie

Amadeu Antonio Kiowa war eines der ersten Opfer rassistisch motivierter Gewalt nach der Wiedervereinigung. Anetta Kahane ist als Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung bemüht, Einstellungen im Keim zu ersticken, die zu Gewalttaten wie der führen, durch die Amadeu Antonio zu Tode gekommen ist, und jederzeit für den Schutz von Minderheiten einzutreten. Das ist ein höchst ehrenwertes Ziel.
Gelegentlich ist sie von Rechtmäßigkeit ihres Anliegens so überzeugt, dass sie in ihrer Wortwahl nicht eben wählerisch ist und dadurch ihrer guten Sache nicht gerade einen Gefallen tut. Das kann passieren, wenn man jeder Gefahr schon beim ersten Anschein entgegentreten will. In ihrem Kommentar in der Frankfurter Rundschau vom 21.12. geht sie allerdings entschieden zu weit.
Hier eine zentrale Passage (die Hervorhebungen sind von mir):

"Die Ideologie der Fundamentalkritik reproduziert die immer gleichen Bilder über Opfer und Täter. Amerikanisches Finanzkapital ist böse (und meist jüdisch) und damit auch die Demokratie. Freiheitskämpfer dagegen sind gut, ganz gleich, ob der eine Frauen steinigt und der andere Schwulenrechte einfordert, solange sie sich nur gegen den vermeintlichen Imperialismus richten.
Im Zweifelsfall sind beide Opfer des „Systems“. Kaltherzige Gleichgültigkeit ist es, die hier nicht zu unterscheiden bereit ist. Sich so als Gegensatz zum anti-westlichen Feindbild zu definieren, bedeutet, auf Emanzipation und Menschenrechte im echten Leben keinen Pfifferling zu geben. Den Rechten ist ohnehin zu viel Emanzipation in der Welt, und die Linken empfinden Fortschritt als Anpassung an das neoliberale Ganze. Also sind am Ende beiden die Bedürfnisse jener Menschen vollkommen wurscht, die für ihre individuellen Freiheitsrechte kämpfen. Vor allem, wenn sie außerhalb Europas leben." (Anetta Kahane: Die Ideologie der Fundamentalkritik, FR 21.12.2015)

In der richtigen Erkenntnis, dass Rechtsextreme wie Linksextreme beide Feinde der repräsentativen Demokratie sind, versucht sie, jede Kritik an der Politik der USA und an Fehlentwicklungen des Marktliberalismus abzuqualifizieren, indem sie sie als - unzulässige - "Fundamentalkritik" einordnet. Das kennt man schon.
In der Tat hat in den Zeiten des Vietnamkrieges mancher Kritiker der US-Politik sich dazu verleiten lassen, Maos brutales Unterdrückungsregime, das Millionen Menschenleben gekostet hat, zu rechtfertigen.
Zu weit geht sie, wenn sie behauptet, Kritik an Kapitalismus sei antidemokratisch und bedeute, dass man die Menschenrechte nicht achte.
Wenn das so wäre, wäre Helmut Schmidt mit seiner Kritik am "Raubtierkapitalismus" ein Demokratiefeind gewesen. Naomi Klein wäre ein Gegner der Menschenrechte, weil sie einen erfolgreichen Kampf für das 2-Grad-Ziel zur Bekämpfung des Treibhausklimas als nicht vereinbar mit kapitalistischem Profitdenken versteht.
Nicht zuletzt diffamiert sie damit attac und seinen Kampf gegen TTIP als demokratiefeindlich, obwohl es attac ja gerade darum geht, zu verhindern, dass internationale Konzerne die Politik nationaler Regierungen - insbesondere im Umweltschutzbereich - blockieren können.
So sehr ich die Ziele der Amadeu Antonio Stiftung zu schätzen weiß, wenn sie mit solch haltlosen Diffamierungen verfolgt werden, dann entheiligt das Mittel selbst den ehrenwertesten Zweck.

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