29.6.15

EU-Politiker empört über den Plan für einen griechischen Volksentscheid

Wenn EU-Politiker die von Tsipras seit März angekündigte Entscheidung, über die von den Institutionen vorgelegten Bedingungen das griechische Volk abstimmen zu lassen, überraschend und ungerechtfertigt nennen wollen, mögen sie das tun.
Wenn die Institutionen ein Anheben der Steuern für die 2000 reichsten Familien, die 80% des Volksvermögens besitzen, alternativlos verbieten, ist das entlarvend.
Wenn aber deutsche Politiker es als unzulässige Einflussnahme bezeichnen, wenn Tsipras die Bevölkerung auffordert, ihre Entscheidung unter Berücksichtigung von Würde und Demokratie zu treffen, so fragt man sich, weshalb sie die Artikel 1 und 20 über 60 Jahre im Grundgesetz geduldet haben.

So weit etwas polemisch. Jetzt wieder rein argumentativ: Wenn Gabriel (laut unten angegebenem ZEIT-Artikel) wie folgt argumentiert: "Den Griechen sei ein sehr gutes Kompromissangebot gemacht worden, betont er. Aber die Griechen hätten Hilfen haben wollen, ohne Gegenleistungen zu bringen", dann ist das einfach nicht korrekt. Die Institutionen haben auf das griechische Angebot ihre Forderungen gegenüber vorher noch verschärft. Ohne dass ich den konkreten Wortlaut kenne, haben sie aber offenkundig die Reichensteuer wegen angeblicher Konjunkturgefährdung abgelehnt, während sie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer fordern. Es gibt außerhalb Europas nur wenige prominente Politiker und Wissenschaftler, die das nicht für einen gefährlichen Irrweg halten. Die Kompromissbereitschaft, die Merkel anmahnt, haben die Institutionen jedenfalls nicht gezeigt. 

mehr dazu:
Die gefährlichste Idee EuropasTagesanzeiger 2.7.15
"Vielleicht war es der unverantwortlichste Versuch der Geschichte, Verantwortung zu übernehmen. Denn erstens war die Diagnose gleich doppelt falsch. Die Krise war nicht im öffentlichen Sektor entstanden, sondern im privaten: in den meisten Ländern durch die Banken, in anderen durch die Privatverschuldung. Ausser Griechenland hatte kein Staat Geld verschleudert. Und diejenigen, die nun die Strafe traf, waren nicht die, welche die Party gefeiert hatten: Während mit Hunderten Milliarden Euro Banken ausgekauft und Börsen gestützt wurden, wurden Millionen Jobs gestrichen. Und dazu Renten, Krankenhäuser, Löhne, Schulen.
Denn die Austerität war nicht nur intellektuell ein Debakel: Irland, Spanien, Portugal wurden in die Massenarbeitslosigkeit gespart, weitgehend sinnlose Opfer, bei wachsenden Schulden.
Am härtesten traf es die Griechen. Als die Troika mit ihren Programmen begann, rechneten sie mit einem Einbruch von 0,3 Prozent. Was passierte, war der Zusammenbruch einer Wirtschaft, den man sonst nur im Krieg sieht: 25 Prozent.

Berichterstattung zu Griechenland: Im Dschungelcamp der deutschen Medien 

[...] war es Wahnsinn, dass man fünf Jahre mit verschiedenen griechischen Regierungen verhandelt und "Hilfsprogramme auflegt" - und kaum kommt eine Regierung an die Macht, die deshalb gewählt wurde, weil die "Hilfsprogramme" eben nicht funktioniert haben, wird diese Regierung dafür verantwortlich gemacht, dass sie in ein paar Monaten nicht geschafft hat, was die Nussknacker von der EU in fünf Jahren Verhandlungen nicht hinbekommen haben - die Entmachtung der korrupten Eliten zum Beispiel oder ein funktionierendes Katasterwesen? (Georg Diez, SPON 3.7.15)
Von der philosophischen Ebene:
S. Zizek: Was ist jetzt noch links? (ZEIT Nr.27 S.41)
"Es geht nicht um die Griechen. Es geht um uns alle! [...] Die EU-Mächte stehen für den technokratischen Status quo, der Europa seit Jahrzehnten lähmt."
Dann spricht Zizek von "der eindeutigen und unmittelbaren Tendenz des zeitgenössischen Kapitalismus,  die Demokratie auszuhebeln."

Gesine Schwan rügt Eurozone und IWF, FR 29.6.15
Merkels doppelte Botschaft für Griechenland, ZEIT 29.6.15
Operation geglückt, Europa tot, Nachdenkseiten 29.6.15
Referendum in Griechenland
Habermas: "Warum Merkels Griechenland-Politik ein Fehler ist" und Diskussion, Fontanefan 24.6.15
Mehr EU, weniger EZB und IWF,  FR 23.6.15
Mögliche Griechenland-Pleite: So viel Geld steht für Deutschland auf dem Spiel, SPON
"Die Politik hat sich ins Gefängnis der Märkte begeben", SZ 30.6.15
Joseph Vogl: "[...] wenn totalitär bedeutet, dass ein Regime alle Lebensbereiche erfasst: Ja, dann lässt sich wohl sagen, dass der Finanzkapitalismus totalitäre Dimensionen erreicht hat. [...] Die Frage ist: Will man an dem Weg weiterhin festhalten? Oder könnten neue historische Situationen - zum Beispiel die Finanz- und Wirtschaftskrisen seit 2008 - Richtungsänderungen bewirken?
Faktencheck Griechenland, taz
"Nach dem Scheitern der Verhandlungen wurde Erstaunliches behauptet, vor allem von der EU. Manches stimmt schlicht nicht."



26.6.15

"Das Klima ist ein gemeinschaftliches Gut ..."

"... von allen und für alle".

Das bedeutet eine Enteignung aller Kohenstoffbesitzer (Kohle, Öl, Gas).

Herzlichen Dank an Ottmar Edenhofer (ZEIT Nr.26) für dies klare Herausstellen eines zentralen Satzes der päpstlichen Enzyklika.
Ich werde noch mehr dazu schreiben.

Zunächst nur ein Zitat aus Wikipedia über die Hauptaussagen der Enzyklika:
"Der Papst fordert damit eine sogenannte Dekarbonisierung der Weltwirtschaft und einen Erdöl- undKohleausstieg. Ebenfalls kritisiert der Papst den Konsumismus. Der „Rhythmus des Konsums, der Verschwendung und der Veränderung der Umwelt hat die Kapazität des Planeten derart überschritten, dass der gegenwärtige Lebensstil nur in Katastrophen enden“ könne. Ausdrücklich erklärt Franziskus den Zugang zu sauberem Trinkwasser zu einem universalen Menschenrecht, das wirtschaftlichem Profitstreben enthoben sein sollte.
Weiterhin kritisiert der Papst die Dominanz der Wirtschaft, insbesondere der Finanzwirtschaft gegenüber der Politik, die einen wirksamen Umweltschutz verhindere."
Seite „Laudato si’“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 25. Juni 2015, 07:23 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Laudato_si%E2%80%99&oldid=143438055(Abgerufen: 26. Juni 2015, 09:42 UTC)

Klimaschutz und Kohlenutzung sind unvereinbar, ZEIT online 29.6.15

24.6.15

Habermas: "Warum Merkels Griechenland-Politik ein Fehler ist" und Diskussion dazu

Habermas: Warum Merkels Griechenland-Politik ein Fehler ist, SZ 22.6.15

[...] Mit dieser demokratischen Legitimation ausgestattet, macht die griechische Regierung den Versuch, einen Politikwechsel in der Euro-Zone herbeizuführen.Dabei stößt sie in Brüssel auf die Repräsentanten von 18 anderen Regierungen, die ihre Ablehnung mit dem kühlen Hinweis auf ihr eigenes demokratisches Mandat rechtfertigen. Man erinnert sich an jene ersten Begegnungen, als sich die präpotent auftretenden Novizen in der Hochstimmung ihres Triumphes mit den teils paternalistisch-onkelhaft, teils routiniert-abfällig reagierenden Eingesessenen einen grotesken Schlagabtausch lieferten: Beide Seiten pochten papageienhaft darauf, vom jeweilig eigenen "Volk" autorisiert worden zu sein.
Die ungewollte Komik ihres einträchtig nationalstaatlichen Denkens führte der europäischen Öffentlichkeit unübertrefflich vor Augen, was wirklich fehlt - ein Fokus für eine gemeinsame politische Willensbildung der Bürger über folgenreiche politische Weichenstellungen in Kerneuropa. [...] Man muss sich das Anstößige, ja Skandalöse dieser Weigerung klarmachen: Der Kompromiss scheitert nicht an ein paar Milliarden mehr oder weniger, nicht einmal an dieser oder jener Auflage, sondern allein an der griechischen Forderung, der Wirtschaft und der von korrupten Eliten ausgebeuteten Bevölkerung mit einem Schuldenschnitt - oder einer äquivalenten Regelung, beispielsweise einem wachstumsabhängigen Schuldenmoratorium - einen neuen Anfang zu ermöglichen.


Statt-dessen bestehen die Gläubiger auf der Anerkennung eines Schuldenberges, den die griechische Wirtschaft niemals wird abtragen können. Wohlgemerkt, es ist unstrittig, dass ein Schuldenschnitt über kurz oder lang unvermeidlich ist. Die Gläubiger bestehen also wider besseres Wissen auf der formellen Anerkennung einer tatsächlich untragbaren Schuldenlast. [...]
Tsipras und Syriza hätten das Reformprogramm einer linken Regierung entwickeln und damit ihre Verhandlungspartner in Brüssel und Berlin "vorführen" können. Amartya Sen hat die von der deutschen Bundesregierung durchgesetzte Sparpolitik noch im vergangenen Monat mit einem Medikament verglichen, das eine toxische Mischung aus Antibiotika und Rattengift enthält. Die linke Regierung hätte ganz im Sinne des wirtschaftswissenschaftlichen Nobelpreisträgers eine keynesianische Entmischung der Merkel'schen Medizin vornehmen und alle neoliberalen Zumutungen konsequent zurückweisen können; aber gleichzeitig hätte sie ihre Absicht glaubhaft machen müssen, die fällige Modernisierung von Staat und Wirtschaft durchzuführen, einen Lastenausgleich vorzunehmen, Korruption und Steuerflucht zu bekämpfen usw.  [...] 
Diese Auflösung von Politik in Marktkonformität mag die Chuzpe erklären, mit der Vertreter der deutschen Bundesregierung, ausnahmslos hochmoralische Menschen, ihre politische Mitverantwortung für die verheerenden sozialen Folgen leugnen, die sie als Meinungsführer im Europäischen Rat mit der Durchsetzung der neoliberalen Sparprogramme doch in Kauf genommen haben. 
Der Skandal im Skandal ist die Hartleibigkeit, mit der die deutsche Regierung ihre Führungsrolle wahrnimmt. Deutschland verdankt den Anstoß zu dem ökonomischen Aufstieg, von dem es heute noch zehrt, der Klugheit der Gläubigernationen, die ihm im Londoner Abkommen von 1953 ungefähr die Hälfte seiner Schulden erlassen haben.
Aber es geht nicht um eine moralische Peinlichkeit, sondern um den politischen Kern: Die politischen Eliten in Europa dürfen sich nicht länger vor ihren Wählern verstecken und selber den Alternativen ausweichen, vor die uns eine politisch unvollständige Währungsgemeinschaft stellt. Es sind die Bürger, nicht die Banken, die in europäischen Schicksalsfragen das letzte Wort behalten müssen. [...]
Habermas übersieht, dass ein wichtiges Teil der Fehlkonstruktion darin liegt, dass die Währungsunion geschaffen wurde, ohne gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sich die Leistungsbilanzen der einzelnen Teile der Währungsunion nicht himmelweit auseinander entwickeln. Selbst wenn es einen Schuldenschnitt gäbe, kann Griechenland wie auch andere Länder in der Währungsunion nur dann reussieren, wenn die anderen Partner ihm Luft lassen, zu exportieren bzw. im konkreten Fall Dienstleistungen zu erbringen, die von Kunden innerhalb und außerhalb des Währungsraums nachgefragt werden. [...]             Die Vorstellung, die griechische Regierung hätte die Verhandlungspartner in Berlin und Brüssel „vorführen können“, zeugt von Verkennung der Realität. Habermas sieht offenbar nicht, in welcher Weise die öffentliche Meinung speziell in Deutschland gegen Griechenland mobilisiert, ja geradezu aufgehetzt worden war. Nicht erst jetzt, schon seit 2010.[...]
Habermas kritisiert, in Athen habe man keinen vernünftigen Versuch gemacht Koalitionen zu bilden. Diesen Teil seiner Kritik verstehe ich einfach nicht. Welche Koalitionen hätten die Verhandlungen mit Berlin und Brüssel und Washington (Internationaler Währungsfonds) erleichtern sollen?
Dieser mein Artikel ist auf Fontanefans Schnipsel angefangen worden. Hier folgt erstmals mein Kommentar:
Ich stimme mit Habermas (und somit auch mit Müller) in der Kritik an Merkels neoliberaler Sparsamkeitspolitik überein. Das ist fast identisch mit der Kritik daran, dass sich die Politik kritiklos wirtschaftspolitischen Forderungen von Unternehmerseite anpasst, statt gemeinsame Wirtschaftspolitik für Gesamteuropa auszuhandeln und durchzusetzen. 
Da diese Kritik bei Habermas ganz zentral ist, kann ich Müllers Argument nicht folgen, wenn er behauptet: "Habermas übersieht, dass ein wichtiges Teil der Fehlkonstruktion darin liegt, dass die Währungsunion geschaffen wurde, ohne gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sich die Leistungsbilanzen der einzelnen Teile der Währungsunion nicht himmelweit auseinander entwickeln."
Diese Fehlkonstruktion ist ja so häufig angesprochen worden (und von Habermas mit der Forderung, Keynes Erkenntnisse zu berücksichtigen, in seine Kritik aufgenommen worden), dass er sie nicht übersehen haben kann. 
Dagegen gestehe ich Müller zu, dass Habermas die Erfolgsaussichten griechischer Argumentation etwas zu rosig darstellt. Schließlich hat Tsipras ja immer wieder hervorgehoben, er argumentiere im Interesse Gesamteuropas. Doch Habermas spricht selbst von der "Hartleibigkeit, mit der die deutsche Regierung ihre Führungsrolle wahrnimmt". Dass er nicht deutlicher kritisiert, mag der Absicht geschuldet sein, eine möglichst neutrale Position einzunehmen. 
Wenn Habermas davon spricht, die griechische Regierung hätte Koalitionen aufbauen sollen, so meint er natürlich nicht welche innerhalb der Institutionen (alias Troika), sondern mit europäischen Ländern, die wie Griechenland unter der Sparsamkeitspolitik leiden, d.h. Italien, Spanien, Frankreich .... Das hat die griechische Regierung versucht, doch diese Länder sind vor einer deutlichen Solidarisierung mit Griechenland zurückgeschreckt. 
Alles in allem: Habermas' Diskussionsbeitrag ist zwar nicht besonders originell (er und andere haben schon früher ähnlich argumentiert) , kommt aber genau zum richtigen Zeitpunkt.
Wenn Merkel die Gelegenheit nutzt, ihn aufzugreifen und einen ihrer beliebten Kurswechsel vorzunehmen, dann ..., ja dann will ich nicht zögern, Merkel dafür zu loben.

"Wenn die Kanzlerin ihren Platz in der Geschichte sichern will, ähnlich wie es Kohl mit der Wiedervereinigung gelang, dann muss sie sich heute erfolgreich für eine Einigung in der Griechenland-Frage einsetzen - samt einer Schuldenkonferenz*, mit der wir dann bei null anfangen. Aber dann mit einer neuen, sehr viel strengeren Haushaltsdisziplin als früher." (Thomas Piketty im Interview mit der ZEIT vom 24.6.15)
*Piketty bezieht sich auf das Vorbild der Londoner Schuldenkonferenz von 1952/53.


mehr zum Thema: 
Vorschläge im Vergleich: So nah ist Tsipras einem Kompromiss SPON 26.6.15
u.a.:
"Bei der Unternehmensteuer haben sich beide Seiten auf 28 Prozent geeinigt, die Griechen schlagen für 2015 eine zusätzliche Einmalsteuer von 12 Prozent auf Unternehmensgewinne von mehr als 500.000 Euro vor. Die Institutionen lehnen das als wachstumshemmend ab."

"Hart aber fair"-Talk zu Griechenland: "Europa in der eigenen Falle", SPON 23.6.15
Klare Worte zu EU und Griechenland - und anderes, Fs Schnipsel 14.6.15
Eurokrise: Erst haben die Banken sich verzockt ... 20.5.12
EU in der Krise, 20.5.11
mehr von Fs Schnipsel zu Griechenland und "Griechenlandkrise"

20.6.15

Erfahrungsaustausch in der Schule? - Wer hat Lust auf eine Blogparade?

Pausengespräche gibt es viele. Meist dienen sie notwendiger aktueller Organisation, manchmal der Entlastung von aktuellem Stress.
Erfahrungsaustausch, Zusammenarbeit, gegenseitige Unterstützung, gemeinsamer Materialpool. Das wird immer wieder versucht, klappt aber nur an wenigen Schulen. (Hauptschulblues weiß von guten Erfahrungen zu berichten. Aber gibt es schon best-practice-Beispiele, wie man so etwas erfolgreich in die Wege leitet?)
Jetzt plädiert Michael Felten in ZEIT online für "Meisterlehrer". Sie brauchten ja nicht so zu heißen. Aber es sei doch zu schade, wenn Erfahrungen nicht genutzt werden.
 Betriebe mit Weitblick stellen Spezialisten im fortgeschrittenen Alter zu großen Teilen von der produktiven Arbeit frei – sie sollen sich ganz auf das Beraten jüngerer Kollegen konzentrieren. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass umfangreiches und komplexes Erfahrungswissen besser mündlich und situativ weitergegeben werden kann, nicht aber in Form persönlicher Niederschriften oder zusätzlicher Handbücher. Und pädagogische Expertise altert bei Weitem nicht so schnell wie technologische, vielleicht sogar überhaupt nicht. (Michael Felten: Plädoyer für den Meisterlehrer, ZEIT online, 3.6.2015)
Was meinen Sie dazu?  Kennen Sie gute Beispiele?
Wie wär's mit einer Blogparade?

18.6.15

Lässt sich der Spaß am Mathematikunterricht unaufwändig steigern?

Was Teenagern Lust auf Mathe macht, Bildungsklick 18.6.2015

"Dass sich Zitate als besonders wirksame Methode zur Motivationssteigerung erwiesen haben, könnte mit ihrem Identifikationspotenzial zusammenhängen. Wenn eine Psychologiestudentin erzählt, wie wichtig Mathe für ihr Studium ist, macht das auf Neuntklässler gleich einen ganz anderen Eindruck. Maßnahmen zur Motivationsförderung müssen also auch immer an die Altersgruppe angepasst sein", sagt Hanna Gaspard, die mit der Studie an der durch die Exzellenzinitiative geförderten Graduiertenschule LEAD promovierte.
Kurze Interventionen - lang anhaltende Effekte
"Ob unsere Unterrichtseinheit den gleichen Effekt hat, wenn der eigene Lehrer sie durchführt, wollen wir in weiteren Studien untersuchen", sagte Professor Benjamin Nagengast, einer der Leiter der Studie. "Wir sehen aber jetzt schon, dass bereits mit geringem Kosten- und Zeitaufwand viel bewirkt werden kann."

15.6.15

Verteilung der Flüchtlinge in Europa

Verteilung der Flüchtlinge: Italien will Europa der zwei Barmherzigkeiten von Hans-Jürgen Schlamp, SPON 15.6.15
Ziel ist es, dem alten Europa - Deutschen, Franzosen, Holländern und Belgiern zum Beispiel - die Möglichkeit zu nehmen, sich hinter dem Nein aus Polen, Ungarn und den baltischen Staaten zu verstecken.
Renzi, berichten italienische Medien unter Berufung auf sein Umfeld, will die EU-Gründungsmitglieder auffordern, im Alleingang eine gemeinsame Immigrations-Gemeinschaft zu bilden. Ein "Europa der zwei Geschwindigkeiten", das es etwa bei den Binnengrenzen und bei der Währung gibt, wäre ohne komplizierte Änderung von Verträgen auch bei der Immigrationspolitik möglich. Ein kleiner Klub, der nach eigenen Regeln die Lasten und Kosten der Flüchtlinge und Asylsuchenden solidarisch teilt.
Wer das nicht will, so Renzi, soll es dann wenigstens sagen müssen: "Die Zeit der Ausreden ist vorbei!"

6.6.15

Kann sich der Einsatz digitaler Medien im Unterricht positiv auf das Lernen der Schüler auswirken?

Da ich von Christian Ebel zu einer Blogparade mit dem oben genannten Titel eingeladen worden bin, will ich gern etwas dazu schreiben, auch wenn ich  für die Beantwortung der Frage nur bedingt geeignet bin. 
Vor allem will ich gern dazu beitragen, dass diese Blogparade noch besser bekannt wird.
Aber ich habe auch einige positive Erfahrungen gemacht. Die beziehen sich freilich nur auf gut zwei Schuljahre, und die liegen lange zurück (2005/06 und 2006/07).

Was sind meine positiven Erfahrungen?
Eine Schülerarbeit aus der 8. Klasse, die ich damals ins Netz gestellt habe, ist inzwischen über 98 000 mal abgerufen worden.
Aus der Arbeit einer 11. Klasse ist ein Wikipediaartikel entstanden, der in den letzten 90 Tagen über 2000 mal abgerufen worden ist.
Ein Schüler der 13. Klasse, der sich in einer über 100 km entfernten Schule einsam auf seine Abiturprüfung vorbereitete, wurde durch die Arbeiten meiner 13. Klasse angeregt, auch seine Abiturvorbereitungen ins Netz zu stellen.
Für mich persönlich am wichtigsten: Ein Kollege, den nicht nur ich für weit fähiger halte als mich, ließ sich von mir anregen, genauso wie ich mit seiner Klasse im ZUM-Wiki zu arbeiten (dafür gibt es inzwischen die Kurs- und Klassenseiten und zwar über 350). Und er berichtete mir nachher, seine Schüler hätten das als sehr hilfreich empfunden und ihn gefragt, weshalb er das nicht schon früher mit ihnen gemacht habe. (Meine Schüler empfanden die Arbeit im ZUM-Wiki, wenn ich es richtig sehe, eher als eine persönliche Marotte von mir.)
Darüber hinaus kann ich auch sonst vor allem über Unterricht von anderen berichten, den ich im Netz mitverfolgen konnte und der mir sehr imponiert hat. (zum Beispiel: Lernpfade,  Romantische Schule)

Daher antworte ich auf die Alternativfrage des Titels: Ja.

Die Fragestellung verdient freilich eine ausführlichere Behandlung.
Im Augenblick lässt es aber meine Arbeitssituation  nicht zu, die verschiedenen Positionen gegeneinander abzuwägen. Daher belasse ich es vorerst bei diesem Erfahrungsbericht, füge aber einige ergänzende  Berichte und Stellungnahmen hinzu.

Ich behalte mir vor, auf das Thema zurückzukommen, wenn meine Voraussetzungen wieder günstiger sind.

Statt dessen zunächst einmal ein paar Verweise auf andere Beiträge zur Blogparade, auch wenn ich gegenwärtig außerstande bin, sie vollständig mitzuverfolgen. (Wichtiger als mein Beitrag ist alles hier Genannte.)

Dazu:
Ein Beitrag von Andreas Kalt, der die Frage vorbildlich umfassend angeht:

Mit digitalen Medien besser lernen? Mein Beitrag zur Blogparade

darin u.a.:
"Durch die gemeinsamen Notizen der Schüler bekomme ich einen Einblick in deren inhaltliches Verständnis der Unterrichtsthemen, aber auch in ihre methodischen Fähigkeiten (zusammenfassen, formulieren, strukturieren etc.), so dass ich regelmäßig Wiki-Beispiele im Unterricht bespreche, um unklare Punkte auszuräumen oder besonders gute Aspekte hervorzuheben.
Das Wiki ist unser gemeinsam geführtes Heft, jedem Schüler steht es frei, auch seine persönlichen Notizen aus dem Unterricht auf einer persönlichen Seite im Wiki zu schreiben oder parallel ein Papierheft zu führen."
Karl Kirst:

Philippe Wampfler:
Haben digitale Medien einen Mehrwert für das schulische Lernen?
"Die Frage setzt voraus, dass bekannt ist, was »schulisches Lernen« ist. Damit wird davon ausgegangen, dass sie nur im Rahmen eines schulischen Settings beantwortet werden kann, das mit bestimmten Annahmen gekoppelt ist, z.B.:
  • Das relevante, interessante Lernen ist das schulische.
  • Die Rollenverteilung von Lehrkräften und Lernenden ist gegeben.
  • Das Schulhaus als Raum mit Klassenzimmern, in denen Präsenzlektionen abgehalten werden, stellt den Lernort dar.
  • »Lernen« ist leistungsbezogen: Es führt zu einem Output, der z.B. in Prüfungen messbar ist und zu Abschlüssen und Qualifikationen führt. [...]"
"Mit Tablet und Handy wird der Mathematik-Unterricht für die Schüler des Franz-Stock-Gymnasiums in Arnsberg anschaulicher. [...]"

  1. Eine große Chance sehen wir darin, die knappe Zeit im Plenum sinnvoller und effizienter nutzen zu können, da durch digitale Übungen mit automatisiertem Feedback (z. B.LearningAppsMoodle-Tests, …) ineffektive (da kaum individualisierte) Vergleichs- und Sicherungsphasen gespart werden können (z. B. zähe Übersetzungsvergleiche im Lateinunterricht: http://www.dgipad.net/blog/2014/12/5/bersetzungsarbeit-mit-baiboard).
  2. Größere Transparenz und Interaktion: [...]
"[...] ging es darum, dass die SuS eines Grundkurses Geschichte ihre schriftlichen Quellenanalysen ins Blog stellen sollten. Alle SuS hatten dann im Rahmen einer Arbeitsphase die Aufgabe, in Partnerarbeit mindestens drei andere Analysen zu kommentieren, positive sowie negative Aspekte herauszustellen und Verbesserungsvorschläge zu machen. Der Grund für dieses Herangehensweise war, dass ich es in meinem normalen Unterricht niemals schaffe, alle Übungstexte eines kompletten Kurses durchzulesen und sinnvoll zu kommentieren (weshalb man ja auch schon in der analogen Welt dazu übergeht, sogenannte „Schreibkonferenzen“ abzuhalten). Diese Situation empfinde ich bis heute als sehr unbefriedigend, weil ich ja gerne sowohl den ganz schwachen SuS Unterstützung bieten möchte, aber auch den Schülerinnen und Schülern, die schon ganz ordentliche Texte schreiben. Selbst den besten Schülern kann man immer einen Tipp zur Verbesserung oder Optimierung auf den Weg geben. [...]"
https://cspannagel.wordpress.com/2015/06/14/danke-digitalfoto/ 

http://www.rete-mirabile.net/lernen/blogparade-digitale-medien/

Warum digitale Medien nutzen? http://frauschuetze.de/?p=6799 25.7.2015



Andererseits eine Gegenposition: 
"Immer öfter vernimmt man ernüchternde Berichte über die Erfolge der digitalen Bildungsformate. Studenten brechen diese Veranstaltungen ab bzw. nutzen die Angebote zu selten.
 Zuletzt kam ein Beitrag in einem internationalen Wissenschaftsjournal beispielsweise zu dem Schluss, dass Reiche diese Technologien nicht brauchen werden und Arme zu wenig motiviert sind, diese zu nutzen.
 Technologie alleine kann also dieses Problem - so der Autor - nicht beheben. Aber wo liegt denn nun das Problem?
 Der Verfasser des Beitrags nannte hier vor allem die fehlende Motivation und Peer Pressure. [...]
In einem Interview aus dem Jahre 1989 antizipierte der berühmte Science Fiction Autor Isaac Asimov nicht nur die Grundzüge des Internets, er war auch überzeugt, dass nun für das Lernen völlig neue Zeiten anbrechen würden.
Jeder könne dann direkt auf Wissensquellen zugreifen, Fragen stellen und in seiner Geschwindigkeit ohne standardisierte Curricula lernen, was „einen interessiert".
Das klingt natürlich utopisch, aber Asimov hatte wie kein anderer erkannt, dass digitales Lernen auch etwas mit der Wiederentdeckung der Freude am Lernen zu tun haben wird. „Es sei dann" so Asimov „eigentlich egal, welches Thema einen interessiere." Weil der Zugang, wenn er einmal gefunden sei, früher oder später zu einem anderen Themengebieten führe."
Experten-Befragung von Schulleitern zur Nutzung digitaler Medien, 14.7.15
Was den Schulleitern grundsätzlich Sorgen bereitet, sind die verschiedenen Formen des Mobbings in sozialen Medien wie z.B. WhatsApp, Instagram und Snapchat: Die reichen vom harmlosen Bloßstellen bis zur bösartigen Verleumdung – oftmals auch von Schülern außerhalb der eigenen Schule. Nachdem vor einigen Jahren auch manche Lehrer zur Zielscheibe negativer Äußerungen im Web wurden, leiden heute vor allem die Schüler selbst darunter. [...] Obwohl die Kollegen nach Beobachtung der Schulleiter im Privatleben selbstverständlich digitale Medien nutzen, sind sie bei deren Verwendung im Lehr- und Lernkontext häufig unsicher – insbesondere wenn es um Social Media wie Facebook, WhatsApp oder Snapchat geht. Eine systematische Qualifizierung für Lehrer wäre sicherlich hilfreich. [...] So lässt sich zusammenfassend feststellen, dass unzureichende Lehrerfortbildung, fehlende didaktische Konzepte, Vorbehalte und Bedenken seitens der – nicht nur älteren – Lehrerschaft sowie ungenügende Finanzierungsmöglichkeiten für Betrieb, Support und Lernsoftware die derzeit größten Herausforderungen in Sachen Digitale Schule darstellen. Auf der anderen Seite stehen große Hoffnungen und Erwartungen mit Blick auf einen modernen und motivierenden digitalen Unterricht [...]

Die Schule probt den digitalen Hochsprung FAZ, 24.7.2015

In der Debatte um digitale Bildung arbeiten sich beide Seiten an Karikaturen ihrer Gegenspieler ab. Und im Hintergrund lauert das große Geschäft. 23.07.2015, von F. KÜCHEMANN
[...] Die Schulforscherin Birgit Eickelmann von der Universität Paderborn, mit Bos zusammen Leiterin der nationalen Erhebung besagter ICILS-Studie, stellte im Gespräch mit dieser Zeitung fest, „dass wir in Deutschland gerade ein Drittel der Schüler auf dem Weg in die Informations- und Wissensgesellschaft vollkommen verlieren und dass wir uns den Luxus erlauben, das Potential einer ganzen Schülergeneration zu vergeuden“. Diejenigen Lehrer, die gern neue Technologien nutzen wollten, fänden im Moment nicht die geeigneten Rahmenbedingungen vor, die modernes Lehren und Lernen überhaupt ermöglichten. Und annähernd dreißig Prozent der in Deutschland befragten Lehrer fänden der Studie zufolge gar, ihre Schüler würden durch den Einsatz digitaler Medien vom Lernen abgelenkt.
Eine Meinung, die leicht angestaubt wirkt. Dabei gibt es für sie durchaus zeitgemäße Argumente - aus der Hirnforschung, der Entwicklungs- und der Motivationspsychologie zum Beispiel, wie Gerald Lembke und Ingo Leipner in ihrem Buch „Die Lüge der digitalen Bildung“ (Redline Wirtschaft, München 2015) ausführen. „Digitale Medien stressen (...) erheblich den Arbeitsspeicher des Stirnhirns“, postulieren sie, „weil sie ihn gleichzeitig mit zu vielen Reizen bombardieren. Dadurch erlahmt unmerklich die Konzentration - und auch die willentliche Bereitschaft schwindet, die neuen Lerninhalte mit vorhandenem Wissen zu kombinieren.“  [...]

2.6.15

Schülerfrage

Ein Schüler fragt:
"Aber wäre es nicht wenigstens mal eine Überlegung wert, anstatt den Schülern mit dem ständigen G8-G9-Hin-und-Her-Gerudere auf die Nerven zu gehen, eine Individualisierung der Stundenpläne von Oberstufenschülern in Betracht zu ziehen?"
Bestimmt gibt es jemanden, der auf diese Frage hin fordern würde, ein Fach "Geschichte der Schulreformen in Deutschland" einzuführen, oder doch wenigstens ein Modul in der Lehrerausbildung mit diesem Gegenstand. 

Vermutlich reichte es aber, wenn man zurückfragte: Was spricht wohl gegen "Individualisierung der Stundenpläne von Oberstufenschülern"? 

Nur dann müsste Die Welt ohne diesen Artikel auskommen.