6.10.18

Offener Brief an die Kultusministerkonferenz - erster Entwurf

Was hilft uns das Gerede von den angeblichen abendländischen christlich-jüdischen Werten, wenn wir nicht einmal einen Kern von Grundrechten in der Diskussion zu halten imstande sind? (Wer glaubt daran, dass bei der Kompromisssuche zwischen Seehofer und Merkel auch nur einmal davon die Rede war?)

Wir brauchen einen Kanon von grundlegenden Texten. Es gibt ein evangelisches Gesangbuch mit Regionalteilen und eine erfreulich große Schnittmenge zwischen EG und Gotteslob.
Warum ist es nicht möglich, gute atheistische Texte (Feuerbach, Marx), Passagen aus dem Koran und grundlegende Texte aus dem alten und dem neuen Testament in den allgemeinen Teil eines Schullesebuchs aufzunehmen? (Im Regionalteil von Bayern mögen dann 150 Texte zur Bedeutung des Kreuzsymbols stehen.) Warum können Kants "Was ist Aufklärung?" und Kleists "Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden" inzwischen schon geradezu als Geheimtipps gelten?

Artikel 16a des Grundgesetzes wird auf dem Rundgang durch die Grundrechte rings um das Reichstagsgebäude weggelassen. Weshalb lassen wir es zu, dass der Gedanke, man könne die Würde des Menschen, also aller Menschen, um unserer eigenen Menschenwürde willen achten, so ganz aus der Bildungsdiskussion ausgeklammert wird? 

Weil er an der Entwicklung von Kompetenzen hindert? Weil er nicht "fit für die Zukunft" macht?
Auf welche Zukunft soll unser Bildungswesen vorbereiten?


Eine - entfernt - verwandte Fragestellung:
Wie finden Wissenschaftler das speziell für sie wichtige Wissen?