30.12.10

Die Rückkehr des Tafelbildes - Tafelarbeit statt Präsentation

In der amerikanischen Buisinesswelt macht Dan Roam gegenwärtig Furore, weil er statt vieler Powerpointfolien nur eine Tafel einsetzt, auf die er von Hand Strichmännchen, Kästchen und Pfeile zeichnet.
So führt er z.B. vor, wie er die Absurdität der Boni für amerikanische Banker erklärt.
Weshalb das ein sinnvolles Verfahren ist, erläutert sein Bestseller The Back of the Napkin (deutsch: Auf der Serviette erklärt: Mit ein paar Strichen schnell überzeugen statt lange präsentieren, 2010. ISBN 3868810161 (Rezension/Buchausschnitte).
Die 6 w-Fragen (wer/was, wie viel, wo, wann; wie, warum),  auf deren Beantwortung er seine Visualisierungen abstellt, tauchten sogar bei den Hirnforschern zur Bezeichnung wichtiger Nervenstänge im Gehirn auf.
Die Bilder, die dazu dienen, die Moderation einer Diskussion zu unterstützen (Visual Fascilitation) oder den Verlauf eines Gesprächs festzuhalten (Graphic Recording), sind dann freilich schon weniger simpel, wirken freilich ganz ähnlich wie ein - freilich sehr gut aufgeräumtes - Tafelbild nach einer Doppelstunde.
Zu den gehirnphysiologischen Hintergründen führt Roam den Titel Die blinde Frau, die sehen kann von Vilaynur S. Ranachandran an, der freilich noch eine Vielzahl anderer interessanter Bewusstseinsphänomene vorstellt.

28.12.10

Täterväter

Selbst Opfer fühlloser Väter und dennoch mit ihnen verbunden und sei es durch das Bedürnis, alles anders zu machen.
Ute Scheub, eine der Gründerinnen der taz schreibt 2006, 37 Jahre nach dem öffentlichen Selbstmord ihres Vaters auf dem Kirchentag in Stuttgart (1969), in ihrem Buch "Das falsche Leben" ihre Auseinandersetzung mit ihrem Vater nieder. (vgl. auch ihr Artikel in der taz vom Februar 2006)

19.12.10

Nachtrag zur von Knabe vorgetragenen Wahrheit

Am meisten freuen dürften sich die über das Buch, die im Wahlkampf noch nach Munition gegen die Linke suchen, also vor allem die bürgerlichen Parteien. Knabe liefert dazu in seinem Nachschlagewerk jedes nur erdenkliche Argument gegen die Linke und dazu noch jede Menge Argumentationshilfen gegen die SPD.

Das Problem ist nicht, dass Knabe immer wieder an das Unrechtssystem DDR erinnert. Auch nicht, dass er die Fakten über das skandalöse Finanzgebaren der PDS als Rechtsnachfolgerin der SED zusammenträgt. Das Problem ist, dass er den Parteigängern der Linken auch 20 Jahre nach der Wende noch pauschal abspricht, sich möglicherweise demokratisiert zu haben.
(aus der Besprechung der Süddeutschen Zeitung vom 19.3.2009)

Das hat Thomas Denkler drastisch formuliert. Aber für die Seiten 242-249 trifft die Charakterisierung durchaus. Da propagiert Knabe Wertvorstellungen, die nur von Schwarz-Gelb und allenfalls rechts davon vertreten werden.
Er mag diese Vorstellungen gern haben, als Grund eine Partei, die anderes vertritt, für undemokratisch zu halten, gelten sie mir nicht.

9.12.10

Weggefährtin Attatürks

Eben habe ich den Artikel der NZZ über die Memoiren von Halide Edip Adıvar gelesen und denke, man sollte auf die Frau und das Buch aufmerksam machen.
Dank an: Nachrichtendienst für Historiker

8.12.10

Deutschlands PISA-Werte verbessert

Intelligenz ist, was der Intelligenztest misst.
Die deutschen Schulen scheinen inzwischen besser auf die Fragen des PISA-Tests vorzubereiten. Hoffentlich ging darüber nicht zu viel anderes Wichtige verloren.
Hier einige Berichte zum diesjährigen Test.

6.12.10

Das Bildungsideal der deutschen Klassik und die moderne Arbeitswelt

Theodor Litt unterscheidet die deutsche Klassik und die moderne Arbeitswelt zunächst von ihren Zielsetzungen her. Während die Klassik in der Ausbildung der Menschlichkeit das höchste Ziel gesehen habe, sei dies in der sachbezogenen Arbeitswelt der technische Fortschritt.
Das sei schon in der Klassik so gesehen worden. Man orientierte sich an Rousseau, der den Menschen in seinem Eigentlichen durch die Kultur bedroht sah.
Im Sinne einer naturgerechten Auffassung der Natur wendete sich Goethe gegen ihre Mathematisierung (vgl. seine Farbenlehre im Unterschied zur Newtonschen).
Doch, so hebt Litt hervor, Freiheit bleibe dem Menschen beim Umgang mit der Sache erhalten, weil ja erst der freie Wille die Konzentration auf die Sache erreiche.
Das Bildungsideal der Klassik und das Bemühen um technischen Fortschritt stehen nach Litt aber gerade nicht in einem unversöhnbaren Gegensatz, denn:
Je, weniger das Selbst im sachlichen Ergebnis von sich zu entdecken vermag, um so fester darf es vertrauen, im Mühen um dies Ergebnis auch sich selbst vorwärtsgebracht, ja recht eigentlich „gebildet" zu haben. Der „Veräußerlichung", die sich im Ergreifen der Sache vollendet, gebührt ein Ehrenplatz im Kreise der Betätigungen, die in der „Bildung" der als Ganzes gesehenen Menschheit zusammenwirken. Und wenn man sich von dem Daß und dem Wie dieser Bildung des „Inneren" am „Äußeren" und durch das „Äußere" überzeugt hat, dann fühlt man sich versucht, in dem Tun des so sich Bildenden eine Äußerung jenes „lebhaften Triebes" zu finden, dem Goethes ungeteilter Beifall gilt: des Triebes, „mit der Welt verbunden ein Ganzes zu bilden". So enthüllt sich die theoretisch­praktische Einstellung, mit der sich Goethe so gar nicht befreunden kann, als Erfüllung einer von ihm selbst erhobenen Grundforderung. (S.94)
Theodor Litt: Das Bildungsideal der deutschen Klassik und die moderne Arbeitswelt, Bonn 1955, 148 S.

(Zwar enthält der Eintrag schon einige Hauptgedanken der Schrift. Er soll aber bei Gelegenheit ergänzt werden.)

Der deutsche Geist und das Christentum. Vom Wesen geschichtlicher Begegnung

Die Formulierung  "der deutsche Geist", 1938 im Jahre der Reichspogromnacht  von einem deutschen Universitätslehrer gebraucht, der sich 1933 zu Hitler bekannt haben soll, weckt den Verdacht, hier schreibe ein Mitläufer der Nazis. Doch diese Schrift von Theodor Litt bewahrt eine bemerkenswerte Unabhängigkeit, die Litt wohl nur möglich war, weil er im Jahr zuvor seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand erreicht hatte.
Statt einer NS-Bekenntnisschrift erwartet den Leser eine kritische Auseinandersetzung mit Alfred Rosenbergs Mythus des 20. Jahrhunderts, freilich eine unpolemische.
Den in der damaligen Zeitsituation an sich nicht vorhandenen, für die Kritik aber notwendigen Argumentationsspielraum gewinnt Litt dadurch, dass er seine Haltung deutlich von der eines gläubigen Christen absetzt. Er betrachte das Christentum als geschichtliche Erscheinung und nicht, wie der Gläubige es müsse, als eine aller Zeitlichkeit überlegene Erhebung zum Transzendenten.
Seine Kritik an Rosenberg setzt an dessen Verständnis von Artgerechtheit an. Wenn es die einzige Aufgabe des Menschen sei, seiner Art gerecht zu werden und sie nicht zu verfehlen, dann könne er sich nicht zu etwas Höherem entwickeln. Das werde nur möglich durch die Begegnung mit etwas anderem.
Der Mensch sei nicht völlig bestimmt durch sein Erbgut, denn dann unterschiede er sich nicht vom Tier, aber auch nicht allein durch seine Umwelt geprägt, denn dann sei er unfrei. Vielmehr befinde er sich in einer Zwischenposition, wo er wählen könne, worauf er sich einlasse, wem er begegnen wolle. Förderlich für eine Entwicklung sei immer, wenn das Gegenüber besser oder größer sei als das Ich. ("Die Sicherheit also, in die das Evangelium der Selbstentfaltung den Menschen einwiegen möchte, ist eine Selbsttäuschung." S.29)

Entsprechendes gilt nach Litt auch für Völker und Kulturen. Eine solche Begegnung sei nicht rückgängig zu machen, indem man einfach eine neu entstandene obere Schicht abtrage und zu dem Urgrund seines Wesens zurückkehre, denn eine Begegnung erfasse immer den ganzen Menschen. So habe auch das Christentum die abendländische Kultur erfasst, so dass es "auch da noch fortwirkt, wo jeder Gedanke an Evangelium, Bekenntnis und Kirche ferne ist" (S.56).
Am Schluss kritisiert er von daher ganz allgemein "gewisse Formen humaner Lebensdeutung und Lebensausrichtung", wenn sie nicht auf die Begegnung mit dem Anderen ausgerichtet seien, und betont "wie streng alles Menschliche, sofern es seine Bestimmung erfüllen will, auf das "Andere" angewiesen ist, das seiner Verfügung nicht untersteht." (S.58)

Von heute aus gesehen verwundert die von der geisteswissenschaftlichen Pädagogik herkommende völlig unempirische Argumentation, mit der über Erb- und Umwelteinflüsse reflektiert wird. Zumal eine Aussage über die christlichen Völker und Einflüsse auf ihre Seele erscheint uns heute recht wolkig. ("Den christlichen Völkern ist, solange eine unerschütterliche Glaubensgewißheit in ihrem Leben die Führung hatte, dieser Anspruch und Auftrag umso tiefer in die Seele gedrungen, je weiter dieser Glaube das Göttliche vom Irdischen abrückte und je inbrünstiger er, gleichwohl und gerade deshalb, zu dem unendlich Fernen hin- und empordrängte." S.47)
Es ist aber eine Argumentation, die keine Kompromisse mit dem nationalsozialistischen Ungeist eingeht und die beweist, dass auch vom konservativen Standpunkt aus noch 1938 Kritik an nationalsozialistischen Positionen möglich war.

Theodor Litt: Der deutsche Geist und das Christentum. Vom Wesen geschichtlicher Begegnung, Leopold Klotz Verlag, Leipzig (3. und 4. Tausend) 1938, 63 S.

Wolfgang Klafki geht in seinem Aufsatz Die gegenwärtigen Kontroversen in der deutschen Erziehungswissenschaft über das Verhältnis der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik zum Nationalsozialismus, Marburg 1998 kurz auch auf Theodor Litt ein und stellt heraus, dass er sich nicht vom Nationalsozialismus habe korrumpieren lassen.

5.12.10

Knabe über die Strategie der PDS

Hubertus Knabe stellt in seinem Buch "Die Wahrheit über die Linke" (S.195) fest:
Die Strategie, sich als Ostpartei zu profilieren, war für die PDS ein voller Erfolg. Dabei kam ihr zugute, dass sich die Öffentlichkeit immer wieder mit den Problemen des Einigungsprozesses beschäftigte, während Fragen der Außenpolitik oder der inneren Sicherheit damals eine eher untergeordnete Rolle spielten. Nur wenige Jahre nach dem Ende des SED-Regimes konnte die PDS im Osten Deutschlands jedenfalls erstaunliche Wahlerfolge einheimsen. Diese hingen eng damit zusammen, dass sich dort das DDR-Bild in den i99oer Jahren zunehmend positiv färbte. Während im Jahr der Wiedervereinigung knapp drei Viertel der Ostdeutschen die Verhältnisse in der DDR für unerträglich hielten, waren es 1994 nur noch 56 Prozent und 2001 sogar nur noch 44 Prozent. Demgegenüber stieg der Anteil derjenigen, die die Lebensverhältnisse in der DDR für erträglich hielten, im selben Zeitraum von 19 auf 42 Prozent.
Was Hubertus Knabe als geschickte Strategie der PDS hinstellt, ergab sich einigermaßen zwangsläufig aus der Situation, dass die PDS praktisch nur in den neuen Bundesländern Mitglieder hatte und dass sich im Laufe des Einigungsprozesses einige Härten für ihre Bewohner ergaben, u.a. ein niedrigeres Lohnniveau als im Weten, eine steigende Arbeitslosigkeit und der Schock eines neuen Rechtssystems.

Verharmloser und Verteidiger von Verbrechen der SED-Diktatur?

Hubertus Knabe sieht gefährliche Geschichtsverfälschungen und Organisationen zur Verdunklung von Verbrechen aus der SED-Diktatur bei dem Insiderkomitee zur Förderung der kritischen Aneignung der Geschichte des MfS, bei der Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung (GRH), bei der ISOR und vielen anderen Organisationen, die er in seinen Büchern Die Täter sind unter uns und Die Wahrheit über die Linke anführt. (zu Die unterwanderte Republik und weiteren Rezensionen von Publikationen von Knabe)
Diese Versuche einer Geschichtspolitik zur Verhharmlosung der DDR-Geschichte lassen die Entwicklung eines Curriculums zur Geschichte der DDR besonders wichtig erscheinen. 

Als Notiz dazu hier ein Link zum DDR-Alltag und zum DDR-Lexikon.

24.11.10

Geschichte der DDR, der SED, der PDS und ihrer Nachfolgeparteien

Bisher besteht noch wenig Klarheit darüber, was an Schulen über die Geschichte der DDR unterrichtet werden sollte. Es ist klar, dass eine reine Faktengeschichte nicht viel bringen kann. Es kommt auf die Setzung von Schwerpunkten an. Später dazu mehr.
Einen Schwerpunkt hat sich Hubertus Knabe gesetzt: Behandlung von Unrecht, das in der DDR geschehen ist. In seinem neusten Buch "Die Wahrheit über die Linke" betrachtet er nun die Vorgeschichte und die Nachgeschichte der SED, der Staatspartei der DDR. (Rezension in berlinerliteraturkritik.de)
Wenn auch seine Darstellungsweise zu Recht umstritten ist und er sich zu so merkwürdigen Vorstellungen versteigt wie die, dass Gewerkschaftler nicht parteipolitisch aktiv sein sollten (S.377), so ist doch das, was er an Material zusammenträgt, für den Gegenstand Nachgeschichte der SED sehr interessant. So stellt er im einzelnen dar, wie die PDS versucht hat, Geldbestände (von am 1.10.1989 6,3 Milliarden Mark) und Sachwerte von 6-10 Milliaerden Mark für die Partei zu erhalten (S.158 ff), er geht auf die Einnahmen der SED aus dem Geschenkedienst Genex und auf die Putnik-Affäre ein und referiert Untersuchungsergebnisse der unabhängigen Kommission des Bundestages zur Untersuchung des Verbleibs des SED-Vermögens.
Die - undurchsichtige - Rolle Schalck-Golodkowskis und die "kommerzielle Koordinierung" kommt dabei m.E. freilich zu kurz.

14.11.10

Eindrücke von der ZUM-Tagung am 13./14.11.2010

Ungewöhnlich war an der Tagung, wie viele Gäste sie bereichert haben. Freilich kein Wunder, wenn man ihr Motto kennt: "Erfahrungen austauschen – Kontakte knüpfen – Schule weiterdenken".So waren gleich zwei Vertreter von 4teachers gekommen, Rüdiger Hamm und Bernd Dumser. Und sie verstanden sich mitnichten als Rivalen der ZUM, sondern waren an Zusammenarbeit interessiert. Und dazu wird es wohl schon deswegen kommen, weil Bernd Dumser Mitglied der ZUM werden will.
Interessant war es, abends bei Bier und Wein zu hören, wie sie zum Programmieren des ersten Internetauftritts von 4teachers gekommen waren ...
Christian Ebel, streng genommen eigentlich kein Gast mehr, stellte uns sein Vielfalt-lernen-Wiki vor und verwies uns darauf, dass mit zunehmender Heterogenität der Schüler (gegenwärtig haben etwa 30% der Schüler Migrationshintergrund, und die Tendenz weist eindeutig nach oben) individuelle Förderung immer wichtiger werden wird.
Jürgen Wagner bot uns an, auf seinem Forum, einer gemeinsamen Initiative von Schleswig-Holstein und Saarland, online Fortbildungsveranstaltungen der ZUM abzuhalten. Eine hat schon stattgefunden, ohne dass es den ZUM-Mitgliedern recht bekannt geworden ist, denn Ralf Klötzke hat dort schon online über Wiki im Fremdsprachenunterricht referiert.
Thomas Rau, der Verfasser des Blogs Lehrerzimmer berichtete darüber, wie er zum Bloggen kam. (Er dürfte einer der wenigen Internetfreaks sein, die von ihrer Frau darauf gestoßen worden sind, ihr weniger zu erzählen und mehr im Netz über seine Erlebnisse zu berichten.) Ihm geht es darum, an seiner Schule Web 2.0 voranzutreiben. Dafür schämt er sich nicht, Vorzeigbares aus seinem Schulalltag und was ihm dabei Spaß gemacht hat, zu präsentieren und auf Blogs von Schülern und Kollegen hinzuweisen, ist aber mit dem Erfolg seiner Bemühungen noch nicht so ganz zufrieden.
Uwe Kohnle ist bei der ZUM wie auch die folgenden Präsentatoren nichts weniger als ein Gast, doch wies er kurz auf seine Lernmodule hin, die man auch auf der eigenen Webseite einbinden kann.
Heinz-Willi Jansen stellte die Homepage seiner Schule vor und wies darauf hin, wie es ihnen gelungen ist, Schülerkommunikation im Netz über ihre Homepage laufen zu lassen.
Robert Roseu kam erst später dazu, seine Idee vom USB-Stick, der den Schüler durch seine Schullaufbahn begleitet, vorzustellen und ermöglichte dabei nebenbei auch Einblick in seine Materialien bei der ZUM.

Diskussionspunkte waren:

* ZUM-Unity: Dazu vgl. meinen Blogbeitrag zum ZUM-Unity-Wunschzettel

* Förderung von Web 2.0 in der Bildung: Dabei wurde zum einen auf online Fortbildungsveranstaltungen, die die ZUM halten könne, zum anderen auf den Tag des digitalen Lernens hingewiesen, den man noch mehr als bisher für Öffentlichkeitsarbeit nutzen sollte. (2011 liegt er am 2. März.)

Außerdem ging es um eher vereinsinterne Fragen, die hier von weniger Interesse sind.

Richtig spannend wurde es bei einem Beitrag von Mario Hupfeld, der jetzt die ZUM-Seite seines Vaters (zu Biologie und etwas Mathematik) betreut. Er schlug vor, Rezensionen von populärwissenschaftlichen Arbeiten zu schreiben. Als Ort dafür erschien manchen die Seite ZUM-Buch geeignet, manche dachten eher an die ZUM-Unity, weil dort auch gleich eine Diskussion über Buch und Rezension stattfinden könne. Gleich wo das Projekt durchgeführt wird, es verspricht interessant zu werden.

Foto vom ZUM-Treffen 2010


Zwei Fotos vom Treffen 2009 mit dem gegenwärtigen Vorstand und einem Gruppenfoto von den damals vertretenen ZUM-Mitgliedern:


Nachtrag zu Jürgen Wagner:
Eben habe ich von Jürgen Wagner noch einige weitere interessante Links erhalten.

- Mitschnitte der bisherigen Online-Fortbildungen
- Wagners Blog
- seine Homepage mit anderen Materialien und Linksammlungen
- sein Newsletter
- sein Bericht über das ZUM-Treffen

4.11.10

Konzentrationstöter Neuigkeit

Ein Unternehmensgründer war so mit den vielen neuen E-Mails beschäftigt, dass er ein Angebot, seine Firma zu kaufen, 12 Tage lang übersah.
Die neuen Nachrichten regen so an, dass die Konzentration auf das Wesentliche verloren geht. Dabei ist entscheidend, dass dieser Mangel an Konzentrationsfähigkeit auch nach Abschalten des Computers noch anhält.
Nora Volkow vom National Institute of drug abuse sagt:, diese Technologie verändere unsere Gehirne. Sie sei allerdings nicht mit Drogen zu vergleichen, eher mit Essen und Sexs. In Maßen stimuliere sie positiv, aber im Übermaß werde sie gefährlich.
Mehr dazu in der New York Times in einem Artikel von Matt Richtel vom 7.6.2010

Roger Walshe, Leiter der Abteilung Lernen der British Library, erklärt, Studenten nutzten Material in Bibliotheken und Archiven nicht, weil sie sich nicht bewusst seien, wie viel davon im Netz nicht greifbar ist.
Deshalb macht die Bibliothek ein Lernstudio zu Materialien auf, die nicht im Internet zu finden sind: z.B. Dichter aus dem 1. Weltkrieg, Zeitungen aus dem 17. Jahrhundert, viktorianische Plakate.
Dabei soll ihnen ermöglicht werden, sich fruchtbare Fragestellungen zu erarbeiten und dann danach zu suchen, wo sie Antworten darauf finden. (Quelle: Artikel der Times vom 14.8.2010 von Nicola Woodlock: Google-eyed pupils keep missing the point")

Jedes Kind hat das Recht ...

Kinderrechte werden oft missachtet. Millionen von Kindern führen ein Sklavendasein.
Doch der Kinderrechtskonvention sind mehr Staaten beigetreten als jeder anderen UN-Konvention (nur die USA und Somalia nicht).
Die UN-Behindertenrechtskonvention gibt jedem Kind den Anspruch auf gemeinsames Lernen. Inklusion und inklusive Pädagogik sind daher von den Menschenrechten her, die Konsequenz.

Dieser rechtlich unanfechtbare Anspruch stößt freilich da an seine Grenzen, wo Kinder die Unterrichtssituation nicht aushalten oder wo Lehrer außerstande sind, für eine spezielle Zusammensetzung von Schülern eine Lernsituation zu schaffen. Extrem verhaltensauffällige einerseits und psychisch schwer kranke Schüler andererseits können es auch methodisch auf Inklusion vorbereiteten Lehrern unmöglich machen, Lernsituationen für die Gruppe zu schaffen.
Mit der Frage, wo die Grenze zwischen aus Bequemlichkeit abgelehnter Inklusion und angesichts der gegebenen Situation undbedingt notwendiger Trennung liegt, beschäftigt sich heute Martin Spiewak in der ZEIT vom 4.11.10, S.39f. in seinem Artikel "Die Not ist riesengroß".

Wenn in Deutschland 80% der Schüler mit einem Handicap in Sonder- oder Förderschulen unterrichtet werden, international im Durchschnitt aber nur 15%, dann wird entweder hier oder dort etwas falsch gemacht.
Über methodisch Ansätze, die inklusives Lernen in höherem Maß, als bisher üblich, sinnvoll machen, informiert u.a. das Wiki "Vielfalt lernen".
"Jedes Kind hat das Recht auf Bildung" bedeutet noch nicht "jedes Kind hat das Recht darauf, seine Bedürfnisse in einer Unterrichtssituation auszuleben".

Dass aber mehr als 15% der behinderten Kinder die Chance auf Inklusion bekommen, dafür lässt sich noch einiges tun.

25.10.10

Über den Stand der deutschen Einigung - B. v. Weizsäcker: Die Unvollendete

Beatrice von Weizsäcker hat in ihrem Buch über "Deutschland zwischen Einheit und Zweiheit" viel Wissenswertes zusammengetragen: Axel Schmidt-Gödelitz mit seinem Projekt der Ost-West-Biographien, zum Beispiel, der sich auch um deutsch-türkische Biographien kümmert. Jana Hensel mit ihrem Buch Zonenkinder von 2002, die Stiftung Demokratische Jugend mit ihren Projekten. Eine Vielzahl weiterer Projekte. Schließlich gestehe ich, dass mir ihr Bericht über Udo Lindenbergs Sonderzug nach Pankow nützliche Informationen brachte, die ich beim Anblick der Sondermarke noch nicht mitbrachte.

Viele ihrer Urteile sind mir auch sympathisch. Eine Abqualifizierung von SED-Mitgliedern allein aufgrund der Tatsache, dass sie dieser Partei angehörten, steht meiner Meinung nach gut angepassten Karrieremenschen im Westen gewiss nicht zu. Aber wieso sieht sie nur bei Bündnis 90/Die Grünen eine gelungene Vereinigung von "westlichen" und "östlichen" Politikern? Werden in der SPD Genossen aus den neuen Bundesländern etwa diskriminiert? Gibt es in der Partei Die Linke einen Gegensatz zwischen West und Ost oder nicht viel mehr einen zwischen orthodoxen Marxisten und radikalen Linken? Nur im Osten geht es nach v. Weizsäcker den Linken um soziale Gerechtigkeit, im Westen dagegen sieht sie nur diffusen Protest (S.232).
Wirklich befremdet bin ich freilich erst, wenn sie formuliert "Die Weste der Ost-SPD ist tatsächlich rein." (S.241) Willy Brandt soll eine unreine Weste haben, weil er mit SED-Politikern gesprochen hat? Vieles kann man ihm vorwerfen; aber das nicht, wenn man denn wirklich für eine deutsche Einigung ist.
Zu Recht erinnert sie an Uwe Holmer, der in der Tat christliche Gesinnung bewiesen hat. Aber ich zweifle sehr, ob sie "Vergebung und Versöhnung", die sie für die Honneckers anmahnt, auch für die richtige Haltung der Kirche hält, wenn sie hohen SS-Offizieren die Flucht nach Argentinien ermöglichte.
Sehr zu Recht erinnert sie an die großartige Einrichtung der Wahrheits- und Versöhnungkommissionen in Südafrika und die Initiative von Ralf Wüstenberg , die Ähnliches für Deutschland anstrebte. Aber sie hat als Konzept nur zu bieten "Irgendwo zwischen Lobetal und Südafrika muss man sich treffen" (S.265). Unbestimmter geht es kaum.
Zustimmen kann ich wieder ihren Sätzen: "Versöhnung braucht Wahrheit. Wahrheit ohne Chance auf Versöhnung führt zu nichts." (S.265)

Den angemessenen Raum gibt sie Matthias Platzeck (S.214 ff) und seinem energischen Versuch, 20 Jahre nach dem Zusammenbruch des SED-Regimes denen, die sich nach der sehr westdeutsch bestimmten Einigung (Übergehen des Artikels 146 des Grundgesetzes) gezwungenermaßen enttäuscht aus dem politischen Leben zurückgezogen hatten, Versöhnung anzubieten und zu ermöglichen (vgl. sein Aufsatz im Spiegel November 2009).
Ihre Kritik an Marianne Birthler, so sehr ich sie teile, scheint mir freilich entschieden zu harsch. Birthler Amtsmissbrauch vorzuwerfen, wäre übertrieben. Dass sie ihrer Aufgabe aufgrund ihrer persönlichen Einstellung nicht gerecht werden kann, scheint mir freilich deutlich.

Alles in allem hat Beatrice von Weizsäcker ein nützliches Buch geschrieben. Und ich könnte noch viel positiver darüber schreiben, gäbe es da nicht auch die Sätze "Darf es nur eine für alle gültige Geschichtsdeutung geben? Darf oder muss es nicht vielmehr verschiedene Auslegungen geben können. Ja, es darf und muss." und gleich darauf die ihnen völlig widersprechenden "Für die Zeit der Nazi-Diktatur ist die Frage der Geschichtsdeutung klar. Sie stellt sich erst gar nicht. Denn da gibt es nichts zu deuten." (S.266/67)

Sie ist keine Historikerin, deshalb bringt sie es fertig von dem "unsäglichen Historikerstreit" zu sprechen, "in dem es darum ging, Auschwitz zu relativieren" (S.25), als hätte nicht Jürgen Habermas den Streit mit genau der entgegengesetzten Absicht begonnen. Ich glaube ja an ihre guten Absichten. Aber hier hat das Lektorat versagt. (Vielleicht im Glauben, der Verfasser der Rede vom 8. Mai 1985 hätte das Manuskript schon gegengelesen.) Worum gingen denn die Diskussionen um die Thesen von Daniel Goldhagen und andererseits von Götz Aly wenn nicht um die Deutung dessen, was die NS-Diktatur möglich machte?

Nach dieser Unkenntnis über die Aufgabe von Geschichtswissenschaft wird man von Frau von Weizsäcker keine Antwort auf die Frage erwarten dürfen, welche Schwerpunkte man bei der unterrichtlichen Behandlung der DDR-Geschichte setzen sollte. Immerhin kann ich ihr zustimmen, wenn sie die pauschale Bezeichnung der DDR als Unrechtsstaat nicht als hilfreich ansieht. (Das SED-Regime als Unrechtsregime zu bezeichnen, wäre weniger missverständlich.) Dass sie aber die DDR-Geschichte nicht nur als die einer SED-Diktatur behandelt sehen will, hilft mir nicht weiter. Soll man die Erfüllung von Plansoll oder Hermann Kants Bücher loben oder den Volkaufstand vom 17. Juni, Robert Havemann und Wolf Biermann? Was es an Positivem gab in der Geschichte der DDR, etwa der politechnische Unterricht, war ja immer auch verbunden mit den hässlichen Seiten der SED-Diktatur. (Diese Aussage bedürfte freilich einer ausführlicheren Begründung als hier möglich.)
Die Unvollendete ist ein lesenswertes Buch. Das Wichtige ist, dass es Anstöße gibt, die einzelnen Schwächen sind demgegenüber unwichtig.

Nachtrag:
Bericht von einer Autorenlesung

9.10.10

Es gibt gute Gründe

... weshalb ich an zig "Baustellen" im Netz aktiv geworden bin.
... weshalb ich meine Netzaktivitäten erheblich einschränken sollte.

Ich habe mir vorgenommen, beide Arten von Gründen gleichmäßiger zu berücksichtigen.
Falls jemand daraus schließen sollte, ich hätte die Lust am Bloggen verloren, dementiere ich das.
Mit mir gibt es auf absehbare Zeit ebensowenig einen Blogstopp wie mit Mappus und Grube einen Baustopp.
Wenn's anders wäre, stünde dieser Artikel nicht hier.

7.10.10

Pädagogische Autorität - kommt man ohne sie aus?

Klare Ansage und Empathie, darauf lässt sich nach Aussage von Pädagogen und Psychologen, die heute in der ZEIT zu Worte kommen, das Geheimnis von pädagogischer Autorität zusammenfassen. Typische Persönlichkeitsmerkmale seien es nicht. Dagegen betonen Petra Gerster und Christian Nürnberger in ihrem aktuellen Buch gerade den Charakter ("Charakter - worauf es bei der Bildung wirklich ankommt"), aber eben als Ziel der Bildung, nicht als Grundlage der Autorität.
"Die Menschen stärken, die Sachen klären und zwar in dieser Reihenfolge" hat Hartmut von Hentig formuliert. Ohne Empathie kann man die Menschen nicht stärken.
Und auch nicht glaubhaft Politik gestalten. Das zeigt Stuttgart 21.

1.10.10

Wofür man die Wikipedia - unter anderem - braucht

O'Murchu schaute auf Wikipedia nach, ob an diesem Tag irgendetwas Bemerkenswertes passierte - und wurde fündig: Am 9. Mai 1979 wurde ein jüdisch-iranischer Geschäftsmann namens Habib Elghanian in Iran exekutiert - weil er angeblich als Spion für Israel arbeitete.
O'Murchu ist Spezialist für Computerviren und untersuchte den Wurm Stuxnet. Er wollte wissen, was eine bestimmte Zahl bedeutet, die der Wurm in die Registry eines angegriffenen Computers schreibt. Mit dem Brockhaus hätte er das wohl kaum herausgefunden.

Das zeigt, wie vielseitig die Wikipedia gegenwärtig verwendbar ist und von kommenden Schülergenerationen verwendet werden können sollte. Wer diese Möglichkeiten nicht kennt, hat Nachteile in der Arbeitswelt.

Freilich enthält der Bericht von Spiegel online auch einen interessanten Hinweis auf die Firma Microsoft und Viren:
Erste Virenangriffe, die später zu Komponenten von Stuxnet wurden, datieren sogar auf Januar 2009 zurück", teilte Microsoft mit.
Das wirft die Frage auf, ob sich zwischen all den Viren, die täglich neu entdeckt werden, schon die Ausläufer einer neuen, noch intelligenteren Schad-Software verstecken - ohne dass es jemand mitbekommt. Die Zahl neuer Viren, die sich zu anspruchsvoller Schad-Software kombinieren lassen, jedenfalls wächst dramatisch. Laut einer Erhebung von AV-Test wurden 2006 rund 100.000 neue Viren entdeckt. Im vergangenen Jahr waren es 1,2 Millionen.

Beseitigt hat Microsoft die Lücke in Windows, die die Voraussetzung des Angriffs von Stuxnet wurde, erst im Sommer 2010.

29.9.10

kommentierte Links

Maik Rieken arbeitet mit Blogs, die nur innerhalb einer beschränkten Gruppe zugänglich sind und wertet die Ergebnisse aus.

Auch Tom Barret gibt Hinweise für das Unterrichten mit Blogs und bietet eine Fülle weiterer Empfehlungen zu Unterrichtsmethoden, freilich auf Englisch.

28.9.10

Odenwaldschule, Entschädigungen und pädagogische Reformen

Die Odenwaldschule will die Opfer sexuellen Missbrauchs an ihrer Schule entschädigen, hat aber nicht das Geld dazu (darauf wies Rita Süssmuth hin). Sie wird sie laut FR trotzdem entschädigen. Vertretern der Opfer ist das zu wenig.
Die Schule dürfe nicht geschlossen werden, man brauche diesen Typ Schule - so Rita Süssmuth - "weil unsere Gesellschaft sonst mit schwierigen Kindern nicht fertig wird".

Meine Überzeugung ist, dass jedenfalls bisher die Regelschulen nicht genügend Voraussetzungen haben, diesen Kindern zureichend zu helfen. Es bedarf professioneller Unterstützung der Schüler über den Unterricht hinaus. Wer Schülern und Lehrern abverlangt, ohne sie auszukommen, programmiert vielfältiges Scheitern von Jugendlichen und sorgt damit dafür, dass selbst die, die erfolgreich arbeiten können, letztlich vom Problemdruck überwältigt werden.
Dagegen wird dann auch nicht helfen, wenn die Renditen der Banken allgemein auf 25 Prozent gestiegen sind.

Nachtrag vom 26.5.11:
Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch im Hessischen Landtag besprochen
Dabei Auftritt eines ehemaligen Odenwaldschülers

Nachtrag vom 3.3.12:
Der Fall eines Lehrers, der seinen Beruf aufgibt, weil er für pädophil gehalten wird. Fiktiv?

25.9.10

Für mehr professionielle Unterstützung der Schulen bei der Aufarbeitung von Erziehungsdefiziten

Ich fühle mich nicht berufen, die Reformpädagogik gegen die überzogenen Angriffe von Gabriele Behler, der ehemaligen NRW-Kultusministerin, in der heutigen ZEIT zu verteidigen. Das mögen Kompetentere tun.
Statt dessen greife ich heraus, dass hier einmal von kultusministerieller Seite darauf hingewiesen wird, dass ein Gegensatz besteht zwischen liebevoller Erziehung und den durch die Institution vorgegebenen Anforderungen, etwa der verkürzten Schulzeit und den Bildungsstandards.
Ausnahmepersönlichkeiten mag es dennoch in bewundernswürdigem Maße gelingen, beises zu vereinen. Im Regelfall kann eine solche Forderung m.E. nur zu Resignation, Heuchelei oder Burnout führen.
Es hilft aber nicht, Erziehungsdefizite zu leugnen. Deshalb brauchen die Schulen zur Unterstützung Schulpsychologen, die nicht wegen Überlastung nur konstatieren, sondern, die auch zu helfen können. (Stichworte: Finnland, PISA)
Es hat aber auch keinen Sinn, die Schuld an Problemen zu individualisieren (im Sinne von: Saufende oder gar rauchende Hartz IV-Empfänger versauen mir meine Schüler). Probleme aufgrund unzureichender Integration von Migranten, des übermäßigen Drucks aufgrund von Mobilitäts- und Flexibilitätsforderungen aus der Arbeitswelt bestehen unabhängig von im Einzelfall durchaus auch nicht zu bestreitender Individualschuld.

Neue Formen Unterrichtsorganisation und neue Methoden (z.B. individualisiertes Lernen, LdL, Web 2.0) bieten manche Chancen. Man sollte sich aber von keiner die Lösung aller Probleme versprechen.
Angesichts der gegenwärtigen Problemkonstellation braucht die Schule mehr professionelle Unterstützung.

Wenn in der Öffentlichkeit mit Zahlenspielen gearbeitet wird, die die Ausgaben für Forschung und Bildung künstlich hochrechnen, etwa indem man wie die Ausgaben für die Untersuchung von Gorleben als Endlagerungsstelle für Atommüll dazu rechnet, so hilft das letztlich niemandem, nicht einmal den Politikern, die die Zahlenspiele in Auftrag geben. Was wir brauchen, ist eine eindeutige Prioritätensetzung für Bildung (und Erziehung!), die verhindert, dass 20% der kommenden Generationen aus der Arbeitswelt herausfallen, weil ihnen nie eine echte Chance gegeben worden ist.
Wer meint, alle erfolgreichen Absolventen der Odenwaldschule hätten in einer Regelklasse mit 33 Schülern im G8-System genauso gut gefördert werden können wie dort, mag das freilich anders sehen. (Ich erinnere mich an den Fall einer Schülerin, die, weil sie das Versetzungsziel nicht erreichte, eine Klasse überspringen durfte, um sie wieder zu motivieren, und die dann eine glänzende Berufskarriere absolvierte. Regelschulen kann ich dies Beispiel nicht zur Nachahmung empfehlen.)

20.9.10

Buchtipp

Diemal nur ein kleiner Buchtipp mit erläuterndem Link:

Hans Küng: Anständig wirtschaften, September 2010

8.9.10

Arianna Huffington Januar 2007

Die Star-Bloggerin der USA, Arianna Huffington, deren Blog inzwischen eine der angesehensten politischen Netzadressen ist, hat im Januar 2007 Spiegel online ein Interview gegeben, das ich in Erinnerung rufen möchte.
Wie lange her kommen einem die Auseinandersetzungen der Bush-Ära und selbst der Vorwahl-Kampf zwischen Hillary Clinton und Barack Obama vor! Und doch ist die Weltpolitik noch immer ganz wesentlich von den Fehlern aus der Bush-Zeit überschattet. Und Obama könnte daran scheitern, dass er sie nicht so überwinden kann, wie er sich das erhoffte. Das gilt nicht nur für seinen Versuch, die unglückseligen Kriege gegen Irak und Afghanistan zu beenden.

Doch nun zu dem Interview:
Huffington: Die Mainstream-Medien formulieren immer nur Gemeinplätze, sie sehen alles durch einen Rechts-gegen-links-Filter. Es ist absurd, den Krieg im Irak durch diesen Filter zu betrachten – die Mainstream-Medien machen es trotzdem. Senator Sam Brownback zum Beispiel ist ein renommierter Republikaner, und er ist gegen den Eskalationsplan des Präsidenten für den Irak. Trotzdem reden die meisten US-Journalisten weiter von "Druck von links". Den Bloggern fällt unter anderem die Rolle zu, die Mainstream-Medien aufzurütteln: Hört endlich auf, so reflexhaft zu berichten! Das Gleiche gilt für Themen wie die Gesundheitspolitik oder den "Krieg gegen Drogen".
SPIEGEL ONLINE: Barack Obama ist für Blogger im Moment augenschenlich interessanter als Hilllary Clinton, es wird mehr über ihn geschrieben – warum? Und wie inwieweit beeinflusst das die Allgemeinheit?
Huffington: Vorwahlen wurden immer vor allem von jenen beeinflusst, die sich politisch am stärksten engagieren – Blogs sind da nur ein weiteres Element. Für die meisten Blogger ist Authentizität ein wichtiges Kriterium. Sie reagieren allergisch auf übervorsichtige Politiker. Das ist Hillary Clintons Problem mit der Blogosphäre: Sie ist so berechnend, dass man es förmlich riechen kann. Jeder Gedanke wurde von ihr und ihren Ratgebern auf vielfache Weise durchgegangen. Das ist so künstlich!

Hillary und Barack ziehen an einem Strang. Wer hätte es damals gedacht?
Und wie schwer fällt ihnen, gegen Netanjahu und die Folgen der Siedlungpolitik anzukommen und einen Weg zum Frieden zu eröffnen.

7.9.10

Stolper - Steine

Schon länger will ich einmal einen etwas ausführlicheren Artikel über Stolpersteine schreiben. Schon der Name gibt Anlass für Reflexion, denn man soll ja nur metaphorisch darüber stolpern, nicht in Wirklichkeit.
Deshalb sind sie in den Boden eingelassen - also barrierefrei - oder so hoch, dass man nicht darüber stolpern, sondern höchstens dagegen stoßen kann.

Aber aufmerksam werden, im Alltag einen Augenblick betroffen werden, weil man an das Verbrechen erinnert wird, das in Deutschland und in den von Deutschland beherrschten Gebieten millionenfach geschah, das sollte man.
So wie es mir ging, als ich an einem schönen Sommerabend beim Bohnenviertelfest in Stuttgart einen mir golden entgegenleuchten sah. Wie eine Ikone.

"Hier wohnte" und dann die Ermordungsdaten.

Hier nicht der Stuttgarter Name, sondern Heymann Jakoby, der in der Weststraße 8 in Kamen wohnte, weil ich ein wenig mehr über ihn weiß. Er heiratete Friederike Leeser, war der erste Kamener Fleischer mit einem Fleischerladen (1828), bekam 12 Kinder. Darunter Rosalia und Rosalie. War Rosalia gestorben?
Sein Sohn Moses übernahm die Fleischerei, wurde 1901 Obermeister der Metzgerinnung. Eine Erfolgsgeschichte.
Dessen einziger Sohn Hugo Jakoby (*1882) trat schon 1930 durch Unterstützung des Reichsbanners hervor und wurde deshalb bereits am 14.3.1933 verhaftet, dann wieder am 10.11.1938 in "Schutzhaft" genommen. Er zog nach Dortmund um, wurde 1942 nach Riga deportiert und im Juli 1943 ermordet.
Über weitere Opfer aus der Familie kann man in Stolpersteine in Kamen, Kamen 2008, S.30ff nachlesen.
Weniger trocken als in der Wikipedia wird man hier über die Stolpersteine Gunter Demnigs informiert.

Die Frankenpost über einen Stolperstein
Stolpersteine in Dresden
Stolpersteine zum 9.11.12 in Greifwald gestohlen - die symbolische Wirkung wird gesehen und versucht zu bekämpfen

31.8.10

"Das ist längst bewiesen!" - Über falsche Sicherheiten

Francis "Bacon hat vor voreiligem Vertrauen darauf, das Richtige erkannt zu haben, gewarnt und auf folgende Arten von Täuschungen aufmerksam gemacht:

1.Täuschungen, die sich aus den Tiefen des Individuums, dem Unbewussten, ergeben.
2.Irrtümer aus überlieferten, überzeugend dargelegten Lehrsätzen: „Dogmen“ oder Meinungen einer Autorität, die wir glauben, ohne zu „hinterfragen“. Solche Irrtümer sieht er bei Scholastiker, aber auch bei Humanisten, wenn sie die Naturwissenschaften nicht genügend berücksichtigen.
3.Irrtümer, für die unser Sprachgebrauch verantwortlich ist. Das ist ein Ansatz für die moderne Sprachkritik der Philosophie.
4.Fehler unseres Verstandes – Sie entstehen, weil wir von unserem menschlichen Standpunkt aus urteilen, statt der Natur der Dinge gerecht zu werden. Dazu zählt er die Überbetonung der Bedeutung plötzlicher und außergewöhnlicher Vorgänge." (zitiert von hier)

Auch Naturwissenschaftler sind vor solchen Irrtümern nicht gefeit, wie der Blogartikel Wie Wissenschaft funktioniert an einem Beispiel von Forschung im Bereich der Grünen Gentechnik aufzeigt. Gerade was naturwissenschaftlich korrekt ist, kann freilich sozialwissenschaftlich gesehen in gefährliche Irrtümer führen.

Im Lehrerzimmer werden wir auf die Unterscheidung Wahrnehmung und erkenntnis (am Beispiel einer optischen Täuschung) und von Ergebnis einer Untersuchung und ihrer Interpretation aufmerksam gemacht. Vor solchen Fallstricken kann man gar nicht genug warnen. Danke!

Francis Bacon freilich hatte das Erkenntnisinteresse Naturbeherrschung, und das ist bis heute für die Naturwissenschaften Normalfall und für Technik Norm.
Dass ein solches Erkenntnisinteresse Fragestellungen erschwert, die die Gefahren von menschlicher Naturveränderung aufzudecken geeignet sind, weiß man freilich nicht erst seit dem Klimawandel.

25.8.10

Wann kann Demokratie schädlich sein?

Paul Collier, Afrika-Experte von der Universität Oxford, weist darauf hin, dass Demokratie in Staaten, die bürgerkriegsgefährdet sind, schädlich sei. Da seine Zielsetzung mir gefällt (Armut, so weit als möglich, zu verhindern) und er empirisch arbeitet, scheinen mir seine Ergebnisse sehr beachtenswert.
 
Hier seine Argumentation in Thesenform:

 
  1. In armen Ländern erhöht die Demokratie das Risiko politischer Gewalt, weil die Zentralgewalt weniger effektive Instrumente zur Unterdrückung von Gewalt hat als ein autokratischer Herrscher.
  2. In vielen armen Ländern gibt es nur Scheindemokratien. Es herrscht keine Gewaltenteilung und Wahlen werden gefälscht.
  3. Das Vorhandensein von Bodenschätzen begünstigt Gewalt. Denn die Herrschenden können sich bereichern. Sie sind nicht auf Steuerzahlungen der Bürger angewiesen. Außerdem können gewaltbereite Gruppen einen Teil des Landes unter ihre Kontrolle bringen und dann ausplündern.
  4. Sobald ein Land über die sieben US-Dollar Einkommen am Tag hinauswächst, verliert die Autokratie an Rückhalt. Dann ist es die Demokratie, die mehr Stabilität verspricht.
  5. Nach einem Bürgerkrieg erhöhen Wahlen das Risiko neuer Kämpfe. Denn dann gibt es einen Gewinner und einen Verlierer und das werden bewaffnete Parteien nicht anerkennen, sondern wieder zu den Waffen greifen. Für das Land wäre besser, wenn sie sich die Macht teilen.
  6. Wir könnten die afrikanischen Gesellschaften aus der Armut befreien. Wir sollten es schon aus Eigennutz tun; denn zusammenbrechende Staaten bedeuten eine Gefährdung des Friedens.
Es lohnt sich, das Interview nachzulesen.
Bevor ich selbst kommentiere, bin ich auf Kommentare von anderen gespannt.

23.8.10

Prüfungen

Ich persönlich habe etwas gegen punktuelle Prüfungen:
Da gibt es Leute mithervorragenden Fähigkeiten und chronischer Prüfungsangst, denen im patriarchalischen System noch mit Tricks zu helfen war, die aber in Prüfungsmaschinerien hoffnungslos untergehen.
Da gibt es Referendare, die sich als empathisch, informiert und engagiert erwiesen haben, in der Prüfungslehrprobe aber aufgrund von Aufregung bei einer entscheidenden Weichenstellung der Stunde total einbrechen.
Da gibt es ... zum Beispiel auch Schüler, die bei Nachprüfungen nachweisen sollen, dass sie endlich begriffen haben, dass sie Lernen und Arbeiten auch ernst nehmen müssen, die dann auch einiges davon verstanden haben und dann doch scheitern.
Ungerecht ist das Prüfungsergebnis, weil der deutliche Lernzuwachs nicht zur Geltung kommt. (Ich war selbst schon enttäuscht, wenn ich als Nachhilfelehrer erstes Interesse an einem Fach wecken konnte und dann doch die Prüfung danaben ging.) Aber: Ist nach einem Jahr unzureichender Leistungen (im vom Spiegel vorgestellten Fall in mehreren Fächern) der Nachweis, dass in einem Fach mit Nachhilfe etwas gelernt wurde, Beweis dafür, dass es im kommenden Jahr besser laufen wird als in den vorhergehenden?
Mag sein, das System von Versetzen und Sitzenbleiben ist falsch. Aber punktuelle Prüfungen werden notwendigerweise immer wieder ungerechte Ergebnisse produzieren. Ungerecht kann auch sein, dass jemand Jahr für Jahr nicht lernt und dann in den Sommerferien von hervorragenden Lehrern prüfungsfit gedopt wird.

Ein Beispiel für den Vorzug punktueller Prüfungen:
Eine Schülerin erzielte stets gute Noten in Geschichte, weil sie vor den Klausuren alles gut durchlas und dann fast auswendig beherrschte.
Beim Abitur nahm sie sich erstmals die Zeit, sich ausführlich mit einem Thema zu befassen. Sie verstand etwas Wesentliches und schnitt hervorragend ab. Seitdem beschäftigt sie sich nicht mehr mit Geschichte. - Aber, sie hat etwas Wesentliches verstanden. Dafür hat sich die Prüfung geleohnt.

13.8.10

DDR-Geschichte

Zum 17. Juni hatte ich mir Gedanken darüber gemacht, dass noch nicht genügend Überlegungen zur Didaktik der DDR-Geschichte vorliegen.
Jetzt gibt es in Brandenburg originelle Überlegungen, schon in Klasse 7 damit einzusteigen, weil man festgestellt hat, dass nur noch wenig Wissen darüber vorhanden ist. Die energische Kritik von Peter Haber teile ich nicht. Natürlich spricht viel für einen chronologischen Durchgang. Aber ich habe meinerseits Geschichtsunterricht zu Nationalsozialismus und 2. Weltkrieg in der 5. Klasse (oder war es doch erst die 6.?) erhalten, der freilich nicht dauerhaft mein Geschichtsbild bestimmt hat, aber doch geeignet war, das, was man aus Gesprächen und Medien entnahm, besser einzuordnen. In diesem Sinne halte ich es nicht für falsch, die DDR-Geschichte in der 7. Klasse aufzugreifen. Die schwierige Frage, was man dabei auswählen sollte, ist damit freilich noch nicht beantwortet.

Ich habe meinerseits in den 90er Jahren eine Auswahl von Ereignissen aus der deutschen Geschicht ab 1945 getroffen. Dass solch eine Zeittafel mit Erläuterungen (z.B. DDR, Kollektivierung der Landwirtschaft 1952, DDR-Flüchtlinge 1989) vorliegt, halte ich weiterhin für nützlich. Doch das Auswahlkriterium müsste eine Strukturierung ermöglichen. Daher weise ich nochmals auf meine Überlegungen vom 17.6.2010 hin:
Bemerkenswert finde ich deshalb die Auswahl, die Dietrich Garska in Das schweigende Klassenzimmer trifft. 1953 und 1956 als die Jahre der gescheiterten Aufstände in DDR und Ungarn. Dann erst wieder der Blick auf die Einigung. Sollte man mit dem Prager Frühling von 1968 als Parallele zur Studentenbewegung fortfahren, dann 1976 die Ausbürgerung Biermanns und die Proteste dagegen mit der Entstehung der Solidarność in Polen 1980 zusammen sehen als Vorbereitung der friedlichen Revolutionen von 1989?

Das hieße, die DDR-Geschichte vom Ende her als letztlich nicht erfolgreiche Dauerunterdrückung zu verstehen. Aber das dafür entscheidende Jahr des Mauerbaus von 1961 fehlte dann. Darf man es wagen, die DDR-Geschichte nur in DDR vor und nach dem Mauerbau zu gliedern?
Stichworte:
Zentralverwaltungswirtschaft, Fünfjahresplan, Ministerium für Staatssicherheit, Neues Ökonomisches System

8.8.10

Rousseaus Autobiographie

Ich lese gegenwärtig Rousseaus "Bekenntnisse" und stelle dazu Materialen und Textausschnitte zusammen.
Zunächst geht es mir darum, den Zugang zum Werk und zu seiner Lektüre zu erleichtern; aber es wäre natürlich auch schön, wenn eine Zusammenfassung und eine Interpretation zustande kommen könnten. (Vorarbeiten dazu liegen vor.)
Ich bin aber auch dankbar für Meinungsäußerungen aufgrund der Lektür von Kurzausschnitten, einer weit umfassenderen Ausschnittsammlung oder natürlich des Gesamttextes.

7.8.10

Noch einmal: Kommunikation heute

Der Spiegelartikel zur Internetnutzung der heutigen Jugendlichen, plakativ Null Blog genannt, hat in der Blogosühäre ein Gespräch angeregt. Martin Lindner warnt vor der Entwicklung und führt u.a. Thomas Friedman zur Rechtfertigung seiner Einschätzung an. Dann hat sich René Scheppler, der in dem Spiegelartikel "Null Blog" zitiert worden war, mit einer Präzisierung seiner Aussagen gemeldet. Schon in diesen Artikel sind Ergänzungen anderer Autoren eingegangen, die durch die dort entstandene Diskussion zum Artikel noch ergänzt werden. Recht umfassend äußert sich Herr Larbig zu der Thematik und führt weitere Stellungnahmen zum Thema an.

Wie immer sagt er recht Bedenkenswertes. Dennoch glaube ich, dass hier recht viel Analysearbeit in ein Thema gesteckt wird, das für Unterrichtsverbesserung nicht die entscheidende Rolle spielt. Das Entscheidende scheint mir, dass die Aufgaben, die sich bei der Erarbeitung von Themen und beim Erwerb von Fähigkeiten eine Rolle spielen, sich nicht wesentlich geändert haben. Nur recherchiert man heute anders, spielt die Einschätzung der Relevanz eines Textes eine größere Rolle und führt eine größere Kompetenz beim technischen Umgang mit einem Medium beim Lerner leichter zu der Vorstellung, dass die in der Schule vermittelten Kompetenzen unwichtiger seien.

Studie des Bredow-Instituts: Jugendliche und Web 2.0 ; der Blog zur Studie

3.8.10

Kommunikation heute

Unter dem Titel "Wie die Generation Y kommuniziert" stellt Armin Trost ein Experiment vor, in dem acht seiner Studenten eine Woche lang auf Internet und Handy verzichteten.

Es stellt sich vor allem heraus:
- Treffen müssen geplant werden, während man zusammen ist.
- Man muss alle Personen einzeln anrufen, kann nicht eine Gruppe gemeinsam ansprechen.
- Recherchen sind viel schwerer möglich.
- Das zeitlich festgelegte Fernsehprogramm bietet eine geringere Auswahl und ist daher weniger attraktiv.
- Da vieles nicht möglich ist, ist man mehr auf sich geworfen und hat mehr Zeit, in der man nicht durch Kommunikation abgelenkt ist.

Das ist stark verkürzt. Insbesondere werden auch durch der Kommentare von Angehörigen der Generation Y Differenzierungen erkennbar.

Das Kommunikationsverhalten ist gewiss, aber nicht nur eine Generationenfrage. Meine Kinder (alle um 30 Jahre) z.B. machen sich Gedanken darüber, ob ihr Vater nicht zu viel im Internet ist.

Nachtrag vom 4.8.
Im neusten Spiegel findet sich nun der Hinweis, dass die neuste Internetgeneration nicht bloggt und nicht twittert (bereits bekannt) und dass ihr das Internet nicht wichtig sei (nach den angeführten Beispielen über Facebooknutzung nicht völlig überzeugend). Mehr schreibe jetzt  ich nicht dazu. Dafür steht viel zu Interessantes bei Herrn Rau zu diesem Thema. 

29.7.10

Konferenz über Wandel zur Nachhaltigkeit

Zur Utopia-Konferenz am 28. und 29. Oktober 2010 sind neben internationalen Größen aus Deutschland René Obermann (Telekom), Renate Künast (Die Grünen), Harald Welzer oder Prof. Dr. Schaltegger (Sustainable Management Center) eingeladen.
Ich hoffe darauf, dass dabei ein Stück Wir-Identität als Voraussetzung für zukunftsorientiertes Handeln entstehen kann. Schon jetzt kann man sie durch Mitarbeit in lokalen Initiativen und Teilnahme an Internetaufrufen pflegen. (Die Organisation Avaaz hatte vor kurzem Erfolg mit einer Kampagne für ein Antikorruptionsgesetz in Besilien.)

27.7.10

Wir-Identität (2)

Dietmar Hansch unternimmt in "Sprung ins Wir" einen Versuch aus systemischer Sicht, Gesellschaft neu zu denken und stellt Fragen wie "Sollte man den Sozialstaat nicht so organisieren, dass er statt Konsumgütern überwiegend Bildungs- und Kulturgüter zur Verfügung stellt [...] Wie können wir das politisch-administrative System derart neu konzipieren, dass es wahrhaft demokratisch einen stärkeren Gemeinwillen hervorbringt?"
Das bietet einen psychotherapeutischen Ansatz zu der Aufgabe, die ich in einem früheren Beitrag formuliert habe: eine zukunftsgerichtete Wir-Identität zu erreichen.

20.7.10

Patente auch auf konventionell gezüchtete Pflanzen?

Vor dem Europäischen Patentamt geht es jetzt um die Aufhebung von Patenten auf Brokkoli (2002) und Tomaten (2003).
Es geht darum, die auf konventionell gezüchtete Pflanzen vergebenen Patente aufzuheben. Wenn sie zulässig blieben, käme damit Zucht durch den mittelständischen Betrieb weitgehend zum Erliegen, wiel diese Betriebe nicht die teuren Patente für Pflanzensorten bezahlen könnten, die sie zur Zucht brauchen.
Schon 1000 Patente für konventionell gezüchtete Pflanzen sind beim Europäischen Patentamt angemeldet.
(vgl. auch den Bericht in ZEIT online v. 20.7.2010)

19.7.10

Wir-Identität als Voraussetzung für zukunftsorientiertes Handeln

Das gegenwärtige politische Weltsystem scheint unfähig, in angemessenen Fristen das Finanzsystem wieder unter Kontrolle zu bringen und Umweltkatastrophen wie der Ölverschmutzung im Golf von Mexiko oder der Überschreitung der Zwei_Grad-Grenze bei der atmoshärischen Erwärmung zu begegnen.
Angesichts dieser Situation betonen Leggewie und Welzer:
Wenn Erfolg, Status und Besitz die hauptsächlichen Identitätsressourcen sind, dann ist die Identität in Gefahr, wenn herkömmliche Erfolge ausbleiben und Status und Besitz zerrinnen. [...] Ohne einen Fluchtpunkt der Wir-Identität, der in der Zukunft liegt, wird man kein neues kulturelles Projekt entwickeln können, das die Probleme und Krisen, die sich längst aufgetürmt haben, angehen, geschweige denn lösen könnte.
Erfolgreich gehandelt werden könne nur,wenn man sich auf eine zukünftige Wir-Identität beziehe:
Bei »uns« ist niemand so blöd, mit einem Geländewagen durch die Stadt zu fahren, »wir« fliegen nicht viermal im Jahr sinnlos irgendwohin, bei »uns« gibt es ein großartiges öffentliches Verkehrssystem, »wir« haben eine emissions-freie Schule.
Claus Leggewie/Harald Welzer: Das Ende der Welt, wie wir sie kannten. Klima, Zukunft und die Chancen der Demokratie, Bonn 2010, S.234/35

Das Internet bietet Chancen, gemeinsame Aktionen vieler Minderheiten über Ländergrenzen hinweg zu organisieren. Dazu gehören außer den bekannten Nichtregierungsorganisationen z.B.

Avaaz
eine internationale Organisation, die politische Kampagnen in Bereichen wie Klimawandel, Menschenrechte und Entschärfung religiöser Konflikte organisiert, mit im Mai 2010 fast fünf Millionen Mitgliedern. Die Organisation arbeitet bisher in 14 verschiedenen Sprachen.
(Vor kurzem hatte Avaaz Erfolg mit einer Kampagne für ein Antikorruptionsgesetz in Besilien.)

Campact - Demokratie in Aktion
ein 2004 gegründetes ein Internet-basiertes Beteiligungsforum mit Sitz in Verden (Aller) und über 200 000 Mitgliedern

Rettet den Regenwald e.V.
ein 1986 gegründeter Verein, der sich für Wälder, deren Bewohner und deren Lebensräume einsetzt. Er hat etwa 5000 Fördermitglieder.

Wenn es gelingt, über solche Aktionen eine zukunftsgerichtete Wir-Identität zu erreichen, dann wird das Ende der Welt, wie wir sie kannten, bedeuten and I feel fine (YouTube)

Weitere Überlegungen zu die Einzelperson übergreifenden Identitäten finden sich unter Identitätsbewusstsein. Vgl. auch meinen neueren Beitrag zu Hansch.

12.7.10

Odenwaldschule zum Jubiläum in der Krise

Eine Schule mit großer Tradition feiert 100-jähriges Jubiläum und ehemalige Schüler berichten öffentlich vom Missbrauch. "Ich wurde erzogen, mit Erwachsenen ins Bett zu gehen",
berichtet ein Altschüler. Wahrheit hat man sich - wie in den südafrikanischen Wahrheits- und Versöhnungskommissionen - zum Ziel gesetzt; doch die Täter bleiben fern. Einer der Haupttäter ist kurz zuvor nach langem Leiden gestorben
Experten diskutieren darüber, wie es weitergehen könnte. Altschüler beraten. Letztlich aber bleibt die Schule allein mit der Aufgabe, ihr pädagogisches, ihr finanzielles und ihr Image-Problem zu lösen. "Wir waren mehr mit uns selbst beschäftigt als mit den Kindern", konstatiert einer der ehemaligen Kollegen. Mit uns selbst? Es waren auch damals schon diese drei Probleme, mit denen Schulleitung und Kollegium auch fertig werden mussten. Nicht zuletzt das Image-Problem hat zum Zeitpunkt der Haupttaten in den 80er-Jahren und dann nach der Aufdeckung Ende der 90er Jahre verhindert, dass zureichende pädagogische Lösungen für die Probleme von Schülern und missbrauchten ehemaligen Schülern gefunden werden konnten.
Wie in meinen früheren Beiträgen kann ich nur Probleme andeuten, von einem festen Konzept, wie Internate mit dem Problem umgehen sollen, dass pädagogisch sowohl Nähe wie auch eine Mindestdistanz notwendig sind, bin ich weit entfernt.
Insofern hat man es an Tagesschulen leichter. Aber Kindern, denen die Erziehung der Eltern fehlt, kann man so nur sehr bedingt das geben, was sie brauchen.

Nachtrag vom 17.7.:
Hinweise auf Missbrauchsfälle aus den Anfängen der Schule hat Christl Stark in einer Dissertation von 1998 aus Elternbriefen zusammengetragen.
Eine kritische Bewertung der Reformpädagogik von Oelkers findet eine Replik von Herrmann.
Nachtrag vom 4.8.:
Benno Hafeneger nimmt einen Standpunkt zwischen den Parteien ein. Mir gefallen seine Reflexionen 1 - 3 gut, 4 und 5 treffen auch Wichtiges, doch 'vielfach überzogene Wortpolitik' scheint mir gegenüber der Reformpädagogik der letzten Jahrzehnte ein etwas zu kritisches Urteil.

Nachtrag vom 16.11.2014:
von Hentig über die Vorwürfe sexuellen Missbrauchs an der Odenwaldschule und sein Verhältnis zu Gerold Becker, 14.3.2010
Michael Buselmeier: Ein großer Leidender, freitag, 24.3.2011
Philipp Eppelsheim über Die Wahrhaftigkeit und Hartmut von Hentig, FAZ, 23.10.2011
Hartmut von Hentig: Ein Klärungsversuch, Forum Kritische Pädagogik, 23.11.2011

10.7.10

Lernen in der Schule und Lernen in Web 2.0

Lernen in der Schule ist auf die Ausweitung individueller Kenntnisse und Fähigkeiten ausgerichtet. Das Web 2.0 legt den Schwerpunkt auf gemeinsame Reflexion und Infragestellung. Das Ziel ist weniger die Absicherung der individuellen als die Ausweitung der gemeinsamen Fähigkeiten.
So meine Kurzzusammenfassung des Blogbeitrags Web 2.0 vs. Bildungssystem: Ein Widerspruch? von Anne-Katrin Gaußer und Lisa Peters, auf den ich hier hinweisen möchte. (Dieser Beitrag referiert seinerseits den von Nina Dohn im International Journal of Computer-Supported Collaborative Learning.)

Ich verzichte darauf, meinerseits diese beiden Artikel zu referieren, sondern möchte von ihnen ausgehend kurz ein paar Thesen aufstellen:

  1. Die westlichen Gesellschaften sind stark individualistisch orientiert. 
  2. Das gilt besonders für die globalisierte Marktwirtschaft.
  3. In den Betrieben wird zwar Teamfähigkeit und Teamarbeit verlangt, die Anpassungsleistung wird aber vom Individuum erwartet, das Arbeitsplatzrisiko bleibt individuell.
  4. Solange das so ist, bleibt es Aufgabe des Bildungssystems, dem Einzelnen zur möglichst weitreichenden Entfaltung seiner Fähigkeiten zu helfen.
  5. Die Gesellschaft ist aber auf Kooperation angewiesen. (So haben die Finanzkrise seit 2007 und mehr noch der Klimawandel gezeigt, dass sogar alle Staaten zusammenarbeiten müssen, um die Risiken der globalisierten Wirtschaft auf ein erträgliches Maß zu beschränken.)
  6. Deshalb ist neben einem an individuellen Fähigkeiten orientierten Lernen (vgl. Bildungsstandards) auch kooperatives Lernen erforderlich.

1.7.10

Was ist ein Weblog?

In seinem neusten Beitrag fordert Peter Haber in histnet einen narrativen Charakter an, wenn er etwas als Weblog anerkennen will. Benutzung einer Blogsoftware reiche nicht aus.
So sehr ich ihm bei letzterem zustimme, so sehr zweifle ich am ersten. Oder wo sieht er bei einer Zusammenstellung kommentierter Gedichte oder Lesefrüchte den narrativen Charakter?

Interessant ist auch die Diskussion, die sich an den Blogbeitrag anschließt. So zitiert Jan Hodel in seinem Kommentar Jan Schmidt mit seiner Definition:
"Weblogs (auch Blogs) sind relativ regelmässig aktualisierte Webseiten, auf denen die Beiträge (zumeist Texte, aber auch Fotos, Videos oder Audiodateien) in rückwärts chronologischer Reihenfolge angezeigt werden. In der Regel sind die einzelnen Beiträge von anderen Nutzern kommentierbar, sodass Weblogs Merkmale der Homepage und des Diskussionsforums vereinen ..."
Den narrativen Tagebuchcharakter will er nur den Blogs der frühen Stunde als konstitutives Merkmal zuerkennen.
Meine Position: Eine Presseschau ist aus meiner Sicht in der Tat kein Weblog. Diese Ausgabe des Briefwechsels von Goethe und Schiller möchte ich aber zu den Blogs rechnen. so sehr ihr Inhalt natürlich ein Briefwechsel ist.

29.6.10

Biosprit macht Hunger

Es gibt manche Möglichkeiten, aus Biomasse Energie zu gewinnen.
Die bekannteste ist natürlich das Verbrennen von Holz, außerdem war lange die Produktion von Holzkohle die Voraussetzung für die Gewinnung von Metall aus Erzen. Ebenfalls seit Jahrtausenden wird der Kot von Tieren als Brennmaterial verwendet, besonders von Nomaden, die ihn nicht als Dünger verwenden können. Aber auch in holzarmen Gegenden wird er so eingesetzt, z.B. recht häufig in Indien. Zwar geht damit natürlicher Dünger verloren, wenn aber dadurch vermieden wird, dass die letzten Pflanzen ausgerottet werden, wird es trotzdem sinnvoll sein.
In letzter Zeit wird die Produktion von Biogas propagiert. So können landwirtschaftliche Abfälle und Wildpflanzen zur Energiegewinnung eingesetzt werden.
Umweltschützer waren von solch nachhaltiger Energieproduktion so fasziniert, dass sie sich auch eine Möglichkeit, damit in größerem Umfang Erdöl einzusparen versprachen. Denn wenn man pflanzliche Rohstoffe als Ausgangsstoff für die Herstellung von Kraftstoff einsetzte, dann gelänge es, fossile Rohstoffe, deren Erneuerung Jahrmillionen braucht, durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen.
Alkohol, umweltfreundlicher Bioethanol genannt, lässt sich aus stärkehaltigen Pflanzen wie Mais, Weizen und Zuckerrohr gewinnen, Biodiesel aus ölhaltigen Pflanzen wie Soja, Raps und Ölpalmen. Solche umweltfreundlichen Produkte wurden auch sogleich subventioniert, so dass z.B. in Brasilen Alkohol schon zum vorherrschenden Kraftstoff geworden ist.
Was man in der ersten Begeisterung nicht genügend beachtet hatte, war, dass es hier nicht mehr um landwirtschaftlichen Abfall ging, sondern um hochwertige Nahrungsmittel, die so der Lebensmittelproduktion entzogen wurden. In der EU mit ihrer landwirtschaftlichen Überproduktion mochte das Sinn haben, doch ganz gewiss nicht in Brasilien, wenn dafür Regenwald gerodet wurde, um angeblich nachhaltigen Treibstoff zu produzieren. (In Brasilien nimmt die Anbaufläche für Agrarkraftstoffe inzwischen eine Fläche dreimal so groß wie Deutschland ein.)
Dass inzwischen so viel Anbaufläche für Agrarkraftstoffe verbraucht wird, hat erheblich zur Steigerung der Lebensmittelkosten beigetragen. (Je nach Land wird der Anteil der Steigerung der Lebensmittelpreise seit 2005, der auf reduzierte Anbauflächen zurückgeht, auf 30% bis 70% geschätzt.) Dabei liegt das Einsparpotential von Agrarkraftstoffen gegenüber Erdöl nur bei 10 - 30 Prozent. Effektiver wäre es, Einsparmöglichkeiten über Beendigung der Subventionierung des Flugverkehrs, über Kraftfahrzeuge mit geringerem Verbrauch und durch Einsatz von Solarstrom zu unterstützen.
Der brasilianische Theologe Frei Betto kritisiert diese Politik daher sehr energisch: "Angesichts des Hungers in der Welt ist die Produktion von Agrosprit unverantwortlich und unmenschlich."

Literatur:
Caritas International (Hrsg.): Volle Tanks - leere Teller - Der Preis für Agrarkraftstoffe: Hunger, Vertreibung, Umweltzerstörung, Lambertus 2007

Link:
http://www.biofuelwatch.org.uk/

Ein (kleines) Handlungsangebot:
Dies  Flugblatt zur Weitergabe an Tankstellenpächter kann man auch bei  Regenwald.org herunterladen.

28.6.10

Hilft Gentechnik gegen Hunger?

Im Weltagrarbericht von 2008 betonen 500 Wissenschaftler, dass Gentechnik den Hunger vieler Kleinbauern vergrößert habe. Wie das?

Gentechnik ermöglicht es, gezielt Pflanzen zu züchten, wie es durch traditionelle Zucht nicht möglich war. Man kann Genabschnitte von Fischen in Tomaten, von Bodenbakterien in Mais und von Cholera-Erregern in Kartoffeln einbauen, um die gewünschten Pflanzeneigenschaften zu erzielen. Da diese Gentechnik vornehmlich eingesetzt wird, um Agrarpflanzen zu verändern, um im Sinne der "Grünen Revolution" höhere Erträge und geringere Schädlingsanfälligkeit zu erreichen, spricht man auch von "Grüner Gentechnik".
Im Wesentlichen werden bisher vier gentechnisch veränderte Pflanzensorten in größerem Stil angebaut: Mais, Soja, Baumwolle und Raps. Insgesamt werden auf 7,5% der Weltacherfläche gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut, davon 80% in den USA, in Brasilien und Argentinien. In Europa werden nur der Genmais MON 810 und die Amflora Kartoffel des Cemiekonzerns BASF angebaut. Inzwischen ist der Anbau von Genmais in mehreren EU-Ländern, darunter auch Deutschland, verboten worden. Warum das, wo er doch Gift produziert, das Maisschädlinge abwehrt?
Der Hauptgrund ist der, dass Genmais letztlich unkontrollierbar auch andere Pflanzensorten verändert. In Mexiko ist inzwischen das Erbgut von einem Drittel der Maissorten verändert worden, obwohl in weitem Umkreis kein Genmais angebaut wird. Der Grund ist unbekannt.
Es darf spekuliert werden. Mag sein, dass beim Verladen von Saatgut kleine Mengen von Genmais zwischen die traditionellen Maissorten geraten (man spricht von "technisch unvermeidbarer Beimischung") und nach der Aussaat durch Pollenflug die veränderten Gene verbreiten. Tatsache ist nur, dass Genabschnitte von Genmais unvermutet in natürlichem Mais auftraten.

Warum ist das so problematisch?
Der schädlingsresistente Mais wirkt nicht nur gegen Schädlinge, sondern auch gegen Bodenbakterien und auf Bienen, die für die Bestäubung vieler Agrarpflanzen wichtig sind. Zudem ist die Unschädlichkeit von Genmais nicht abgesichert. Immerhin hat auf den Philippinen die Zahl der Atemwegserkrankungen zur Zeit der Maisernte zugenommen, seit dort Genmais angebaut wird. Jedenfalls berichtet das das Londoner Institut "Science in Society". Es kann sich aber auch um ein zufälliges Zusammentreffen handeln.
Wegen dieser Unsicherheit besteht in Deutschland eine Kennzeichnungspflicht für pflanzliche Lebensmittel, in denen mehr als 0.9% gentechnisch veränderte pflanzliche Bestandteile enthalten sind. Das gilt aber nicht für tierische Produkte. Daher werden Tiere in konventioneller Haltung meist bedenkenlos mit gentechnisch verändertem Kraftfutter gefüttert.
In Deutschland bestehen strenge Regeln für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen. So muss der Anbau drei Monate vor der Aussaat an das Anbauregister gemeldet werden, und im Internet kann man auf einer Karte einsehen, wo gemtechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden. Dagegen ist freilich geklagt worden. Denn es ist schon vorgekommen, dass Gegner gentechnisch veränderte Pflanzen zerstört haben.
In manchen Entwicklungsländern greifen freilich Verbote kaum, so dass es dem Konzern Monsanto gelungen ist, durch Billigangebote sein Saatgut in Ländern einzuführen, wo es offiziell verboten ist.

Literatur:
  • Buntzel, Rudolf, Suman Sahai (2005): Risiko: Grüne Gentechnik. Brandes & Apsel Verlag GmbH
Links:
www.gendreck-weg.de
www.bvl.bund.de (Standortregister zu Feldern mit Genplanzen in Deutschland)
www.bantam-mais.de

Dieser Beitrag ist unter Benutzung des Infoblatts Grüne Gentechnik von Inkota und des Wikipediaartikels Grüne Gentechnik entstanden. 

26.6.10

Biologische Vielfalt

In Indien gab es um 1900 noch etwa 100 000 verschiedene Reissorten. Um 1970 gab es dort nur noch 12 Sorten, die in nennenswertem Umfang angebaut wurden. Aufgrund der "Grünen Revolution" (landwirtschaftlicher Produktion mit industriellen Standards) sind ca. 75 Prozent der Nutzpflanzenarten verschwunden. Ein wenig davon wird uns auch in Deutschland beim Apfelkauf bewusst. Statt der ursprünglich 2 500 deutschen Apfelsorten sind jetzt trotz (bzw. wegen) des internationalen Marktzugangs nur noch 30 Sorten im Handel.
Doch der Artenrückgang in Europa ist relativ harmlos. Problematisch ist besonders der in den zwölf Megabiodiversitätsländern wie z.B. Mexiko, in denen 70-80% der Arten der Welt zu Hause sind.
Nur "immer wieder neu gekreuzt, geerntet und wieder ausgebracht, entwickeln sich Pflanzen so weiter, dass sie angepasst bleiben an Klimawandel, an neue oder sich wandelnde Pflanzenarten oder Schädlinge." (Inkota Infoblatt Biologische Vielfalt, S.2)
Auf dem Weltgipfel von Rio de Janeiro 1992 wurde auch eine Konvention über Biologische Vielfalt (CBD) beschlossen. Das traditionelle Wissen indigener Gemeinschaften und Zuchtleistungen traditionell arbeitender Bauern sind darin anerkannt. Doch Patentierung von Pflanzenarten ist darin nicht ausgeschlossen. Besonders die grüne Gentechnik  könnte zu hunderten von Patenten auf Pflanzen führen.

Zusammenfassung von neueren Meldungen von UN und anderen 13.7.2010:
Unternehmen tragen bei zu Artensterben und Umweltverschmutzung. Die Scäden gehen in die Billionen.

24.6.10

Biopiraterie

Biopiraterie ist ein polemischer Begriff, der sich darauf bezieht, dass sich Konzerne Pflanzen, Tiere und deren Gene patentieren lassen, die in vielen Jahrhunderten oder Jahrtausenden von regionalen Gemeinschaften entdeckt oder gezüchtet worden sind.
So haben sie erreicht, dass Hunderttausende von Kleinbauern daran gehindert wurden, das in ihrer Kultur entwickelte Saatgut weiter zu züchten, und dass sie so in den Ruin getrieben wurden.
Anders als beim Land Grabbing wird bei Biopiraterie freilich keine Gewalt eingesetzt, und der Anfang ist von wissenschaftlicher Forschung gar nicht zu unterscheiden:
Wissenschaftler besuchen bisher unerforschte Gebiete - besonders erfolgreich sind sie wegen seiner Artenvielfalt im Regenwald - und befragen die Einheimischen, zum Teil Menschen, die noch im Steinzeitalter leben, nach ihren traditionellen Heilmitteln. Dann kaufen sie einzelne Exemplare bzw. tauschen sie ein, sie sind ja keine Diebe, und untersuchen sie im Labor auf die enthaltenen Wirkstoffe.
Sie sinddoch rechte Helfer der Menschheit, da sie ein Geheimwissen, das früher nur wenigen hundert oder tausend Menschen zur Verfügung stand, der ganzen Menshheit zugute kommen lassen - bzw. dem Teil der Menschheit, der die daraus entwickelten Präparate bezahlen kann.
Dass der Konzern, der diese Arbeit finanziert, daran verdienen will, muss man doch verstehen. Und der Einheimische ist ja bezahlt worden. Nicht wie früher mit Glasperlen, nein mit 50 Dollar oder gar 100 Euro, die der Einheimische erhält, wenn der Konzern seine 50 Millionen oder 2 Milliarden Dollar (oder Euro) Gewinn macht.
Was soll daran falsch sein?

In einzelnen Fällen gibt es freilich Ausnahmen. Das Europäische Patentamt hatte bereits ein Patent auf das Öl des indischen Niembaumes erteilt, das in Indien seit Jahrtausenden als natürliches Pflanzenschutzmittel verwendet wird. Doch dann kam es zu Protesten, bei denen auch Vandana Shiva, Trägerin des Alternativen Nobelpreises von 1993, mitwirkte. Ihre Kritik ist ganz grundsätzlich:
Nachdem der Kolonialismus in seiner ersten Auflage Kontinente erobert und ihre ursprünglichen Bewohner überfallen, ausgebeutet und versklavt habe, wende sich der neue Kolonialismus den Innenräumen der Körper zu. Leben dürfe nicht privatisierbar und patentierbar werden.
Inzwischen ist das Patent aufgehoben und das "geistige Eigentum" des Konzerns am heiligen Öl der Inder gilt nicht mehr.
Ob der Fall Schule macht? Wenn die Betroffenen keinen Druck aufbauen, wird das Europäische Patentamt sicher weiter den Konzernen solche Patente erteilen. (Zum Fall Basmatireis sieh hier!)

Literaturhinweis:
Michael Frein, Hartmut Meyer: Die Biopiraten. Milliardengeschäfte der Pharmaindustrie mit dem Bauplan der Natur. Berlin 2008, ISBN 978-3-430-30022-3

Links:
Kampagne gegen Biopiraterie
Kein Patent auf Leben

Patente auf Algorithmen und Leben  (Seite des Netzwerks Freies Wissen)

23.6.10

Landraub in Wildwestmanier

Was wir aus dem Kolonialismus kennen, die Aneignung des Besitzes anderer Völker, die in Nordamerika zur Vertreibung und beinahe völligen Vernichtung der indianischen Urbevölkerung geführt hat, wiederholt sich gegenwärtig unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts hundertfach.
Land wird ohne Berücksichtigung der Menschen, die auf dem Land leben und es für ihren Lebensunterhalt brauchen, aufgekauft über Kaufverträge, von denen die Besitzer des Landes erst hören, wenn sie längst abgeschlossen sind und es schon an die Vertreibung der Besitzer geht. (land grabbing)
In den letzten viereinhalb Jahren sind über zwanzig Millionen Hektar Ackerland in Afrika, Asien und Lateinamerika an ausländische Investoren verkauft oder auf mehrere Jahrzehnte hin verpachtet worden (für die Zeit von 2006 bis 2009 liegen die Schätzungen zwischen 22 und 50 Millionen Hektar). Aussagekräftig werden für uns die Zahlen, wenn wir bedenken, dass die Ackerfläche der gesamten erweiterten Europäischen Union gegenwärtig 97 Millionen Hektar beträgt. Wenn sich die Investoren auf die EU konzentriert hätten, wäre also in vier Jahren die gesamte Ackerfläche Deutschlands, Frankreichs und der Beneluxländer in ausländischen Besitz übergegangen.

Wer kauft Land?
Das sind zum einen Länder, mit industrieller Entwicklung, deren landwirtschaftliche Produktion nicht ausreicht, ihre Bevölkerung zu versorgen und die sich so autark machen wollen. Dazu gehören insbesondere einiger reiche Golfstaaten, Südkorea und China. So wird gegenwärtig aus Äthiopien, dessen Bevölkerung stark vom Hunger bedroht ist, in großem Umfang Reis von Farmen in saudiarabischen Besitz nach Saudiarabien geliefert.
Private Investoren aus den Industriestaaten konzentrieren sich vor allem auf den Anbau von Energiepflanzen, um Agrarkraftstoffe als Ersatz für das knapper werdende Erdöl zu produzieren. Dabei tut sich besonders die schwedische Firma Sekab hervor, die in Mosambik auf über 100 000 Hektar Energiepflanzen anbauen will.
Agrarland wird aber auch von Spekulanten (besonders Banken und Investmentfonds) gekauft, die im Zuge der Finanzkrise auf Objekte umsteigen wollen, die langfristig knapper werden. Je mehr Spekulanten einsteigen, desto schneller steigen die Preise und desto eher lohnt sich ihre Investition.

Sind Investitionen in die Landwirtschaft etwa nicht sinnvoll?
Wenn es darum ginge, mehr Nahrungsmittel für die Bevölkerung der Länder in Hungerregionen zu produzieren, wären sie ein Segen. Statt dessen wird das Kapital verwendet, um Land der Nahrungsmittelproduktion zu entfremden.
Dabei lässt sich der Vorwurf nicht allein einigen Investoren der letzten Jahre machen. Insgesamt ist der Anteil der Entwicklungshilfe von OECD-Ländern, der in landwirtschaftliche Hilfe gesteckt wird in den letzten 25 Jahren von 17 auf 4 Prozent zurückgegangen.

Was wird gegen diese Entwicklung getan?
Die G8-Staaten und die Weltbank planen gegenwärtig zusammen mit der Agrarindustrie Prinzipien zur Regulierung solcher Investitionen. Dabei soll freilich das Freiwilligkeitsprinzip gelten. Daraus kann man schließen, dass es primär um eine PR-Maßnahme der Agrarindustrie geht.
Die Organisation Inkota, von der ich meine Informationen habe, macht durch Aktionen auf den Landraub aufmerksam und unterstützt in Mozambik ORAM, einen Verband von Bauernorganisationen, in Landrechtsfragen, um sie vor Landraub/land grabbing zu schützen.

Links:
Ausführliche Information zu "land grabbing" (englisch)
Aufruf zu Protest gegen Ausverkauf von Ackerland von Kleinbauern

21.6.10

Was ich nicht weiß

Beim Besuch der Ausstellung "abgeerntet" der  entwicklungspolitischen Organisation Inkota habe ich erfahren, dass ich zu einigen Themen viel zu wenig weiß. Demnächst werde ich daher in Blogartikeln darüber informieren, was ich bis dahin über die unten angegebenen Themen und einige andere gelernt haben werde und nach und nach Links zu diesen Artikeln  (Kurzinformation) und zu Organisationen, die sich mit diesen Themen beschäftigen, hier ergänzen. Zunächst verweise ich nur auf Info-Blätter von Inkota zu folgenden Themen:
Hier Hörbeiträge zum Thema der Ausstellung. Man kann sie übrigens bei Inkota bestellen.

Blogbeiträge:
Recht auf Nahrung und Ernährungssouveränität: Recht auf Überlebenskampf ohne Gewalt
Land Grabbing: Landraub in Wildwestmanier
Biologische Vielfalt
Biopiraterie
Hilft Gentechnik gegen Hunger?
Biosprit macht Hunger 

Links:
Ausführliche Information zu "land grabbing" (englisch)
Aufruf zu Protest gegen Ausverkauf von Ackerland von Kleinbauern
Internationale Organisation von Kleinbauern zum Kampf für Ernährungssouveränität (englisch)
Nyéléni 2007 - Forum for Food Sovereignty. 23rd - 27th February 2007. Sélingué. Mali
Food First

Eine ausführliche Darstellung zu diesem Themenkomplex findet sich in:
Wilfried Bommert: Kein Brot für die Welt. Die Zukunft der Welternährung. Riemann Verlag (München) 2009. Orig.-Ausg., 1. Auflage. 351 Seiten. ISBN 978-3-570-50108-5