30.8.09

Wie man eine Elite einkauft

In den USA gibt es wie in Europa Akademikerarbeitslosigkeit. Besonders schlimm ist es aber mit dem akademischen Nachwuchs. Wem früher die Habilitation offen stand, für den ist es heute schwer, ein Promotionsstipendium zu bekommen. Glücklicherweise gibt es nun aber in den USA eine Stiftung, die großzügige Promotionsstipendien vergibt, richtige Gehälter, von umgerechnet $ 10 000 im Jahr. Und außerdem arbeitet sie mit einem Institut zusammen, das hervorragende Arbeitsbedingungen bietet: großzügig ausgestattete Labors, die leistungsfähigsten Computer. Natürlich fördert sie nur die begabtesten Studenten, Leute, die in einer normalen Studienzeit zwei bis drei verschiedene Studien abschließen und nebenher noch Zeit zur Einarbeitung in Spezialgebiete finden. Aber auch für den Begabtesten der Begabten sind solche Stipendien natürlich hochattraktiv. So auch für D., mit 23 Jahren bereits Absolvent zweier naturwissenschaftlicher Studiengebiete, außerdem Spezialist für Computer und Laser. Befreundet mit der Studentin E., mit der ihn das politische Engagement gegen die atomare Rüstung verbindet. - Das neue Institut, an dem er arbeitet, steht etwas abseits. Man kann sagen in der Wüste. Seine Freundin kann er nur noch an Wochenenden sehen, wenn überhaupt. Was er ihr vom Computer vorschwärmt, dem leistungsfähigsten, den er, der Computerexperte, je gesehen hat, kann sie nicht verstehen.
Ihre Frage: "Wofür arbeitest du denn?" kann er nicht verstehen, wo doch die Arbeit so hochinteressant und faszinierend ist. Doch antwortet er ihr und versucht ihr die Faszination des Computerprogramms, das er entwirft, klarzumachen. Sie versteht das Programm nicht, aber sie sieht, dass er fasziniert ist. Ihn interessiert ihre politische Arbeit nicht mehr so, das Programm, sein Programm, hat ihn gepackt. Wie Hunderte hochbegabter junger Wissenschaftler (meist unter 30) in diesem Institut lebt er ganz der Arbeit. Nur noch zum Essen verlässt er kurz den Computer. Schnell zum Kühlschrank, ein Brot mit Erdnussbutter bestrichen und weiter. Seine Freundin wird eifersüchtig - auf das Programm. Sie stellt fest, was er inzwischen auch weiß, dass das Institut ganz auf militärische Forschung ausgerichtet ist. Er arbeitet am Star-Wars-Programm (Strategig Defence Initiative - DSI). Sie stellt ihn zur Rede, erinnert ihn an ihre gemeinsamen politischen Überzeugungen - von früher. Er spricht von der Faszination des Programms. Sie hadert mit ihm. Da gelingt ihm der Durchbruch. Der Superlaser, der Laser, der feindlichen Raketen vernichten kann! Er hat ihn erfunden. Präsident Reagan kann seine berühmte Star-Wars-Rede halten. Und er - noch nicht dreißig - erhält höchste wissenschaftliche Anerkennung. Wäre seine Erfindung nicht für das Star-Wars-Programm, er erhielte sicher den Nobelpreis dafür. Die Geschichte - ein modernes Märchen - ist wirklich geschehen. Die E., seine Freundin, hat sie erzählt. Natürlich ist die Freundschaft jetzt zerbrochen. Doch nicht nur das ist es, was sie bekümmert: Die Höchstbegabten des ganzen Landes werden eingekauft, für £ 30.000 pro Stück, eigentlich ganz preiswert. Sie werden geködert mit dem faszinierenden Supercomputer. Und benutzt für die Rüstungsindustrie.

Um die Arbeitslosigkeit, um den Umweltschutz, um die Dritte Welt mögen sich die Zweitklassigen kümmern. Unsere Elite gehört dem Computer und der Rüstung. Sie meinen, so leicht sei es nicht, Menschen einzukaufen? Sind Sie so sicher? Sind Sie jung, intelligent und computerbegeistert, mit Geld etwas verwöhnt, aber im Augenblick noch ohne Stellung? Etwa ein Viertel aller Wissenschaftler der Welt (manche Schätzungen liegen bei einem Drittel) arbeitet direkt oder indirekt an Rüstungsprojekten mit.

Computer und Arbeitslosigkeit

Tausende von Problemen werden mit dem Computer wie spielerisch gelöst; aber die Arbeitslosigkeit zu verhindern, die er schafft, weil er viele Menschen als Problemlöser arbeitslos (redundant, d.h. scheinbar überflüssig) macht, diese Arbeitslosigkeit zu verhindern gelingt ihm nicht. Genauer gesagt: sie ist ein Problem, mit dem die Menschen nicht fertig werden, nicht trotz der Computerhilfe, sondern wegen ihr. Weil sie mit dem Computer nicht fertig werden.

Umweltschutz und Computer

Als der Mensch die Erde zu seiner Sklavin machte, zerstörte der Mensch auch immer mehr ihre Fähigkeit, für sich selbst Vorsorge zu treffen. Er übernahm die Verantwortung, die Natur zu lenken, eine Verantwortung, von der wir heute wissen, dass er sie nicht tragen kann. Umweltschutz ist der Versuch, die Selbststeuerung der Natur wiederzugewinnen. Wir wissen nicht, ob die Tatsache, dass er so wenig Fortschritte macht, nicht vielleicht bedeutet, dass es schon zu spät ist. Die Rohstoffe sind nahezu erschöpft, und das Gleichgewicht der Natur ist erheblich gestört. Da kommt mit den Mikroprozessoren, mit dem Chip, mit dem Computer plötzlich die Chance, Produktivität zu erhöhen, ohne vermehrt Rohstoffe zu verheizen. Die Möglichkeit, Vorgänge berechenbar und damit beherrschbar zu machen, die vordem zu kompliziert dafür erschienen. Die Rettung.

Christentum und Fortschritt

Während viele Kulturen in Kreisläufen denken, an die ewige Wiederkehr des prinzipiell Gleichen, kennt das Christentum einen Zielpunkt der Geschichte. Ob man dabei mehr das Jüngste Gericht oder das Kommen des Herrn im Blick hatte, ein Ende war vorgegeben. Mit Fortschritt im heutigen Sinne hatte das freilich wenig zu tun. Das Reich Gottes kommt - nach christlicher Überzeugung - nicht aufgrund menschlicher Anstrengungen, sondern von Gott.
Erst im Zuge der Säkularisierung, im Kraftgefühl der Befreiung aus alten Bindungen entwickelt sich in der Renaissance und weitergehend in der Aufklärung der Fortschrittsgedanke. Und töricht wäre es, diesen Fortschritt zu leugnen. In den Naturwissenschaften, in der Fähigkeit, Naturvorgänge nach mathematischen Regeln zu beschreiben, und in der Technik, in der Möglichkeit, Naturkräfte und -stoffe in den Dienst des Menschen zu stellen, hat es zweifellos einen Fortschritt gegeben. Und damit steht man in einer gut biblischen Tradition. Das "Macht euch die Erde untertan!" (l.Mose 1,28) ist von den Menschen erfüllt worden wie wohl kaum eine andere biblische Aufforderung.

29.8.09

Wikipedia und Wissenschaft

Zwei bemerkenswerte Beiträge, die sich m.E. inhaltlich gar nicht so sehr widersprechen.
Einer der betont, dass die Wikipedia nicht den Anspruch hat, wissenschaftliche Forschung zu betreiben von Nando Stöcklin, und einer von Klaus Graf, der darauf hinweist, dass es sehr wohl eine ganz erhebliche Anzahl von Artikeln von wissenschaftlichem Niveau gibt. Graf nennt seinen Beitrag "Dummes Zeug von Nando Stöcklin über die Wikipedia" und charakterisiert damit mehr und seinen farbigen Stil als den Beitrag auf, den er sich bezieht.
Ich kann beiden Artikeln zustimmen.

23.8.09

Das Handy zur Verherrlichung der Gewalt

Immer mehr Gewalttaten werden per Handy aufgezeichnet, damit man sich damit brüsten und das Opfer verhöhnen kann. Ja, wie bei der Kinderpornografie werden manche Gewalttaten sogar eigens dazu begangen, um aufgezeichnet zu werden.
Handys sind also nicht nur ein Gesundheitsproblem.

Störsender zur Schaffung künstlicher Funklöcher, damit Hndys im Klassenraum nicht funktionieren, sind in Deutschland nicht erlaubt. Doch es wird darüber diskutiert.

12.8.09

Zum Umgang mit Web 2.0 für Schüler und Lehrer

Ich denke, bloggende Lehrer werden den Wert von Web 2.0 immer mit im Auge haben (retemirabile liefert dafür wieder drei schöne Beispiele).
Für uns ist wichtig, nicht zu übersehen, dass
1. Schüler zwar in den Unterrichtsstunden sehr gut das, was sie nicht interessiert, herausfiltern können (da hilft bekanntlich auch mehrmaliges Wiederholen kaum)
2. Schüler viele Kontakte mit der realen Welt noch nicht hatten, die bei uns vor (!) der Beschäftigung mit den “neuen Medien” stattgefunden haben.
3. das Herausfiltern von Wichtigem eine Arbeit ist, die man sich, wenn man sich auf wichtige Aufgaben konzentrieren muss, einfach dadurch ersparen kann, dass man gewisse Informationskanäle gar nicht erst aufsucht. (dazu vgl. den Beitrag von hokey)

3.8.09

Was Computer leisten

"Die Lehrerinnen und Lehrer haben mehr Zeit, sich erzieherisch mit einzelnen Kindern zu befassen, manchmal eine ganze Viertelstunde lang, ohne daß die anderen von ihren Aufgaben abgelenkt werden. Und trotzdem leidet die unterrichtliche Kommunikation nicht. [...] Lisa und Julian lernen ganzheitlich zu denken und zu handeln. Sie lernen Folgen zu bedenken und ausgewogen zu handeln. [...] Tatsächlich können seit der Jahrtausendwende alleine wegen der Finanzierungsprobleme in Deutschland nicht mehr alle frei werdenden Stellen in der Lehre besetzt werden. Aber die meisten Beteiligten anerkennen, daß diese Einschränkung nicht automatisch zu einem Qualitätsverlust oder einer spürbaren Einschränkung der Studienqualität führte. Im Gegenteil, nach einer angemessenen Zeit der Einstellung auf die neuen Möglichkeiten und Methoden wurde überwiegend ein Zugewinn an Lernqualität anerkannt."
So weit ein Bericht vom 25. Mai 2004.

Abgedruckt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in einem Bericht über die Cebit von 1995. Darüber, was Computer den Lehrern seit 1995 so alles beschert haben, kann man in diesem Blog z.B. unter dem Schlagwort LUSD nachlesen.
Dabei blogge ich viel zu lange und arbeite ich viel zu gern mit Wikis, als dass ich leugnen wollte, dass mit Hilfe von Computer und Internet viele neue Unterrichtsmöglichkeiten hinzugekommen sind. (Web 2.0)
Aber den Prognosen, dass Computer im Bildungsbereich Personal einzusparen helfen würden oder gar Erziehungsprobleme lösen könnten, sollte man besser misstrauen. Nicht zuletzt mein letzter Blogeintrag zu den Folgen der Verbreitung der SMS als Kommunikationsmittel weist in eine andere Richtung.

Ergänzend darf ich auf die Erfahrungen hinweisen, die Microsoft mit neuen Computerprogrammen gemacht hat:
Bob, die intelligente Computersteuerung, Spot, die Uhr, die abhängig von der Uhrzeit dem Besitzer Informationen liefern sollte, die seinen persönlichen Vorlieben entsprechen, Barney, der Comiocsaurier für Lernsoftware, Mira, das Display, mit dem man, statt ein Notebook herumzutragen, seinen Computer aus der Entfernung bedienen können sollte, der MSX-PC, der UMPC Kleinstcomputer und die Tablet PC Edition, alles Flops.

Ein anderes eindrucksvolles Beispiel für Fehlleistungen von Computerprogrammen bieten die Kfz-Zulassungsstellen. Seit dort ein Bearbeitungsprogramm des staatlichen Rechenzentrums eingeführt worden ist, erhöhten sich die Bearbeitungszeiten pro Fall um über 100 Prozent (statt ca. Minuten im Juli 2009 auf ca. 55 Minuten). Im Kreis Darmstadt-Dieburg wurden kurz nach Einführung des Programms "Kfz 21" des Tochterunternehmens des staatlichen Rechenzentrums Ekom 21 200 Kennzeichen-Nummern doppelt vergeben, weil sie fehlerhaft ins Archiv verschoben worden waren. Bei der Umstellung auf ein besseres Programm muss freilich mit Umstellungsschwierigkeiten gerechnet werden, die zwischenzeitlich eine noch höhere Bearbeitungszeit zur Folge haben werden.