Die Geschichte der Grameen-Bank illustriert sehr lebendig die Auswirkungen, wenn finanzielle Dienstleistungen allen zugänglich gemacht werden "besonders armen Frauen, die niemals auf dem Radar von traditionellen gewinnmaximierten Banken erschienen sind. [...] Die Statuten der Grameen-Bank wurden geändert, um aus ihr eine Regierungsbank zu machen und so wurde den Kreditnehmerbesitzerinnen die Kontrolle genommen. [...] Was da mit der Grameen-Bank geschieht, bedeutet einen großen Rückschritt für die ganze Welt. Angesichts der Geschichte von regierungsgeführten Banken in Bangladesch kann man leicht vorhersehen, dass die Grameen-Bank jetzt einer Katastrophe entgegengeht. Es ist herzzerreißend, wenn eine Institution, die Geschichte gemacht und einen Nobelpreis erhalten hat, die Konzept und Praxis von Bankgeschäften für die Armen geschaffen und die ganze Welt zu einer neuen Dimension von Bankgeschäften inspiriert hat, wegen dieser drastischen Eingriffe in geltendes Recht zu einer Kehrtwende gezwungen wird. Die einzige Möglichkeit die Bank zu retten, ist die Rückgängigmachung der Veränderungen" (S. 231/32)
Notwendige Infrastruktur (S.242 ff.)
Der erste, wichtigste und vielleicht schwerste Schritt dazu ist die Transformation unseres Denkens, [...]
Dazu gehören Regierungen [...], die Infrastruktur aufbauen, junge Menschen bilden, die Umwelt schützen, die öffentliche Gesundheitsversorgung fördern und das Land gegen innere und äußere Feinde verteidigen. Und dazu gehört ein Finanzsystem, das solides Geld als ein zuverlässiges Tauschmittel bereitstellt, das grundlegende Bankgeschäfte, Versicherungen, Investitionen und andere Dienstleistungen allen Menschen zugänglich macht [...]." (S.242)
Wie Menschen in Rechtsberufen helfen können
Kurzfristig werden wir vielleicht nicht erwarten können, dass Regierungen ein völlig neues Gesetz über die Mikrofinanzierung verabschieden. Doch während wir tun, was wir können, um ein neues Gesetz möglich zu machen, könnten bestehende Gesetze über verschiedene Arten von Geldinstituten angepasst werden, um die Ausbreitung von Mikrokrediten besser zu fördern [...] Zum Beispiel vergibt die Reserve Bank of India, die indische Zentralbank, schon begrenzte Banklizenzen an erfolgreiche als Non-Profit- Organisationen geführte Mikrofinanzierungsinstitute [...] Aber ich bin empfehle den Behörden, die neuen Mikrofinanzierungsbanken genau zu überwachen, um sicherzustellen, dass sie ihren ursprünglichen Charakter nicht verlieren [...].
Im Allgemeinen wäre die beste Lösung jedoch, wenn die zuständigen Stellen in jedem Land neue Gesetze schaffen würden, die exklusiv für die Einrichtung von Mikrofinanzierungbanken für Menschen mit niedrigem Einkommen bestimmt sind. [...] " (S.251/52)
Freistellungen von Formalitäten für die Armen entwerfen
"[...] Natürlich dürfen solche Programme nicht wichtige Bestimmungen von Sicherheit und Umweltschutz umgehen.
Gesetze zu Wohlfahrt und Gesundheitsversorgung entwerfen, die individuelle Unabhängigkeit stärken.
"[...] Es sollte kreative Veränderungen geben, um Menschen zu helfen, Selbstachtung und Unabhängigkeit aufzubauen, in dem sie sich durch Einkommen schaffende Aktivitäten selbst versorgen. (S.252/53)
Es sollte für Social Business keine Steuerbefreiungen geben
"[...] Wenn solche Steuerbefreiungen erlaubt wären, befürchte ich, dass sie zu einer offenen Einladung zur Schaffung von Fake-Social Business führen und schließlich zu einer Situation führen könnten, in der das Fake-Social Business zahlreicher wäre als das echte. Steuerbeamte die entscheiden müssen, welche Unternehmen ein Social Business sind, werden im Endeeffekt eine willkürliche Macht haben, die der Korruption Tür und Tor öffnet.
[...] Social Business-Unternehmen basieren auf der Selbstlosigkeit der Menschen. Lassen wir sie von dieser Selbstlosigkeit angetrieben werden, ohne Förderung durch Steuerbefreiungen." (S.254/55)
Woher soll das Geld kommen?
"Es herrscht keine Geldknappheit. Die Menschen schwimmen in Strömen von Geld. Nur die Armen bekommen keinen Tropfen davon ab." (S.257)
[...] Es ist nicht schwer zu entdecken, woher die Mittel für diese Bemühungen kommen können. Hier nur ein Beispiel von vielen: Wir kennen die Namen der acht Menschen, die mehr Reichtum besitzen als die untere Hälfte der Weltbevölkerung zusammen, und wissen auch, wie groß der Reichtum von jedem Einzelnen ist. Wenn diese hyperreichen Zeitgenossen bereit wären, die Hälfte ihres Reichtums zum Nutzen der Welt abzugeben, würde der Geldfluss sofort seine Richtung ändern. [...] Überraschenderweise ist das kein Problem. Wir brauchen sie nicht zu überreden. Sie haben schon beschlossen, es zu tun! Alle acht haben Givingg Pledge unterschrieben und sich so verpflichtet, nach ihrem Tod die Hälfte ihres Reichtums für wohltätige Zwecke zu geben. [...]
Die Existenz von Givingg Pledge und seine Beliebtheit unter den Reichsten dieser Welt ist ein gutes Zeichen. Jetzt müssen wir sie nur noch davon überzeugen, dass zumindest ein Teil dieses Geldes für das Social Business genutzt werden sollte." (S.257-59)
"Auch Entwicklungspolitik könnte auf diese Weise umgestaltet werden. Die Geberländer könnten in jedem Empfängerland ihre eigenen Social Business-Trusts oder Fonds gründen und mindestens die Hälfte ihrer Förderungsmittel in diese Trusts investieren." (S.260)
"Manche Menschen argumentieren, dass es die Aufgabe einer Regierung ist, Organisationen zum Wohl der Armen zu schaffen und dass dazu auch Mikrokreditbanken gehören, die ihnen finanzielle Dienstleistungen bieten. Ich lehne Letzteres ab. Ich wäre sehr vorsichtig beim Gebrauch von der Regierungsmitteln für ein Social Business, das Menschen mit niedrigem Einkommen Geld leiht. [...]
Für eine politische Instanz ist es extrem schwierig, Gelder zurückzuerhalten, die sie armen Menschen geliehen hat. Selbst wenn diese armen Menschen bereit und fähig sind, Rückzahlungen zu machen (was normalerweise der Fall ist) sind Rückzahlungsforderungen für eine Regierung oft politisch unverträglich. [...] Und außerdem bestehen Regierungen nun einmal aus Politikern und sind daher mehr an den Wählerstimmen seitens der Empfänger von Regierungsmitteln interessiert als an der Rückzahlung des Geldes. Die Disziplin zur Zurückzahlung eines Kredits oder einer Investitionen droht also verloren zu gehen, wenn seine Quelle ein Regierungsprogramm ist." (S. 260/61)
Auffallend ist der Pragmatismus von Yunus' konkreten Handlungsempfehlungen. Hier spricht offenbar nicht jemand, der primär Mut zu neuen Schritten machen will (wie bei seiner Aussage, jeder Mensch sei ein geborener Unternehmer), sondern der Praktiker, der schon manche desillusionierende Erfahrungen gemacht hat.
Die Welt von morgen neu gestalten