30.3.18

Durch Bestechung zur Belohnung - Was wir von der Hundeerziehung für die Selbsterziehung lernen können

Zu den vier Bs, mit denen man sich gesund erhält, gehört ganz wesentlich auch die Belohnung. Aber wie kann man sich selbst belohnen, wenn kein anderer es tut?

Das wird im Blog "Pausenkaffee" am Beispiel der Hundeerziehung klar gemacht:


"Schauen wir uns mal in der modernen Hundeerziehung die Idee der Belohnung an. Es muss ja etwas anderes sein als eine Bestechung. Lernt ein Hund einen neuen Trick (ich bleibe mal beim “Sitz”), so wird er zunächst mal bestochen, das Verhalten auch auszuführen, damit er es erst mal lernt. Das ist normal und auch kaum anders zu machen, da der Hund zunächst lernen muss, was “Sitz” bedeutet. Entweder bestechen wir mit Leckerlis, oder mit Zugang zu anderen Ressourcen.
Hier ist der Punkt, an dem sich die Hundeerziehung aber von der Menschenerziehung meist unterscheidet oder ihr sogar einen Schritt voraus ist. Denn die Bestechung wird dann Stück für Stück ausgesetzt. Die Hand macht die gleiche Geste und tut so, als wäre da ein Leckerli, aber da ist gar keins. Fies und gemein. Und dann passiert etwas für den Hund Seltsames: für die zweite Ausführung des “Sitz” gibt es plötzlich wieder etwas. Oder für die dritte, vierte oder zwanzigste. Stück für Stück wird die Bestechung durch eine Belohnung ersetzt.
Der Hund führt den Trick nicht mehr aus, weil er dann das Leckerli bekommt, sondern weil er dafür vielleicht ein Leckerli bekommen könnte. Nicht falsch verstehen: der Hund bekommt dann nicht etwa mengenmäßig mehr zu fressen oder ein besseres Futter, sondern immer noch das Gleiche wie vorher.
Studien haben gezeigt, dass beim Geben der Belohnung Serotonin ausgeschüttet wird. Das Krasse ist, dass umso mehr Glückshormone ausgeschüttet werden, desto länger nix kam – natürlich nur bis zu einer gewissen Grenze. Das heißt: je seltener und ungleichmäßiger die Belohnung war, desto größer war der Serotoninausstoß. Es kommt aber noch krasser. Der Hund spürt die Freude nach kurzer Zeit auch schon beim Ausführen des Tricks selbst. Er handelt also nicht mehr primär für das Leckerli, sondern für den Trick an sich. Er ist intrinsisch motiviert sich auf Befehl hinzusetzen."
(Von Bestechung und Belohnung bei Hunden und Schülern, Pausenkaffee 27.3.18 - kleine Tippfehler sind verbessert, Hervorhebungen und ein Link hinzugefügt)

Gemeinhin spricht man in der Psychologie bei der Selbsterziehung davon, man solle sich selbst belohnen. Dabei ist das, was einem da empfohlen wird, ja nur eine Methode, wie man sich selbst bestechen kann. Aber das Gute ist, dass man über Selbstbestechung gute Gewohnheiten entwickeln kann. 
So ist das Fasten der Mönche und das Verzichten auf etwas Angenehmes in der Fastenzeit (wie es seit einiger Zeit immer häufiger geübt wird) auch eine Übung in der höchst wichtigen Fähigkeit der Selbstbeherrschung.
Was religiös begründet wurde, ist eine Form der Selbsterziehung. 

28.3.18

Facebook, Datenschutz und zur Reaktion auf erfolgreichen "Datenklau"

Vermutlich sind persönliche Daten über Einstellungen von 50 Mill. Personen bei Facebook abgegriffen und vielleicht für die Optimierung des US-Wahlkampfs verwendet worden.

Die evangelische Kirche von Hessen-Nassau stellt daher Forderungen auf, hat aber weiterhin vor, ihre Verkündigung über Facebook zu verbreiten.
Das scheint mir unproblematisch, sofern sie damit nur dir für den Predigtzweck erforderlichen Daten ihrer Organisation preisgibt. Wenn man aber für die Verkündigung den Dialog für nötig hält, wird es problematisch. Auf der Seite der EKHN heißt es:
„Das Evangelium ist doch zuerst ein persönliches Zeugnis“, stellt Social-Media-Pfarrer Hans Genthe fest. Da kämen die Sozialen Medien wie gerufen. Während Zeitungen und Bücher, ja die Bibel selbst, keinen Dialog ermöglichten, seien die Sozialen Medien auf persönliche Ansprache und Austausch angelegt. 
Wenn man jetzt, bevor Facebook auf die Forderungen reagiert hat, das Netzwerk völlig unverändert auf Facebook betreibt, erscheint mir das problematisch.
Manche Kritik an sozialen Netzwerken scheint mir überzogen, aber gegenüber Facebook ist ein unbekümmertes Weiter so aus meiner Sicht das falsche Signal.

mehr zu Facebook:
Der Techlash erwischt Facebook von Gundula Stoll 28.3.18

19.3.18

Gewalt an Schulen - Sind Lehrer überfordert?

Mit Sicherheit gibt es immer wieder Situationen, in denen sich Lehrer überfordert fühlen. 
Das war schon immer so. Mit gesteigerten Anforderungen an die Lehrer (Lehrer als Seiteneinsteiger mit unzureichender Einarbeitung, Digitalisierung und Inklusion sind nur Beispiele dafür) nimmt das zu. Ganz zu vermeiden sind solche Situationen nicht, aber angesichts der höheren Ansprüche müsste es mehr unterstützende Strukturen geben.

"[...] Ilka Hoffmann, Mitglied im Hauptvorstand der GEW, nennt das Problem vielschichtig. Einerseits kämen zunehmend Lehrer an die Schulen, die noch unerfahren seien. Andererseits gebe es häufig in Stadtteilen Probleme, in denen sozial weniger gut gestellte Familien wohnten. Hier kämen Lehrer oft schlechter mit den Schülern zurecht. Schüler seien durch die Medien mehr und mehr mit Gewalt konfrontiert. "Lehrer müssten darauf reagieren, werden aber mit diesen Problemen oft allein gelassen. Sie brauchen ein gutes Beratungs- und Unterstützungssystem."
Hans-Dieter Fuchslocher, der Vater aus Olching, hat sich inzwischen anders beholfen. Er hat seine Tochter von der Schule genommen. Sie besucht jetzt eine Privatschule in München. Er sagt, sie habe wieder Spaß am Unterricht." (Gewalt an Schulen SPON 17.3.18)

Ist Zwei-Klassen-Bildung die angemessene Lösung des Problems?

18.3.18

Über Beziehungen im Netz

In gutefrage.net teilt ein Fragender mit: "Ich muss zur Jugendweihe ins KZ" (Seine Mutter hat ihn zur Fahrt dorthin angemeldet.)
Er bekommt verständnisvolle Antworten und Hinweise, er solle mit seiner Mutter darüber reden.
Ihn wird auch gesagt, weshalb es sinnvoll sei, einmal ein historisches KZ gesehen zu haben.

Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass die Dringlichkeit des Anliegens, dass man verstehen solle, was damals geschehen ist, nicht deutlich genug geworden sei. Und hatte das Bedürfnis, diese Dringlichkeit deutlicher herauszuarbeiten. Dabei hatte ich nicht die Hoffnung, den Jugendlichen zu erreichen; denn die Formulierung "Ich muss zur Jugendweihe ins KZ" klingt ja doch, als ob er sehr wenig Verständnis für das Anliegen habe.
Jetzt erhalte ich die Mitteilung, dass er meine Antwort als hilfreichste bezeichnet habe.

Das hat in mir den Eindruck erweckt, dass hier eine Beziehung entstanden ist, wie ich sie im Unterricht vor Ort oft nicht erreicht habe. Zusätzlich habe ich eine Rückmeldung erhalten, wie man sie im Unterricht meist nicht erhält. (Weshalb es sinnvoll ist, sich darum zu bemühen, auch wenn das manchmal zu frustrierenden Erfahrungen führen kann, kann sich manche(r) wohl denken. Das ist aber ein anderes Kapitel.)
Das rechtfertigt für mich die Anwendung des berühmten - höchstwahrscheinlich zu Unrecht -Niemöller zugeschriebenen Zitats. (Ich habe es mit einem Kunstgriff eingeführt.)

Jetzt mein Text, der für mich über die Rückmeldung zu einer sinnvollen Äußerung im Netz geworden ist:

Wenn du von uns Argumente hören willst, weshalb du nicht erfahren solltest, zu was für Grausamkeiten Menschen fähig sind und was für Verbrechen von Deutschen begangen worden sind, dann hast du hier genug gelesen.
Wenn du aber der Meinung bist, es sollte nicht wieder vorkommen, dass Millionen von friedliche Menschen getötet werden, weil sich jemand ausgedacht hat, das sei sinnvoll, dann solltest du die Chance nutzen, mehr darüber zu erfahren, wie es dazu kommen konnte.
Wenn du aber das Tagebuch von Anne Frank schon gelesen haben solltest, genauso wie Eugen Kogons SS-Staat und Ist das ein Mensch? von Primo Levi, dann weißt du bereits das Wichtigste, denn du weißt schon, was Martin Niemöller erst lernen musste:
"Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte."

Der Kunstgriff - sicher schon bemerkt - ist, dass ich das Zitat als Erfahrung, nicht als Äußerung Niemöllers eingeführt habe. Wichtig ist mir das Zitat, weil es in aller Kürze das zusammenfasst, was die Rechtfertigung all des politischen Handelns zusammenfasst, das zwar einem wichtigen Zweck dient, aber wenig Chancen auf Wirkung hat: Ein sehr wichtiger Zweck rechtfertigt auch aussichtsloses Handeln.
So lese ich einerseits mit Bewunderung Texte über Menschen, die viele andere vor der Tötung in Vernichtungslagern bewahrt haben, aber auch Texte, wo ich davon erfahre, das jemand das Risiko eingegangen ist, zu helfen, obwohl er mit der Todesstrafe rechnen musste, und wo er die Menschen nicht retten konnte.
Das berühmteste Beispiel dafür sind die Helfer, die die Familien Frank und Pels und Fritz Pfeffer im Versteck im Achterhuis in der Prinsengracht versorgt haben. Sie konnten das Leben der meisten nicht bewahren, aber sie retteten das Tagebuch und (Glück im Unglück kam hinzu) Otto Frank, der das Lebenswerk seiner Tochter danach zu seinem Lebenswerk machte. 

Man merkt, so sehr ich die direkten Beziehungen zu Menschen wichtiger zu nehmen versuche, so suche ich immer noch eine Rechtfertigung für den Versuch, auch über das Netz ein klein wenig dazu beizutragen, dass wir den Eifer trotz wenig aussichtsreicher Lage nicht verlieren. Und ich danke  DerBoy3001 von gutefrage.net, dass er seinen Teil dazu beigetragen hat. 

16.3.18

Nicht nur ein "Gespräch über Bäume" ...

Nicht nur ein "Gespräch über Bäume", sondern auch der Bericht über hundert Anlässe, sich zu engagieren, schließt ein "Schweigen über so viele Untaten" (Brecht: An die Nachgeborenen) ein.

Ich schweige auf meinen drei Blogs, auf denen ich mich hauptsächlich zu politischen Vorgängen äußere, über unglaublich viel. Freilich, dieses Schweigen wird noch weniger wahrgenommen als mein Schreiben. (Das sollte mich beruhigen.)

Geschwiegen habe ich z.B. darüber, wie sehr das britische Ultimatum an Russland dem österreich-ungarischen an Serbien von 1914 gleicht und das Verhalten der Vertreter der EU und der NATO dem des Deutschen Reiches in der Julikrise. Denn schließlich gibt es ja auch Unterschiede, und empören müsste man sich über beinah jeden Tweet von Trump. Und wenigstens das leistet die Presse im Überfluss. Denn wenn es wirklich ernst wird, nimmt es dann keiner mehr wahr. (Auch das gehört zu Trumps Stil.)

Dennoch, es gibt so vieles, was man wirklich aufgreifen müsste und was ich nicht aufgreife.
Da freue ich mich über die vielfältige Information durch die BpB (Bundeszentrale für politische Bildung), die nicht nur erfreulich umfassend und Hintergründe erfassend, sondern auch multiperspektivisch (vgl. z.B. euro|topics) informiert. Von regierungsamtlichen Institutionen geschieht das nicht allzu oft.

10.3.18

Was mache ich hier eigentlich?

Während in meiner aktiven Zeit als Lehrer meine Blogartikel weitgehend auf meinen Erfahrungen mit Schule und Schulbürokratie beruhten, ergeben sie sich seitdem aus dem, was mir mein persönliches Lernnetzwerk (PLN) mir zuträgt: Zeitungen und Zeitschriften, gedruckt und online, Kontakte mit Internetbekanntschaften (nicht zuletzt aus der ZUM), die ich nur selten persönlich treffe, Twitter, gutefrage.net, MOOCs, Newsletter u.ä. Eigene Recherchen betreibe ich nicht.

Hat ein solcher Echoraum für medial Produziertes seinen Sinn?
Positiv beantworten würde ich es eindeutig bei 2052. ..., Flüchtlinge und "Der Mann, der die Wüste aufhielt" (basierend auf einem ZEIT-Artikel von Andrea Jeska).
Bei meinen weit über 1000 anderen Texten? Bei meinen Meinungsäußerungen?
Immer wieder lese ich Artikel, die ich für festhaltenswert und empfehlenswert halte und erstelle Blogartikel, wie ich früher Zeitungsausschnitte sammelte. Bei einem Wikipediaartikel wie Zeitungsausschnitt, der 2009 entstand und seitdem immer wieder einmal verbessert wurde und gegenwärtig täglich zweimal abgerufen wird, erscheint mir das unbedingt sinnvoll, weil ich heute dort nicht nur lesen kann, was ich damals dazu herausgefunden habe, sondern auch, was ich in der Zwischenzeit hätte lernen können, wenn ich mich weiterhin damit beschäftigt hätte.

Ich will in Zukunft mehr Zeit für Beziehungen aufwenden und weniger für solche Texte.
Freilich, die Frage "Was tue ich eigentlich?" sollte man sich immer wieder stellen. Aber muss man wirklich einen Blogartikel dazu schreiben, nur damit man später einmal weiß, was man damals gedacht hat?

Und wenn Sie bis hierher gekommen sind, fragen Sie sich vermutlich: "Warum habe ich das hier eigentlich gelesen?"
Meine Schüler haben mir über die Aussageabsicht von Texten meist gesagt: "Der Text will zum Nachdenken anregen."
Hilft Ihnen das weiter?