2.8.19

Bildungswissen und Handlungswissen

Bei der Lektüre von Hermann Gieseckes Autobiographie "Mein Leben ist lernen" stoße ich auf die Unterscheidung von Bildungswissen und Handlungswissen. Er meint dazu, es gehe dabei "nicht um Unterschiede des Wissens selbst, sondern um verschiedene Aggregatzustände. Bildungswissen ist gleichsam Handlungswissen im Ruhestand. Wer sozial handelt, reduziert und vereinfacht das, was er woher auch immer weiß, auf einen bestimmten Punkt hin, läßt notwemdigerweise außer acht, was er dafür nicht brauchen kann, weil es ihm sonst wie dem sprichwörtlichen Tausendfüßler ginge, der, weil er anfängt, seine Beine zu zählen, nicht mehr laufen kann." (S.243/244)

Frage:
Reicht ein Persönliches Lernnetzwerk aus, sicherzustellen, dass man das nötige Wissen hat, um situativ das Handlungswissen (durchaus mit allen gegebenen elektronischen Hilfsmitteln) zu aktivieren, das man braucht?
Was passiert, wenn man zur Schaffung des Handlungswissens ganz auf seine Fähigkeiten und Hilfsmittel angewiesen ist?

Zur Behandlung des Problemumfelds:
Lisa Rosa: Projektlernen im digitalen Zeitalter

Es ist eine hypothetische Frage, die gewiss keine Ansammlung von Unmengen Bildungswissens für jeden rechtfertigt, die m.E. aber nicht ohne weiteres allgemein beruhigend beantwortet werden kann.

"Ist etwa das Fernsehen, das der Pädagoge Paul Heimann, aus den USA kommend, schon Ende der 50er Jahre als eine "zweite Bildungsinstitution" bezeichnet hat, nicht dem Schulunterricht auch in mancher Hinsicht überlegen, wenn es richtig genutzt wird? Sieht man die außerschulischen und außerfamiliären gesellschaftlichen Faktoren und Wirkungen unter diesem Aspekt, dann muss man das Aufwachsen der Kinder als einen pluralistischen Vorgang begreifen."(S. 253)

Schätzen gelernt habe ich Hermann Giesecke über seine "Didaktik der politischen Bildung" in der 5. Auflage von 1970 (Volltext der 10. von 1976 als pdf) vermutlich um 1970 herum. Später habe ich dann bedauert, dass ich sie nicht mehr greifen konnte. Denn sie blieb für mich die überzeugendste, die ich kannte. Vor kurzem habe ich sie im Netz gefunden und auch den Hinweis auf seine Autobiographie. 
Vielleicht wegen der so unterschiedlichen Bildungsherkunft, Begabung und Interessen hat sie mich sehr interessiert und menschlich berührt. 
Ist sein Verständnis von Studium als von Lehrveranstaltungen angeregte Eigenarbeit wissenschaftlicher Art, zu der man nicht durch methodisch geschickte, motivierende Lehrveranstaltungen angeleitet werden müsse, überholt oder im Kern identisch mit dem, was Lisa Rosa im Internetzeitalter Persönliches Lernnetzwerk genannt hat?

vgl. jetzt auch Bob Blume zu Bildung 21.2.20