29.8.13

Wozu Geheimdienste gut sein können

Ludwig XIV. und Friedrich II. mussten noch Historiker heranziehen, um Gebietsansprüche aus der Vergangenheit abzuleiten, die ihre Angriffskriege rechtfertigen sollten.
Diese Aufgabe können heute Geheimdienste übernehmen.
Was die UNO-Experten gar nicht herausfinden sollen, weil man es ihnen nicht zutraut, das können angeblich Geheimdienste erledigen, nämlich herausfinden, wer der Schuldige ist.

Eine dpa-Meldung, die ich heute in der Zeitung lese:
Die USA wollen die Schuld des syrischen Regimes an den Giftgasangriffen bei Damaskus laut Medienbericht mit abgehörten Telefonaten belegen. Der US-Geheimdienst habe Gespräche zwischen dem syrischen Verteidigungsministerium und dem Chef der Chemiewaffen-Einheit des Landes abgehört, berichtet das US-Außenpolitikmagazin "Foreign Policy".  So heißt es, in den "panischen" Gesprächen habe das Ministerium von der Einheit Erklärungen für den Giftgasangriff mit Hunderten Toten verlangt, der nun zu militärischen Aktionen der USA und ihrer Alliierten führen könnte.
Mir geht es nicht darum, was das Gespräch bewiese, wenn es stattgefunden haben sollte.
Wichtig ist, dass die Meldung eines Geheimdienstes die Rechtfertigung eines militärischen Angriffs liefern soll, die das zuständige Organ der UNO, der Sicherheitsrat, offenbar nicht zu liefern bereit ist.
Wenn jetzt von einer "Bestrafungsaktion" und von der "Weltgemeinschaft" gesprochen wird, so wird von diesen Sprechern den Staaten, die sich an solch einer Aktion beteiligen wollen, eine Richterrolle zugesprochen und den westlichen Geheimdiensten die Aufgabe der Ermittlungsbehörde.
Im Zusammenhang mit den NSU-Morden ist mein Vertrauen in die Fähigkeit von Geheimdiensten, in diesem Bereich vorurteilsfrei zu arbeiten, nicht gerade gewachsen.


Nun ganz kurz zur Beweiskraft des angeblichen Gesprächs: Wenn eine syrischer Regierungsvertreter wirklich von einer untergeordneten Stelle "panisch" eine Erklärung für den Giftgasangriff verlangt hätte, so stützte das die These, dass die Regierung den Angriff nicht befohlen hätte. Nach der Bestrafungslogik müsste die "Weltgemeinschaft" also der syrischen Regierung zu Hilfe kommen, damit sie ihre Untergebenen bestrafen kann.
Nach den Geheimdienstauskünften über Massenvernichtungswaffen des Iraks halte ich persönlich solche Geheimdienstauskünfte allerdings nicht für geeignet, mir ein Urteil über eine Entscheidung über die Rechtfertigung eines miltärischen Angriffs zu erlauben.

Eine weitere wichtige Funktion könnten die Geheimdienste im Zusammenhang mit der Syrienfrage erfüllen: Sie könnten durch Hochspielen von Syrien von der Ausspähaffäre (NSA, Tempora ...) ablenken. Das wäre eine besonders intelligente Funktion: von sich selbst ablenken.

Kerry legt "Beweise" für Chemiewaffeneinsatz Assads vor, Spiegel online, 30.8.13
US-Regierung zum Giftwaffeneinsatz in Syrien, 21.8.2013

Gerüchte, Hinweise, Vermutungen, Spiegel online 29.8.13
Bedenken bei Parlamentsmuitgliedern, Spiegel online 29.8.13

25.8.13

Gespräche mit Praktikern über Inklusion

Gelungene Inklusion ist nicht nur ein großer Gewinn für die Schüler, die trotz Handicaps nicht aus dem gesellschaftlichen Umfeld herausgenommen werden, sondern ein mindestens genauso großer Gewinn für ihre Mitschüler und die gesamte Gesellschaft.
Deshalb habe ich mich deutlich für Inklusion ausgesprochen; doch angesichts der gegenwärtigen Versuche, sie durchzusetzen, werde ich immer skeptischer. Das lässt sich an meinen bisherigen Blogbeiträgen ablesen.

Was erfahre ich von Praktikern (das Schwergewicht liegt dabei auf dem Bereich von Hörgeschädigten und Sprachbehinderten)?

Gegenwärtig fallen ständig Sprachbehinderte aus dem Regelschulsystem heraus, weil sie nicht den für sie erforderlichen Rechtschreib- und Grammatikunterricht erhalten.
Je später das systematische Training einsetzt, desto länger zieht sich die Rehablilitation hin.
Es besteht jetzt schon ein Mangel an qualifizierten Lehrern, besonders eklatant ist der Mangel an Gebärdensprachendolmetschern. Wenn diese weiträumig über das Land verteilt werden, verlieren sie wertvolle Zeit, wo sie mit Schülern arbeiten könnten, durch Fahrzeiten zwischen den Arbeitsplätzen.

Da jeder Fall unterschiedlich ist, kann in einer Klassensituation die Inklusion von drei Schülern in einer Lerngruppe gelingen, während im anderen Fall der Lehrer mit der Inklusion zweier Schüler hoffnungslos überfordert sein kann. Das liegt zum einen an der Zusammensetzung der Lerngruppe, zum anderen an der unterschiedlichen Art der Sprachbehinderung (z.B. bestehen je nach Ausprägung eines Autismus enorme Unterschiede in der Fähigkeit, sich in eine Lerngruppe einzufügen). Nicht zuletzt aber hängt es - wie jüngst wieder aus der Hattie-Studie hervorging - entscheidend vom Lehrer ab, ob er die notwendige Empathie hat und in der Lerngruppe erreichen kann oder ob er damit überfordert ist.

Fast noch wichtiger ist allerdings auch die Frage, ob den Schulen, in denen Inklusion realisiert werden soll, die notwendigen sachlichen und personellen Voraussetzungen geschaffen werden. Bei striktem Bestehen auf Kostenneutralität und dem versteckten Versuch, sogar Kosten einzusparen, wird das Unternehmen scheitern. Die Scherben zusammenzukehren, wird teurer kommen als die notwendige Ausstattung von Anfang an.

Wenn man das Herausfallen  aus dem System in jedem Einzelfall präventiv angeht, kann der Prozentsatz von Inklusion deutlich gesteigert werden. Wenn man die vorhandenen Strukturen zerschlägt, ohne belastbare neue geschaffen zu haben, kann das verhängnisvoll werden.

18.8.13

Bericht vom Open Peer Review: "Arbeit im Nationalsozialismus"

Anders als beim letzten Mal, als es um historisches Lernen mit Blogs ging, werde ich diesmal nur wenig Zeit und eine eingeschränkte Kompetenz zum Open Peer Review mitbringen. Ich möchte aber darauf aufmerksam machen, deshalb hier schon einmal ein Kurzzitat:
"Ehefrauen, deren Männer in die Wehrmacht eingezogen worden waren [...] erhielten bis zu 85 Prozent des letzten Nettoeinkommens des Ehemannes unabhängig von dessen Sold. 57 Die meisten Familien hatten dadurch ein höheres Einkommen als zuvor."
Nicole Kramer : Haushalt, Betrieb, Ehrenamt: Zu den verschiedenen Dimensionen der Frauenarbeit im Dritten Reich

Das passt natürlich wunderbar zu Götz Alys "Hitlers Volksstaat".

Zur Situation alleinstehender Frauen, die im Krieg aus der Großstadt aufs Land evakuiert waren, berichtet Kramer
"Die Rückkehr in die Städte hing vom Nachweis eines Vollzeit-Arbeitsplatzes ab, was für Frauen  mit Kindern ausgeschlossen war. "
Nicole Kramer : Haushalt, Betrieb, Ehrenamt: Zu den verschiedenen Dimensionen der Frauenarbeit im Dritten Reich 

Wer mehr dazu erfahren will, kann hier nachlesen. Vielleicht kann er mehr Verbesserungsvorschläge zu der m.E. sehr gelungenen Arbeit machen als ich.

16.8.13

Umorientierung

Der Vorteil des Bloggens ist, dass man sich nicht an ein Redaktionskonzept zu halten braucht. So werde ich mein eigenes Konzept in nächster Zeit versuchsweise durchbrechen.

Im Unterschied zu anderen Bloggern habe ich meine Beiträge nicht nur verschiedenen Kategorien zugeordnet, sondern verschiedenen Blogs. Der Grund ist, dass ich gern selbst einen bequemeren Überblick haben will, was ich zu den Themenbereichen geschrieben habe.
Da ich in letzter Zeit weniger zu pädagogischen Themen schreibe,  wird deshalb dieser Blog, der sich auf Pädagogisches konzentriert, weniger aktiv. Das ist mir in doppelter Hinsicht nicht recht. Erstens, weil es dazu führen kann, dass dieser Blog uninteressanter wird, weil dort weniger passiert. Zweitens weil manche Texte, die mir wichtig sind, weniger wahrgenommen werden, weil sie in einem seltener gelesenen Blog erscheinen. Deshalb will ich versuchsweise öfter Beiträge, die anderswo erschienen sind, ganz oder in Teilen auch in diesem Blog aufnehmen.

Ich beginne mit dem Thema Ausspähung und Geheimdienste, dessen Behandlung im Augenblick mein wichtigstes pädagogisches Interesse ist. Was passiert, wenn dies Thema im Wahlkampf weiterhin so ausgeblendet bleibt wie bisher und wenn es in den Schulen durch das Aufmerksamkeitsraster fällt, weil die mediale Behandlung des Themas zufällig in den Sommerferien ihren Höhepunkt hatte?
Ich werde das Thema deshalb gelegentlich auch hier aufgreifen und beginne mit einigen Zeilen, die ich schon anderswo veröffentlicht habe.

Bradley Manning und Edward Snowden verkörpern die Hoffnungen auf ein besseres, moralischeres Amerika, die Barack Obama enttäuscht hat. Der moralische Impuls und der persönliche Mut, der ihre Handlungen möglich gemacht hat, haben meine Bewunderung.
Mannings Tragik ist, dass er mehr weitergab, als moralisch zwingend geboten war und dass er keinen zureichenden Schutz erhielt. Hätte er wissen müssen, dass die USA Whistleblowern kein Recht widerfahren lassen?
Snowdens Tragik ist, dass er in Russland Asyl suchen musste. Sarah Harrison und das Centre for Investigative Journalism  halfen, dass ihm bisher noch nichts noch Schlimeres passiert ist.
Ich bewundere auch den moralischen Impuls und den persönlichen Mut, mit dem Barack Obama angetreten ist. Dafür hat er den Friedensnobelpreis bekommen.
Darf man es persönliche Tragik nennen, wenn er als Perfektionierer von Geheimdienstaktionen (Bin Laden), Drohnenangriffe und Kampf gegen Whistleblower und investigativen Journalismus, Säulen der Demokratie im Medienzeitalter,  in die Geschichte eingehen sollte?
Es wäre eine Schmach für die USA und die ganze westliche Welt, wenn sie die Grundlagen unserer Demokratie so kampflos preisgäben, wie die gegenwärtig Herrschenden offenbar gesonnen sind.

Mehr zum Thema habe ich im ZUM-Wiki geschrieben: