24.7.14

Elektroschrott und journalistische Recherche

Ein Joghurt kostet weniger als 1 Euro, seine Zutaten legen mehr als 1000 km zurück und alle Transporteure verdienen daran.
Ein kaputter Fernseher ist hierzulande kaum sinnvoll zu reparieren. Wird er illegal nach Afrika transportiert, bekommt er plötzlich Wert (z.B. 27 - 70 Euro). Dafür legt er Tausende Kilometer zurück und alle Zwischenhändler und Transportunternehmen verdienen daran.
Als Lehrer habe ich Schülern etwas über den Zusammenhang von Klimaerwärmung und den Wegen von Joghurtzutaten beigebracht. Als Blogger schreibe ich über die Wege von Elektroschrott. Das, was ich weitergebe, verdanke ich journalistischer Recherche. Ich hätte weder Zeit, Energie, Expertise noch den Apparat für solche Recherchen. Auch Politiker verdanken es meist Journalisten, wenn sie erfahren, dass ein Gesetz den gegenteiligen Effekt hat, von dem, was der Gesetzgeber beabsichtigt hat.
Lehrer und Politiker können ihre Arbeit nicht tun, wenn es die Voraussetzungen für aufwändige Recherche nicht mehr gäbe. Edward Snowden war darauf angewiesen, dass er sein Material gut vernetzten Journalisten mit umfangreichen Ressourcen im Hintergrund übergeben konnte. Ein einzelner Blogger hätte ihm dafür nichts gebracht.
Ob man von Qualitätsjpurnalismus sprechen will oder nicht, wir brauchen mächtige Apparate, die die Voraussetzungen für aufwändige Recherchen schaffen können.
So sehr ich die Informationen aus anderen Blogs schätze: Wenn Blogs den Zeitungsverlagen den Boden entziehen könnten, so wie es die Wikipedia bei den traditionellen Enzyklopädien geschafft hat, wäre das ein unersetzlicher Schaden.
Wie ich darauf komme? In der ZEIT Nr. 31 vom 24.7.14, S.13ff wird der Weg von verschrotteten Fernsehern akribisch nachverfolgt. Der eine geht an eine private Entrümplungsfirma und landet in Afrika. Der andere wird zu einer kommunalen Wertstoffsammelstelle gebracht, kommt zu einer regionalen Entsorgungsfirma und landet - auf seinem Weg ständig per Sender genaue Positionsmeldungen abgebend - auch in Afrika.
Wer wollte das auf eigene Faust recherchieren?

Was für Schlüsse man daraus ziehen soll?
Da sind wir wieder bei der Aufgabe eines Blogs. Da - wohl aufgrund des Verbots des Exports funktionsuntüchtiger Elektrogeräte - immerhin 35% dieser Geräte in das deutsche Recyclingsystem gelangen, erfüllt das Gesetz einen Sinn. Freilich ist es nicht so wirksam, wie es sein sollte.
Doch gelangen so weniger Fernseher auf die Elektromülldeponie Agbogbloshie.

Laut Wikipedia haben schon Greenpeace und die BBC den Weg defekter Fernseher verfolgt:
Greenpeace verfolgte jedoch einen funktionsuntüchtigen Fernseher mit einem eingebauten Peilsender von einem Londoner Recyclinghof bis nach Nigeria. Auch die BBC konnte den Weg eines defekten TV-Sets von einer Londoner Straße bis nach Ghana verfolgen.[2]:S. 6.
Brauchen wir also keine Zeitungen, weil wir ja NGOs und Rundfunkanstalten haben (wie z.B. das ZDF).

Mehr zum Thema Schrott (beliebig herausgegriffen):
Auf der Jagd nach dem Müll, Kölner Stadt-Anzeiger, 14.4.14

GEWERBLICHE SAMMLER. Mit Musik auf der Jagd nach Schrott, Rhein-Erft Rundschau, 24.7.13

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