[...] der Handelsexperte verweist auf rund 500 regionale und bilaterale Abkommen, die weltweit den Handel zwischen Volkswirtschaften erleichtern. Das Handelsabkommen, eigentlich ein Sonderfall, ist aus der globalisierten Wirtschaft nicht mehr wegzudenken: "Die eigentliche Ausnahme ist zur Regel verkommen", sagt Langhammer.Weil die Welthandelsorganisation (WTO) wegen Widerstand von Staaten aus der Dritten Welt nicht so vorankommt, wie sich die Konzerne das vorstellen, werden Einzelabkommen geschlossen, wo der jeweils stärkere Partner größere Chancen hat, sich mit seinen Interessen durchzusetzen.
Diese Verträge gibt es zwischen den großen Volkswirtschaften, aber auch mit ökonomischen Zwergen wie Mazedonien, Andorra oder Sambia. Seien es Elektrogeräte, Fischmehl, Rasenmäher oder Poloshirts: Handelsverträge sorgen maßgeblich dafür, dass unsere Regale so bunt – und bezahlbar – gefüllt werden können. Für Deutschland wichtige Verträge wurden in letzter Zeit mit Südkorea, Mexiko und Kanada abgeschlossen. (AXEL HANSEN UND OLGA GALA: TTIP ist überall, 18.7.2014, Hervorhebungen von mir.)
Bemerkenswert, dass das alles praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit geschieht.
Auch geostrategische und politische Überlegungen spielten eine große Rolle, sagt Gabriel Felbermayr vom ifo Institut in München. So seien die Verträge mit den ehemaligen Ostblockstaaten Ukraine oder Moldawien zwar politisch wichtig, seien ökonomisch aber nachrangig. "Moldawien hat einen sehr kleinen Markt und ist ein failed state", urteilt Felbermayr. Und auch die größere, aber marode Volkswirtschaft Ukraine sei als Absatzmarkt eher uninteressant. (AXEL HANSEN UND OLGA GALA: TTIP ist überall, 18.7.2014, Hervorhebungen von mir.)
Ursprünglich sei es darum gegangen, Firmen in Ländern ohne rechtsstaatliche Prinzipien zu schützen. Der klassische Fall: Eine sozialistische Regierung in Südamerika will die Mine eines westlichen Bergbaukonzerns verstaatlichen. Weil das Unternehmen vor lokalen Richtern keine Chance auf eine faire Behandlung haben dürfte, kann es vor ein Schiedsgericht ziehen und dort Schadenersatz einklagen. Soweit findet das auch Scherrer nachvollziehbar. [...]
Doch heute würden spezialisierte Anwaltskanzleien immer stärker gegen normale Gesetze zu Felde ziehen.* Berühmt geworden ist die Klage Vattenfalls gegen den deutschen Atomausstieg. Ägypten droht eine empfindliche Zahlung, weil der französische Wasser- und Energieriese Veolia das Gefühl hat, die Regierung in Kairo greife rechtswidrig in die Wirtschaftsbedingungen ein. Der Tatbestand: Die Nordafrikaner haben den Mindestlohn angehoben – auf umgerechnet 72 Euro im Monat.Das Schiedsgerichtsverfahren im Video erklärt (18 Sekunden)
Dabei ist das Abkommen, auf das sich die Franzosen berufen, noch nicht einmal neu, es stammt von 1974. Es wird heute nur anders interpretiert. (AXEL HANSEN UND OLGA GALA: TTIP ist überall, 18.7.2014, Hervorhebungen von mir.)
*Ein Milliardengeschäft für findige Anwälte, ZEIT, 27.11.12