Netzwerken ist von jeher ein wichtiger
Zugang zu Bildung gewesen. In der Zeit des Internet, wo das
Auswahlproblem tendenziell ins Unendliche wächst, gilt das noch
mehr. Deshalb ist die Qualifikation, sich ein persönliches Lernnetzwerk zu schaffen, eine wichtige Voraussetzung für
Bildung im digitalen Zeitalter.
Freilich, je besser das Lernnetzwerk
auf die individuellen Bedürfnisse ausgerichtet ist, desto größer
ist die Gefahr, dass die Auseinandersetzung mit Menschen
verschiedener Herkunft und Wertegemeinschaften, dass die Einübung in
die demokratische Gestaltung unseres Zusammenlebens dabei zu kurz
kommen.
Demokratie lernt man nicht in einer
Interessengemeinschaft.* Da lernt man nur gute Zusammenarbeit,
Teamwork. Was uns abhanden zu kommen droht, ist die Fähigkeit,
widerstreitende Interessen anderer als grundsätzlich berechtigt
anzuerkennen, und in einem geregelten Prozess zu Kompromissen zu
finden.
Wenn man das als allgemeines Problem
anerkennt, wird man auch akzeptieren können, dass es einen
öffentlichen Raum geben muss, wo diese Fähigkeit eingeübt wird,
ohne dass es gleich zu Frustration ("Die da oben machen ja
sowieso nur, was sie wollen." "Politiker sind alle
korrupt.") und daraus folgend zu Verschwörungstheorien kommt.
Bei widerstreitenden Interessen gibt es
unvermeidlich Widerstände gegen Lösungsansätze für Umweltschutz,
für Friedensordnungen und "Bewahrung der Schöpfung". Dazu bedarf es keiner Verschwörung.
Diese Erfahrungen zu machen, ohne dabei
fürchten zu müssen, dass eigene existenzielle Grundbedürfnisse
gefährdet werden, weil man in der Minderheit ist, ist
Grundvoraussetzung für die Anerkennung von Demokratie.
Erfahrungsgemäß setzen sich die am
besten Angepassten mit ihren Interessen am leichtesten durch und
merken deshalb nicht, dass sie es deswegen viel leichter haben, eine
demokratische Grundordnung zu akzeptieren. Wir brauchen aber eine
Gesellschaft, in der nicht nur die Angepassten und die Lieblinge der
jeweils aktuellen politischen Korrektheit zu ihrem Recht kommen und
deshalb für ihren Zusammenhalt einzutreten bereit sind.
Was tun, bevor nur noch ziviler Ungehorsam als Mittel bleibt?
Netzwerk Courage *Dies Netzwerk bietet ein interessantes Gegenbeispiel gegen meine Argumentation, dass man Demokratie nicht in einer Interessengemeinschaft lernen könne. Zivilcourage ist gewiss eine wichtige Voraussetzung für funktionierende Demokratie, und die lernen die meisten Menschen am besten in Gemeinschaft.
Recht brechen, um Recht zu schützen, ZEIT online 14.1.17
Mit welchen Mitteln auch in der seriösen Presse partikulare Interessen gegen den Versuch, eine solidarischer Gesellschaft zu entwickeln, verteidigt werden, kann man hier nachlesen.
Neuste Beiträge zur Blogparade Förderung von Demokratiefähigkeit:
Thomas Krüger: „Wir müssen politische Vielfalt als Demokratiegewinn sehen“
Thomas Krüger: „Wir müssen politische Vielfalt als Demokratiegewinn sehen“
Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung äußert sich nicht absichtlich zu unserer Blogparade, aber eindeutig zu ihrem Thema. Er sieht politische Vielfalt als Gewinn und ist der Meinung, dass politische Bildung ihre größte Wirkung in der Jugend
hat.
Man braucht Nachrichten nicht zu fälschen, um zu manipulieren. Es reicht ein einseitiger Kontext.
Daniel Bernsen: Wie können Schulen Demokratiefähigkeit fördern?
Mitsprache und Mitentscheidung im Klassenzimmer als entscheidender Ansatzpunkt
Mitsprache und Mitentscheidung im Klassenzimmer als entscheidender Ansatzpunkt
Frühere Texte zum Thema:
- Fragen an die liberale Demokratie: eine Blog- und YTParade
- 10 Fragen an die liberale Demokratie
- #nichtmituns Fragen an die liberale Demokratie – Blogparade
- Historisch basierte Hassrede und schulischer Geschichtsunterricht
- Was kann Schule zur Unterstützung von Demokratiefähigkeit leisten?
- Schule gegen Populismus (ZEIT online)
- daraus: "Schüler erkennen auch, dass sie das politische System durchaus infrage stellen können, ohne gleich das Vertrauen in die repräsentative Demokratie zu verlieren. "
Links:
Praxisbuch Demokratiepädagogik, Bundeszentrale politische Bildung
Schulstadt „Uhlmanien“
Wilhelm Heitmeyer hat im Zusammenhang mit der Zunahme des Rechtspopulismus (FR 28.10.16) darauf hingewiesen, wie gefährlich die Gewöhnung an Missstände ist: "Das Fatale ist, dass alles, was als normal gilt, nicht mehr problematisiert werden kann."
Wenn es bei allem berechtigten Streit eine Gemeinsamkeit zwischen allen Demokraten geben sollte, dann gewiss die: Es darf nicht wieder wie gegen Ende der Weimarer Republik zum Allgemeinplatz werden, dass man weniger Demokratie brauche.
Qualifiziert handeln! Bildungsarbeit und Rechtspopulismus Veranstaltungstag am 27.3.17 in Frankfurt
Björn Höcke in Dresden "Höcke hat längst aufgehört, von Flüchtlingsproblematiken zu sprechen - er redet jetzt von einem Deutschland, das nicht aus der Nazizeit lernen darf"(Spiegel online 18.1.17)
Barack Obama über die Notwendigkeit, aus seiner Filterblase herauszukommen:
It’s what you said in your farewell address about Atticus Finch, where you said people are so isolated in their little bubbles. Fiction can leap — It bridges them. I struck up a friendship with [the novelist] Marilynne Robinson, who has become a good friend. And we’ve become sort of pen pals. I started reading her in Iowa, where “Gilead” and some of her best novels are set. And I loved her writing in part because I saw those people every day. And the interior life she was describing that connected them — the people I was shaking hands with and making speeches to — it connected them with my grandparents, who were from Kansas and ended up journeying all the way to Hawaii, but whose foundation had been set in a very similar setting. [...] Ausschnitte aus dem Interview mit der New York Times, NYT 16.1.17
Lamya Kaddor will "keine Rezepte liefern, es geht ihr darum, eine Debatte anzustoßen. Eine Debatte darüber, "was uns zusammenhält"."
Ich denke, wir sollten sie führen. (Fontanefan)
Hier hat Walter Böhme eine Blogparade zum Thema Förderung von Demokratiefähigkeit angestoßen, die ziemlich genau auf dasselbe Thema hinausläuft.
Zum Thema Bedrohte Demokratie jetzt Materialien zum Funkkolleg Sicherheit:
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