14.4.19

Von Gruppenarbeit, Leistungsbewertung und Plagiaten

Wissenschaftliche Arbeit besteht mehr und mehr in Zusammenarbeit.
Die "Fotografie" des (Schattens des) schwarzen Lochs bietet ein schönes Beispiel: Mehrere "Teleskope", zwischen denen ein Abstand von rund 10 000 km bestand, haben jeweils einen Teil zu dem "Foto" beigetragen. Die Auflösung eines einzigen Teleskops mit "nur" 50 m Durchmesser wäre dafür viel zu gering gewesen.
Natürlich ist nicht fotografiert worden, sondern es sind Daten ermittelt worden, die von mehreren Teams zusammengetragen wurden und dann von einem Team ausgewertet wurden, das mit einer Software arbeitete, die in Teamwork erstellt wurde.
Auch wer an einem großen Teil der Arbeitsvorgänge teilgenommen hat, wird im Normalfall nicht beurteilen können, wer die wichtigste Einzelleistung erbracht hat.
Freilich spricht viel dafür, dass die wesentlichste Einzelleistung der Entwurf der gesamten Konzeption ist. Meist schreibt man den wohl dem zu, der die Konzeption den Institutionen vorlegt, die die notwendigen Forschungsmittel zur Verfügung stellen.*

Beispiele zu Forschung, Lehre, Publikation und zur Beurteilung des Leistungsanteils:
Ein Professor verteilt Themen zu mehreren Seminararbeiten. Danach übernimmt er Argumentationen und Formulierungen daraus.
Ein Professor bespricht mit einer Person, die eine Doktorarbeit schreibt, dessen fortlaufende Arbeit und greift einen Teil dessen, was er sich in diesen Gesprächen erarbeitet hat, in einem Aufsatz auf.
Ein Professor führt in der Vorlesung vor, wie er Quellen interpretiert, danach verteilt er eine Reihe von Themen, zu deren Bearbeitung im wesentlichen diese Interpretationstechniken herangezogen werden müssen.
Ein Professor setzt eine von seinem Institut bezahlte Hilfskraft ein, um festgelegte Arbeitsschritte zu erledigen und dann ein Ergebnis zu formulieren.
Wer kann beurteilen, wie groß der Anteil der verschiedenen Personen am Endergebnis ist?

Mir unvergessen:
Beim wörtlichen Zitat wurde kein Hinweis auf das Urheberrecht am Zitat und kein Hinweis auf die Bearbeitung des Themas in einem Seminar gegeben.
Von den Arbeitsergebnissen der bezahlten Hilfskraft wurde kein Ergebnis irgendeines eines Arbeitsschritts verwertet, aber für ihre (angebliche) Mitarbeit an dem Buch wurde ihr dort gedankt.
Diese Hilfskraft war ich, und unvergessen ist mir auch die Bezeichnung "Lehramtskandidat", mit der ich genannt wurde, um klar zu machen, dass es nicht um eine "nur" studentische Hilfskraft ging.

Dagegen hatte ich, bevor ich es eben nachgelesen habe, nicht mehr im Kopf, dass ich in der Einleitung zu einer Quellensammlung zur Königserhebung, die ich herausgegeben habe, genau die Prinzipien der Behandlung des Themas wiedergegeben habe, die ich zuvor in Vorlesung und Seminar des Professors gelernt hatte, selbstverständlich (?), ohne sie als sein Gedankengut zu kennzeichnen, da ich ja erwähnt hatte, dass die Sammlung aus seiner Seminarübung hervorgegangen war. Heute gibt es da andere Vorstellungen von Plagiat.

Wie ist der Anteil von Greta Thunberg an der Entstehung der weltweiten Schülerstreiks zu bewerten?
Gewiss stammt die Konzeption der weltweiten Organisation nicht von ihr, aber auch nicht die publizistische Arbeit, die erforderlich war, dass ihr Schulstreik national und international so bekannt wurde, dass sie bei der Weltklimakonferenz und beim Weltwirtschaftsforum sprechen und ihre Initiative weltweit bekanntmachen konnte.
Andererseits ist aber schwer vorstellbar, dass ohne das vorbildhafte Praxisbeispiel einer 16-Jährigen der Gedanke eines Schülerstreiks hätte Fuß fassen können.
Dass sie monatelang Einzeltäterin war, unterscheidet sie von so viel beredteren Sprecherinnen der Gelbwestenproteste und der Klimaaktivisten.


* Im Fall des "Fotos" des schwarzen Lochs hat man freilich der 29-jährigen Katie Bouman eine wichtige Rolle bei der Erstellung der nötigen Software zugeschrieben und damit einen Shitstorm gegen sie ausgelöst. Ich nehme an, dass Andrew Chael ihre Leistung besser beurteilen kann als diejenigen, die sie jetzt angreifen. Ich selbst kann es natürlich nicht beurteilen. - Freilich könnte die Berühmtheit von Greta Thunberg begünstigt haben, dass man im Kontext mit dieser wissenschaftlichen Leistung eine Frau besonders herausgestellt hat. Katie Bouman ist freilich primär eine hochqualifizierte Wissenschaftlerin, nicht eine Aktivistin, die die Mehrzahl der Regierungen der Welt angreift. Bei ihr gilt wohl eher "Eine kluge Frau hat Millionen geborene Feinde: alle dummen Männer." (Marie von Ebner Eschenbach), während Greta angegriffen wird, weil sie den Leugnern des menschengemachten Anteils des Klimawandels das Leben etwas schwerer macht und 14-jährige Mädchen (Beispiel) dazu "verführt" hat, sich für Politik zu interessieren.

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