19.6.08

Aushöhlung der Verfassung

Das Urteil des Hessischen Staatsgerichtshofs vom 11.6.2008 bedeutet eine ausdrückliche Abkehr von der Bestimmung der Hessischen Verfassung, dass das Hochschulstudium unentgeltlich ist (Art.59 Absatz 1, Satz 1). Das wird im Minderheitsgutachten von 5 der 11 Richter (am Schluss des oben verlinkten Urteils wiedergegeben) überzeugend dargelegt. Die Mehrheitsentscheidung ist nur daraus zu erklären, dass man das Studium der zureichend Begabten nicht mehr als eine gesellschaftliche Aufgabe, sondern als eine Privatinvestition in Bildung ansieht. Die kostenlosen Darlehen sind dann die Subvention des Staates von volkswirtschaftlich als nützlich angesehenen Investitionen. Das widerspricht aber Geist und Buchstabe der Verfassung.
Anders als bei der extremen Einschränkung des Asylrechts durch Artikel 16a des Grundgesetzes hat diese Entscheidung aber nicht der Verfassungsgesetzgeber getroffen, sondern eine knappe Mehrheit der Richter des Staatsgerichtshofes.
Selbst die Zulassung des Angriffskrieges entgegen Artikel 26 des Grundgesetzes, wie sie vom Bundesverfassungsgericht entschieden wurde, war wenigstens indirekt durch die Änderung des Artikels 79 (1) des Grundgesetzes durch den Verfassungsgesetzgeber vorbereitet. (Auch wenn die Formulierung "Bei völkerrechtlichen Verträgen, die eine Friedensregelung [..] zum Gegenstand haben oder zur Verteidigung der Bundesrepublik bestimmt sind, genügt zur Klarstellung, daß die Bestimmungen des Grundgesetzes dem Abschluß und dem Inkraftsetzen der Verträge nicht entgegenstehen, eine Ergänzung des Wortlauts die sich auf diese Klarstellung beschränkt." Geist und Buchstaben des Artikels 79 (1) Satz 1 eindeutig widerspricht.) So konnte vom BVG argumentiert werden, die Verteidigung der BRD sei gefährdet, sobald sie sich innerhalb der NATO politisch isoliere.

Das Urteil des Hessischen Staatsgerichtshofes aber kommt ganz ohne Verweis auf eine veränderte Intention des Verfassungsgesetzgebers aus, sondern orientiert sich an Zeitgiest und den Bestimmungen eines einfachen Gesetzes.

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