17.9.11

Fischers Erinnerungen 2


In Fischers Erinnerungen steht freilich nicht nur höchst Fragwürdiges.
Erfrischend klingt, was er über europäische Großmachtambitionen schreibt.
"Und so wird der Rest der Welt eines Tages den Europäern wohl klarmachen müssen, dass das 19. Jahrhundert und auch die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts längst Geschichte sind und die globale Machtverteilung der Gegenwart nicht mehr, wie in der Vergangenheit, von europäischen Mittelmächten bestimmt werden kann." (S.299 - Hervorhebungen von mir)
Seinen eigenen Versuch, einen ständigen Sicherheitsratssitz für die EU an die Stelle des britischen und des französischen zu setzen, hatte er schon bald aufgeben müssen, als er sah, wie viel diesen Ländern an der bisherigen Regelung lag.

Zur Stellung der heutigen Großmächte sagt Fischer, die Finanzkrise habe die Stellung der USA als einzige Weltmacht erschüttert. "In der Folge dieser Krise wurde der relative Abstieg der USA ebenso offensichtlich wie der Aufstieg der großen Schwellenländer China, Indien und Brasilien." (S.353)


Und auch sein Hinweis darauf, dass weltbewegende Veränderungen in westlichen Gesellschaften – und nicht nur in denen – oft „alltagstauglich verdrängt“ werden, ist ja ganz richtig. Die entscheidende Menschheitsfrage, nämlich, ob es gelingt, unsere Wirtschaft rechtzeitig so umzustellen, dass es nicht allseits zu Kriegen um ausgehende Ressourcen kommt und dass der Klimawandel die Erde nicht für Menschen unbewohnbar macht, die wird in der Tat meist verdrängt. (Ich nehme mich nicht davon aus.)

Aber auch Fischers Behauptung, dass manches weniger gewaltsam verläuft, ist treffend. Nur hätte er nicht gerade behaupten sollen, das gelte nicht für Revolutionen.
Denn gerade für die hat Timothy Garton Ash  am Beispiel der gewaltlosen Umstürze von 1989   einen neuen Typus der gewaltarmen Revolution beschrieben, wie er sich auch im Arabischen Frühling wieder zeigte. (Zu Ash vgl. seinen Aufsatz ''Samtene Revolution in Vergangenheit und Zukunft'' in: Jahrhundertwende. Weltpolitische Betrachtungen 2000 - 2010, München 2010, S.87-100)

Um Fischer noch weiter zu loben, hier auch der Hinweis auf das Buch von Paul Hockenos: Joschka Fischer and the Making of the Berlin Republic, 2008

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