28.4.09

Nur der Schüler kann lernen, nicht die Schule für ihn

Die unschooling-Bewegung vermisst in der Schule die Möglichkeit des Schülers, seinen eigenen Lernprozess zu bestimmen. Dass das für Schule nur noch bedingt charakteristisch ist, wird recht informativ im Blog von Herrn Larbig dargestellt. Insbesondere weist er auf das Futurelab und seine neuste Studie zu Curriculum and teaching innnovation hin, die eine Konzeption vertritt, wonach der Schüler und seine Bedüfnisse Zentrum jedes Lernarrangements sein sollen.

Damit verändert sich auch die Sicht auf die Lernmöglichkeiten, die Web 2.0 bietet. Dann ist es nämlich "nicht nötig, dass der gesamte Unterricht auf digitale Medien ausgerichtet ist" (Zitat: Torsten Larbig), wie es im medienpädagogischen Manifest gefordert wird. Vielmehr muss es dem Schüler ermöglicht werden, auch die Chancen von Web 2.0 zu nutzen.

23.4.09

Wikipedia, Wikisource, Google

Am Tag des Buches sollte man es aussprechen: Der Tag, an dem sich der Autor von seinem Mäzen befreien konnte, weil er mit seinem Schreiben Geld verdienen konnte, war ein guter Tag. (Als Fontanefan denke ich nicht nur an Schiller, der seinem Fürsten in die Freiheit entkam, sondern auch an Fontane, der die Sekretärsstelle aufgeben und sich ganz aufs Romaneschreiben konzentrieren konnte.)
Der Tag, an dem die letzte Schule sich ihren Sponsor suchen muss, weil der Staat Bildung total privatisiert hat, hat mehr als Orwellsche Ausmaße.

Gegenwärtig ist noch ein anderer Vorgang aktueller: die Vergesellschaftung von Wissen. Wikipedia hat - in Nachahmung der Open-Source-Projekte bei der Computersoftware - als erste Institution in großem Umfang mit der Produktion freien Wissens begonnen. Wikisource wurde als Folge"produkt" entwickelt, eine Institution, die Texte über Internet frei zugänglich macht.
Scheinbar auf derselben Linie liegt Google mit seinem Projekt, sämtliche Bücher zu digitalisieren und über das Netz - voläufig in Auszügen - zur Verfügung zu stellen.

Für mich ist es ein ungeheurer Unterschied. Bei Wikipedia entscheiden sich Autoren freiwillig dafür, kostenlos vorhandenes Wissen konzentriert und gut geordnet im Netz zu präsentieren. Wikisource stellt - wegen Auslaufen des Copyrights - gemeinfrei gewordene Werke in seriösen Ausgaben Benutzern im Internet zur Verfügung. Google droht an, alle Autoren gegen eine Entschädigung von 60 Euro pro Werk zu enteignen. (Die angekündigten Tantiemen aus Werbung ließen sich seitens eines Monopolisten auf beliebig niedrige Prozentsätze drücken.)
Wenn wir wieder in die Zeit des Mäzenatentums zurückkehren, wo Ackermann und Zumwinkel entscheiden, ob Günter Grass und Hans Magnus Enzensberger das sorgenfreie Überleben gesichert werden soll oder nicht, so wie Maecenas und Augustus es sich mit Horaz überlegt haben, so sehe ich persönlich nicht ein goldenes Zeitalter der Literatur voraus.
Doch das wäre zu diskutieren. Als Anregungen dazu empfehle ich aus der ZEIT vom 23.4.09 Susanne Gaschkes Beitrag zu "Diebstahl geistigen Eigentums im Internet" auf Seite 1 wie den Heidelberger Appell, der in dieselbe Richtung zielt, und andererseits Jürgen Neffes fast schmerzfreien Abschied vom Gutenbergzeitalter auf Seite 51 sowie den Blogbritrag des Wikipedianers Thomas Schindler, der Googles Vorstoß positiv f´gegenüber steht.

21.4.09

Notengebung

Inzwischen glaube ich, dass die Schule tatsächlich eine einzigartige Kommunikationssituation erzeugt, mit der einfach nicht jeder klarkommt, die aber nur begrenzte Schlüsse auf das Verhalten in späteren Berufssituationen zulässt. Deshalb finde ich es hervorragend, wenn Schüler primär nach Äußerungsformen beurteilt werden, mit denen sie sich wohl fühlen. Sie durch Abwertung in Bereichen, die sie nicht mögen, auf das “wahre Leben” vorzubereiten, zeugt vielleicht von einer Überschätzung des Modellcharakters der schulischen Situation.
So Johannes Wiele in einer Diskussion über mündliche Noten und introvertierte Schüler bei Jochen Englisch.
Ich sehe es ähnlich wie Johannes Wiele und habe seit einiger Zeit stets zwischen Klassenarbeitsnoten und Noten für alles andere unterschieden. Wer nichts sagt, kann nach den schriftlichen Leistungen außerhalb der Klassenarbeiten beurteilt werden, wer viel und Gutes im laufenden Unterricht leistet, dessen Hausaufgaben braucht man nicht zu korrigieren, um zu einer begründeten Note zu kommen.

Mein medienpädagogisches Konzept

Bereiche, die m.E. in den bestehenden Lehrplänen angemessen repräsentiert sind, übergehe ich weitgehend, und Schreib- und Leseaufwand nicht unnötig zu erhöhen.

Lehrer sollten recherchieren (d.h. auch im Internet) und korrekt zitieren können sowie eine Textverarbeitung beherrschen. Mathematiklehrer sollten Tabellenkalkulation, ein Datenbankprogramm und eine Software für mathematisches Zeichnen beherrschen.
Allen Lehrern sollte bekannt sein, dass unbezahlt erarbeitete open source Software und Lexika eine hohe Qualität erreichen können, dass aber bei Lexika zwei prinzipielle Schwächen bestehen: Exoten- und Überblicksartikel können von minderer Qualität sein. Exotenartikel, weil sie seltener von Benutzern kontrolliert werden und Überblicksartikel, weil sie einen besonderen Aufwand an Strukturierung erfordern.

Schüler sollten im wesentlichen in folgender Reihenfolge in Medien eingeführt werden: Lesen, Schreiben, Fernsehverarbeitung, Informationsvermittlung, Recherche, Datenschutz (besonders Gefahren von Cybermobbing und Verhaltensüberwachung), Textverarbeitung und mathematisches Zeichnen, Wissenskonstruktion.
An jeder Schule sollten Arbeitsgemeinschaften für Videoerstellung und Textproduktion, insbesondere Blogging und Arbeit mit Wikis angeboten werden.

Entgegen einer Tendenz in Lehrplänen und Praxis sollte Informationsübermittlung sich nicht auf die technische Beherrschung einer marktgängigen Präsentationssoftware beschränken, sondern als Erzählen, Berichten, Erklären und die Organisation des gemeinsamen Erarbeitens von Kenntnissen und Fertigkeiten verstanden werden.
Im Laufe des Curriculums sollte Informationsvermittlung zugunsten von Wissenskonstruktion zurücktreten.

Weil ich sicher bin, Wesentliches übergangen und manches zu einseitig dargestellt zu haben, habe ich dieses Konzept auch auf eine Benutzerunterseite im ZUM-Wiki gestellt, damit die Diskussion nicht nur hier, sondern auch dort auf der Diskussionsseite geführt werden kann und kleinere Änderungen sofort vorgenommen werden können. Bei wesentlichen Abweichungen von meinem Konzept bitte ich, ein eigenes Konzept zu formulieren und es im Artikel Medienpädagogik zu verlinken.

Bei Dotcom finde ich eine Reihe von Beiträgen zum Thema, die ich hiermit verlinken will. Ich befürchte, dass manche glauben, das was im Bereich digitaler Medien gebenwärtig wegen ständiger neuer Handwerkszeuge, Verzeihung: Tools, sinnvoll ist, nämlich die ständige Suchbewegung nach Orientierung in einem sich verändernden Raum, wäre auch die beste Vorbereitung für Kinder, die die Basis, Verzeihung Schlüsselqualifikationen, für Urteils- und Handlungsfähigkeit in der mittleren Zukunft erwerben wollen.
Aber darüber sollte man diskutieren.

Nachtrag: Jedenfalls in Großbritannien werden Kenntnisse des Web 2.0 offenbar als wichtiger angesehen, als sie in meinem Konzept rangieren, oder gilt das nur für eine Gruppe von Kommunikationsspezialisten, die man als einer vertieften naturwissenschaftlichen Ausbildung nicht gewachsen ansieht?

20.4.09

Educamp 09 - einige Links zu Berichten

Die öffentliche Hauptseite des Educamps findet man hier.
Inzwischen sind im dortigen Wiki auch einige Links zu Berichten über educamp09 eingestellt.
Für den direkten Zugriff führe ich aber ein paar Links gleich hier an:
Für den Deutschlandfunk hat Ulrike Greim berichtet.
Christian Spannagel hat seine Kurzmitschrift in Wikiversity ins Netz gestellt.
Jean-Pol Martin berichtet betont subjektiv und anregend auf seinem Blog. Dort wird man zu gegebener Zeit auch den Link zu dem Videobericht von Lutz Berger finden.
Bildung im Dialog hat bereits eine Reihe von Interviews vom educamp09 zusammengestellt. (Graham Attwell, Christian Spannagel, Melanie Gottschalk, Tina und Tobi)

Educamp09 - René Scheppler

Die Grundidee, die dahinter steckt, ist eigentlich die des Web 2.0, dass Schüler anfangen, selber Materialien zu erstellen, dass Schüler selber Inhalte konstruieren, und nicht einfach nur konsumieren aus Schulbüchern. Sondern wir versuchen beispielsweise, zu einem kleinen Bereich der Geschichte ein eigenes Schulbuch zu schreiben.
So René Scheppler über seine Unterrichtsarbeit im Netz. Er arbeitet mit einer 8. Klasse in moodle. Deshalb kann man dabei - leider! - nicht zusehen.
Aus der Zeit, als ich Ähnliches im ZUM-Wiki - öffentlich - versucht habe - ist nur noch wenig zu sehen. Wenn man alles stehen lässt, ist tatsächlich die Ausgangsvoraussetzung in den Folgeklassen so verändert, dass man einen ganz neuen Ansatz wählen muss. (Das gestehe ich Ralf Hilgenstock gern zu.)
Aber die Homepage der Klasse ist noch übrig. Wer sich den Spaß machen will, kann mal mit dem entsprechenden Abschnitt aus dem Artikel Menschheitsgeschichte aus der Wikipedia vergleichen und für sich entscheiden, was ihm besser gefällt.
Als Schulbuch im Internet ist allemal das "Geschichtszentrum" beiden vorzuziehen. Aber wenn erst einmal mehrere Jahrgänge versucht haben, etwas Eigenes zu erstellen, ist das vielleicht für Schüler besser geeignet als alles, was bisher im Netz dazu angeboten wird. Da heißt es nur dranbleiben.
Wenn das Lehrbuch auch noch nicht perfekt wird, so doch etwas Lernen durch Lehren stattgefunden, jedenfalls, wenn der Lehrer genügend darauf achtet, dass nicht für ihn, sondern für die Mitschüler geschrieben wird. (Da lässt die Homepage meiner damaligen Klasse noch sehr zu wünschen übrig.)
Wenn jemand in diesem Eintrag Schleichwerbung für das ZUM-Wiki entdeckt hat, bin ich ertappt. Was dort zu Geschichte steht, ist aber durchaus noch ausbaufähig. Jeder Helfer ist willkommen.

Manuskripte von Madame Bovary und einem Bericht vom Russlandfeldzug

Das Manuskript von Madame Bovary ist jetzt bei der Universität Rouen per Internet einsehbar, hier S.31.
Digitalisierungen dieser Art gibt es jetzt in großem Umfang.
Weil sie copyleft-Texte liefert, liebe ich da "meine" Wikisource.

Wiki=schnell ist da allerdings missverständlich. An diesem Russlandtext habe ich jahrelang entziffert. Seit Wikisource - genau genommen die freiwilligen Mitarbeiter - dann am 29.7.2008 übernommen haben, ging es zwar wesentlich schneller. Doch dauerte es immerhin noch einige Monate, bis der vollständige Text transkribiert (entziffern ist nur der etwas laienhafte Ausdruck, der nur das Lesen beschreibt) und korrekturgelesen war. Was bei der zwar sehr sauberen, aber doch etwas ungewohnten Schrift sowie angesichts der noch nicht vorhandenen Rechtschreibung gar nicht so leicht war. Noch aber fehlt bei manchen Seiten die abschließende Zweitkorrektur. (Dier hier gelb bezeichneten Seiten sind bisher nur einmal Korrektur gelesen.)
Gegenwärtig geht es aber nur noch sehr langsam voran, weil Transkription, Erstkorrektur und Zweitkorrektur jeweils von einer anderen Person geleistet werden müssen. Und gegenwärtig sind nur noch drei Personen bei dem Projekt aktiv, was komplizierte Absprachen erfordert.
Wer also mitwirken will, ist eingeladen, sich anhand des entzifferten Textes einzulesen und sich an die Zweitkorrektur zu wagen. Benutzer 9xl, Benutzer:Cethegus und Benutzer:Paulis leisten gewiss gern Hilfestellung.

19.4.09

Über diesen Blog

Da in diesen Tagen wohl manche vorbeischauen werden, die diesen Blog bisher noch nicht kannten, möchte ich kurz erklären, welche Aufgabe er aus meiner Sicht erfüllen soll.

* Er dient nicht der Vorstellung von Unterrichtsmaterial. Das biete ich auf meiner Homepage an, vor allem aber im ZUM-Wiki, wo ich auf meiner Benutzerseite auf die von mir angelegten Klassen- und Kursseiten und Artikel hinweise. Ein Wiki empfinde ich als ideales Mittel für die gemeinsame Erstellung von Internetartikeln. Schließlich komme ich von der Wikipedia her, wo ich freilich nie als Fontanefan geschrieben habe.

* Dieser Blog soll vielmehr nur Entwicklungen im Schulbereich festhalten und auch meine Meinung dazu artikulieren. Dabei gilt mein besonderes Interesse den "neuen Medien", auch wenn ich überzeugt bin, dass andere Aspekte, vor allem psychologische Beratung und Mediation, weit wichtiger sind.

* Neuerdings möchte ich auch ausdrücklich auf das ZUM-Wiki hinweisen, weil ich bedauerlich finde, dass so viel Unterrichtsmaterial und Unterrichtsreflexion auf Blogs halb versteckt ist, wo es doch sinnvoller leicht auffindbar ins ZUM-Wiki gestellt und dort gegebenenfalls verbessert werden könnte.
Das ist eine der wenigen Meinungsverschiedenheiten, die ich mit Herrn Rau habe, der durchaus nicht einsehen will, dass seine hervorragenden Texte zu Informatik, Englisch und Schulorganisation eben nicht erst von ihm überarbeitet werden müssen, um sinnvoll im Wiki Platz zu finden. Die Wikifizierung lässt sich ja auch von anderen nachholen.
Neuerdings weise ich auch in Twitter auf das ZUM-Wiki hin.

Diskussion zu Medienpädagogik

Meinen vorigen Artikel haben Herr Larbig und Andreas Kalt als Ausgangspunkt für bedenkenswerte Reflexionen genommen, die im ZUM-Wiki beim Artikel Medienpädagogik verlinkt sind und weiter diskutiert werden.

Einen Versuch eine geordnete Stellungnahme zum Medienpädagogischen Manifest zu formulieren, werde ich erst machen, wenn die dortige Diskussion ausgelaufen zu sein scheint.
Inzwischen habe ich mein medienpädagogisches Konzept formuliert.

17.4.09

Medien im Unterricht

Vornehmlich das Medienpädagogische Manifest und ein Beitrag von Ralf Hilgenstock im Moodle-Blog, auf den ich durch Klaus Dautel bei ZUM-Unity aufmerksam gemacht wurde, veranlassen mich, mich hier etwas grundsätzlicher zu Medien im Unterricht zu äußern.

Das geschieht zunächst relativ ungeordnet. Vielleicht findet sich schon bald Zeit, etwas mehr Ordnung hineinzubringen.

Zum Medienmanifest:
1. Pädagogik im Medienzeitalter ist notwendigerweise u.a. Medienpädagogik. Das gilt aber schon, seit es Bücher gibt.
2. Nicht zufällig werden neuerdings fast nur noch die "neuen Medien", also aufwändige, teure und vom Verschleiß besonders stark betroffene Medien im Zusammenhang mit Medienpädagogik diskutiert. Das liegt im Interesse der entsprechenden Industrie.
3. Ich persönlich nutze Web 2.0 gern und viel. Es hat viele Vorteile, auch für das Lernen, aber auch viele Nachteile. - Doch ohne das Internet hätten sich nie so viele intelligente Menschen darauf eingelassen, mich bei meiner Arbeit zu unterstützen, wie es inzwischen der Fall war. Ich nenne keine Namen.
4. Mir wäre ein Ausbau der psychologischen Beratung von Schülern, Eltern und Lehrern viel wichtiger als zusätzlicher Aufwand für Medienpädagogik. Es besteht ein ungeheurer Bedarf, und der wird nur zu einem sehr kleinen Teil abgedeckt.
5. Wer Web 2.0 propagiert, sollte zumindest mit den Hauptgedanken der Computerkritik von Joseph Weizenbaum und der Internetkritik von Clifford Stoll vertraut sein.
6. Das Web dient mehr der Informationsbeschaffung als dem Lernen, aber wer keine solide Bildung hat, wird 10 Jahren ohne Nutzung des Internets einen wesentlichen Nachteil gegenüber Benutzern des Internets haben.

Zu den Vorteilen von geschlossenen Lernplattformen gegenüber öffentlichen Blogs und Wikis:
1. Ich sehe nicht ein, weshalb Menschen, die persönlich miteinander kommunizieren können, das über Computer tun sollten.
2. Eine Ausnahme kenne ich. Das gemeinsame Formulieren von Texten gelingt, je größer die Zahl der an der Formulierung Beteiligten ist, am besten über ein Wiki.
3. Personen, die die Tragweite von öffentlichen Äußerungen im Internet nicht einschätzen können, dazu zu veranlassen, sich ungeschützt im Internet zu äußern, halte ich für unverantwortlich.
4. Decknamen und Prüfung der Beiträge vor der Einstellung ins Netz erscheinen mir daher als Mindestvoraussetzung für die Arbeit von Minderjährigen im Netz.

Zu den weiteren Fragen, die Hilgenstock anschneidet, möchte ich mich nicht thesenartig äußern.
Die Wiederholbarkeit ist, wenn die Schüler bessere Netzübersicht haben als der Lehrer, sicher ein Problem. Aber gerade bei Wikis gibt es doch stets die Möglichkeit Kurzfassungen, Kommentare usw. als Aufgabe zu stellen, und die Hoffnung, dass man zu Dürrenmatts Physikern auch mal etwas anderes diskutiert wird als die Phrase "Physiker, aber unschuldig" würde mich beflügeln.
Schon lange hätte ich zu der deutschen Wikipedia gern eine Version in einfachem Deutsch, eine Version für die 6. Klasse, eine für Grundschüler etc. Daran gäbe es für hunderte von Schulen nach jahrelang zu tun, vor allem mit den vielen Diskussionsseiten, auf denen die Lehrer sich streiten und die Schüler schon früh etwas über Falsifizierbarkeit und wertgebundenes Wahrheitsverständnis lernen.

Überforderung schon in der Lehrerausbildung

Am Beginn der Lehrerausbildung gibt es zwar noch nicht das Burnout-Syndrom, zu dem ich am 9.4. etwas geschrieben habe, aber auch da kommt es nicht selten zur Überforderung, und die ist von den Kultusministerien aus Rentabilitätsgründen so eingeplant und im Einzelfall nur schwer zu vermeiden.

"Für viele Lehrer in der Ausbildung kommt die Phase des eigenverantwortlichen Unterrichts zu früh", sagte mir ein erfahrener Ausbilder, "aber die Schulen sehen es gar nicht gern, wenn wir darauf hinweisen, dass ein Lehrer im Vorbereitungsdienst besser noch nicht allein unterrichten sollte, denn die Stunden sind ja im Schuldeputat eingerechnet, und sie bekommen keinen Ersatz dafür."

Beim vom Fachlehrer begleiteten Unterricht wartet eine andere Falle. Selbst erfahrene Lehrer fühlen sich bei G8 so unter Druck gesetzt, dass sie kaum bereit sind, dem Neuling Raum für seine Unterrichtsversuche zu geben. Auch der gerät unter Druck, weil der Fachlehrer seine Stunden nur hergeben will, wenn der Stoff im selben Tempo durchgezogen wird wie sonst von ihm. (Zur Situation der Referendare vgl. auch Spiegel-online)

Besonders krass fand ich folgenden Vorgang. Denn es scheint, dass es unter den jetzigen Umständen für den Referendar sehr problematisch sein kann, wenn sich seine Ausbilder zu sehr darauf konzentrieren, dass er etwas lernt.

Neuerdings gehört zur Ausbildung nämlich auch ein Modul Schulentwicklung.
Ich sprach darüber mit einem befreundeten Schulleiter. Der meinte:
"Natürlich haben selbst die meisten fertigen Lehrer kaum einen Blick für Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Schulentwicklung; aber wenn man gut plant, kann man den Referendaren Aufgaben anbieten, die sie bewältigen können."

Nun kam ich mit einem eigenen Vorschlag:
Die Maschendraht-Community bemüht sich gegenwärtig, Studenten, Dozenten, Lehrer, Schüler und Eltern miteinander zu vernetzen und neue Unterrichtskonzepte wie Lernen durch Lehren vorzustellen und Lehrer bei deren Einführung zu unterstützen. Außerdem werden dort Möglichkeiten von Web 2.0 (Blogs und Wikis) erprobt. Könnte man nicht einen jungen Lehrer anregen, diese Entwicklungen mitzuverfolgen und dann der Schule darüber zu berichten?

Die Antwort war: "Das wäre sicher sinnvoll für seine Ausbildung und auch dem Kollegium täte es sicher gut, mehr zu diesen Fragen zu hören. Aber es ist zu riskant für den Referendar. Denn bei diesem neuen Gebiet ist nicht sicher, dass er zu eindeutigen Ergebnissen kommt. Es könnte sein, dass er überfordert ist, Nutzen und Nachteil der Methoden gegeneinander abzuwägen. Das aber wird der Ausbilder von ihm verlangen. Wenn es ihm nicht gelingt, könnte das seiner Note schaden. Deshalb biete ich den Referendaren eng umgrenzte Aufgaben an, von denen ich schon vorher weiß, was dabei herauskommen kann. Das verlangt meine Fürsorgepflicht."

Ich weiß, dass dieser Schulleiter für alles Neue offen ist, aber das Wohl der ihm anvertrauten Schüler und Lehrer wird er nie aufs Spiel setzen.

Wie soll unter solchen Bedingungen eine vernünftige Lehrerausbildung und eine sinnvolle Schulentwicklung möglich sein?
Zum Glück gibt es immer wieder Engagierte, die allen Hindernissen zum Trotz die Entwicklung vorantreiben.

16.4.09

Was passt nicht in diese Reihe?

Der Lehrerfreund, für mich zusammen mit Lehrerzimmer der Lehrerblog, den ich am regelmäßigsten lese, hat in einem Blogbeitrag neun sehr lesenswerte Lehrerblogs vorgestellt. Einer ist dabei, der nicht dahin gehört.
Man sollte sich die Blogs mal ansehen und wenn man die schwere Wahl für drei von ihnen treffen kann, auch dort abstimmen. Die meisten hatte ich vorher schon verlinkt, einige hatte ich freilich erst bei der Vorstellung der 70 Lehrerblogs kennengelernt.
Besten Dank für die Initiative an den Lehrerfreund!

9.4.09

Was tun gegen Burnout?

Eine halbwegs ausführliche Liste ihrer privaten Rezepte hat Nele hier zusammengestellt.

Manchem kann ich nicht recht zustimmen. Beherzigenswert finde ich aber die folgenden Punkte:
5. Nein, ich muss mich nicht für meine Schüler aufopfern. Ich helfe ihnen so gut ich kann, aber es gibt Grenzen.
6. Ich habe ein Recht auf Freizeit und auf ein Sozialleben.
7. Nein, die Schule ist nicht wichtiger als meine Gesundheit/meine Ehe/meine Beziehung/meine Kinder/meine Lebenszufriedenheit.

Es ist gut, wenn an einer Schule nicht alle Lehrer ständig die Grenzen des Helfens nach dem Prinzip der 41-Stundenwoche ziehen. Auch nicht bei der gemeinsamen Arbeit an Schulprojekten. Schule lebt davon, dass immer wieder Lehrer die Arbeit mit Schülern zu ihrem Hobby machen oder ihr Hobby in die Arbeit mit Schülern einbringen können.
Aber eine Schulleitung, die diese drei Punkte um höherer Ziele willen nicht berücksichtigen zu müssen glaubt, gefährdet auf Dauer die Wohlfahrt nicht nur der Lehrer, sondern auch der Schüler.