19.12.22

Warum müssen wir das lernen?

 "Müssen" gar nicht; aber es hat große Vorteile, etwas gelernt zu haben, auch wenn man es 40 Jahre lang nicht braucht.

Der Lehrerfreund erläutert 5 Hauptgründe.

Meine Begründung: Als ich die Wikipedia kennenlernte, hatte ich gleich eine Menge beizutragen und das hat mir mehr Spaß gemacht als manches, was ich sonst zur Entspannung getan habe.

Inzwischen ist es sehr viel schwieriger geworden, etwas Sinnvolles zur Wikipedia beizutragen, weil die Ansprüche an Artikel viel höher geworden sind. Aber zu Themen, die mir wichtig sind, kann ich selbst jetzt noch Sinnvolles beitragen. Und wenn ein Thema in der deutschen Wikipedia schon behandelt ist, kann ich es in der Simple English Wikipedia behandeln. Dann ist es mir schon passiert, dass jemand es in eine der nigerianischen Sprachen übersetzt hat und danach auch andere Artikel, die ich in der SE Wikipedia eingestellt habe. 

Da es mir sehr wichtig ist, über das Thema Klimawandel auch in Afrika zu informieren, halte ich es für gut, dass jetzt Artikel zu "Das Klima-Buch" und zu Greta Thunberg auch in einer afrikanischen Sprache gibt, in der es zu beiden Stichworten noch keine gab. So gibt es jetzt in 109 Sprachsektionen der Wikipedia einen Artikel zu Greta gibt.

16.12.22

Erklärung, weshalb für mich Greta Thunbergs Klima-Buch das wichtigste Buch seit Jahren ist

 Ganz konkret geht es mir gegenwärtig darum, darauf aufmerksam zu machen, wieviel ich noch über die Klima- und Biodiversitätskrise erfahren musste, um den Ernst der Krise zu verstehen. Erst die Lektüre des Klimabuchs von Greta Thunberg hat mir klar gemacht, was sie mit der folgenden Formulierung meint: "Wir sind uns nicht bewusst, dass wir uns in einer Klimanotlage befinden. Aber das ist gar nicht das Hauptproblem. Das Hauptproblem ist, dass wir uns nicht darüber im Klaren sind, dass wir uns dessen nicht bewusst sind. " (S.308) Journalisten, Politiker und die Bevölkerung suchen nach Instrumenten, wie wir den Klimawandel im Rahmen halten können. Wir sind uns aber nicht darüber im Klaren, wie unzureichend die bisherigen Versuche waren. Thunberg ist daher zu der Überzeugung gekommen, dass das Aufmerksammachen auf die Krise (und das bezieht sich sicher auch auf die Aktionen der Letzten Generation) völlig unzureichend ist, so lange nicht eine breite Öffentlichkeit die Komplexität und den ganzen Ernst verstanden hat. Deshalb hat sie über hundert Experten dafür gewonnen, einerseits Einzelaspekte des Problems aus ihrer Sicht zu beschreiben und andererseits Lösungsansätze zu skizzieren.

Ich greife nur ein Beispiel heraus: Der Wirtschaftswissenschaftler Piketty schreibt da: "Die obersten 10 Prozent der Weltbevölkerung sind für etwa 50 Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich, während die untere Hälfte der Weltbevölkerung lediglich 12 Prozent aller Emissionen beiträgt." (Das Klima-Buch, S.445) Ohne grundsätzliche Änderung der Lebensweise dieser 10 Prozent, zu denen die politischen und wirtschaftlichen Eliten der ganzen Welt, aber auch ein sehr großer Teil der Mittelschichten der hochindustrialisierten Länder gehören, können also Maßnahmen nicht erfolgreich sein. Deshalb muss man in Demokratien die Einsicht der Mehrheit dafür gewinnen, dass diese Änderung notwendig ist. Daher müssen die dafür notwendigen Informationen erst einmal bekannt geworden sein.

Aus ihren Gesprächen mit führenden Politikern hat sie nämlich entnommen, dass denen die Zusammenhänge noch längst nicht klar sind und dass es daher ganz verständlich ist, dass sie immer wieder Tagesprobleme ernster nehmen. (S.308/309) Hoffnung für eine Bewältigung der Krise kann man nur gewinnen, wenn man nicht aufgibt, immer und überall das Verständnis zu fördern.

Artikel zum Klima-Buch:

Wikipedia

ZUM-Unterrichten (Vorstellung des gesamten Buches und der meisten Einzelartikel anhand von Zitaten) 



11.11.22

Warum reagieren wir zu langsam auf den Klimawandel?

 Warum reagieren wir zu langsam auf den Klimawandel? ZEIT 9.11.22

Es ist schon erschreckend, wie selbstverständlich alles das ist, was Beckett da anführt. Ja, "wir" haben keine Chance, unseren Nachkommen zu einem lebenswerten Leben zu helfen, genauso wenig wie denen, deren Lebensraum verloren gehen wird. (Ich sehe - ehrlich gesagt - auch keinen gangbaren Weg.)

Freilich:

1. "Wir" sind in der Minderheit. Es gibt Milliarden von Menschen, die nicht von unserem Wirtschaftssystem profitieren und liebend gern auf es verzichten würden.

2. Die alten Eliten sterben aus. Dazu gehören auch wir, die in den privilegierten Lebensräumen unserer Welt wohnen. 

3. Wenn einmal gleiches Recht für alle Weltbürger gelten sollte, ist American Way of Life nicht mehr möglich, aber wohl auch das nicht mehr, was wir in Deutschland heute - zu recht - als Existenzminimum ansehen. 

Wann und nach wie vielen Katastrophen und Entbehrungen eine zureichend erfolgreiche Umstellung auf nachhaltige Industrie und ein nachhaltiges Verhältnis der Zahl von Menschen und den Ressourcen für ihr Überleben hergestellt werden kann, muss offen bleiben.

Dennoch Hoffnung haben zu können, wird man sich verdienen müssen. Grete Thunberg schreibt dazu im Klima-Buch:

Thunberg: "[...] Für mich ist Hoffnung nichts, was einem geschenkt wird, sie ist etwas, was man sich verdienen, was man schaffen muss. Sie ist nicht passiv zu bekommen, in dem man dasteht und darauf wartet, dass jemand anderes etwas unternimmt. Hoffnung heißt, etwas zu tun. Es heißt, aus seiner Komfortzone herauszutreten. [...] Wir leben derzeit auf einem Planeten, auf dem Technologie es möglich gemacht hat, dass wir fast alle miteinander in Verbindung stehen. In manchen Ländern lässt das politische Regime dies nicht zu. Wenn irgendwo auf dem Globus etwas ausreichend wichtiges passiert, werden es trotzdem nahezu alle sofort erfahren. [...] Ich bin überzeugt, dass es gesellschaftliche Kipppunkte gibt, die sich zu unseren Gunsten auswirken, sobald genügend von uns sich entschließen, etwas zu unternehmen. Daraus erwachsen unendliche Möglichkeiten. Die Zerstörung der Biosphäre, die Destabilisierung des Klimas und die Vernichtung unserer gemeinsamen zukünftigen Lebensbedingungen sind keineswegs vorherbestimmt und unausweichlich. Sie liegen auch nicht in der Natur des Menschen – wir sind nicht das Problem. Das alles passiert, weil man uns, dem Volk, unsere Lage und die Konsequenzen dessen, was gerade geschieht, noch nicht völlig bewusst gemacht hat. Wir wurden belogen. [...] Wenn wir erst einmal die ganze Geschichte kennen – und nicht nur etwas, was wieder einmal zum Nutzen bestimmter kurzfristiger Wirtschaftsinteressen erfunden wurde –, werden wir wissen, was zu tun ist." (S.462-463)

27.10.22

Erinnerung und Warnung

 "[...] Wo der biederste Reformismus dem Tatbestand der Staatsgefährdung  nahekommt, wo wer bloß auf Rechtstaatlichkeit und Verfassungstreue pocht schon des Umsturzes verdächtigt wird, da bleibt die Bescheidenheit im Rahmen, und dieser Rahmen wird von Jahr zu Jahr enger. Treue Sozialdemokraten treffen sich augenreibend am äußersten linken Flügel wieder. Ein Hochschulbund  [SHB] , gegen sozialistische Ketzer gegründet, sieht sich wegen extremer Denkungsart vom Bannstrahl der Baracke [Geschäftsführung der SPD] bedroht. Kurzum, die Ansprüche, die an einen radikalen Intellektuellen gestellt werden, vermindern sich zusehends. Die Bescheidenheit kennt keine Grenzen mehr. Bald wird als 'linker Rowdy', als 'roter Terrorist', als 'Mao-Jünger' gelten, wer bloß verhindern möchte, dass es noch ärger wird. [...]" (H.M. Enzensberger: Deutschland, Deutschland unter anderm", ed suhrkamp 203 1967, S.45/46) 

Ich persönlich, 1961 mit meiner Einstellung von Habermas noch als "politisch irrational distanziert" eingeordnet, fand mich 1967 mit meiner Kritik an den Notstandsgesetzen (genauer genommen: dem Notstandsabschnitt im Grundgesetz) trotz meines Selbstverständnisses als Konservativer am äußersten linken Flügel der SPD wieder. Mit meiner Kritik an der Tötung Benno Ohnesorgs bei einer Demonstration am 2.6.1967  ging ich dann zu den Sympathisanten des SDS über (gegen den der SHB (vgl. oben) gegründet worden war).

Freilich, als ich beamtet werden sollte, bescheinigte mir mein Vorgesetzter, dass ich jederzeit zur FDGO stünde. Als ich ihm fragte, woher er das zu wissen glaube, ich wisse es ja selber nicht, sagte er mir: Wenn er das nicht sage, könne ich kein Beamter werden. 

Nachher habe ich dann als einer von zweien auf einer öffentlich im Lehrer ausgelegten Liste einem Schreiben widersprochen, das dieser Vorgesetzte an das Kultusministerium richtete. Und ich glaubte nicht, damit besonders mutig zu sein; denn so sehr ich schulpolitisch gegen ihn stand, so fair hat er mich immer behandelt. 

Heute dagegen muss man damit rechnen, dass man gegen geltendes Recht verstößt, wenn man die Ansicht vertritt, dass Russland sich durch das Ausgreifen der Nato bis an die Staatsgrenze Russlands bedroht gefühlt haben könne und deshalb die Ukraine angegriffen habe, um ihren Anschluss an die NATO zu verhindern. 

Wie groß ist die Gefahr der Beseitigung des Rechtsstaates? Im Zuge der Pandemiebekämp-fung hat man sich mehrmals, wenn nicht außerhalb des Grundgesetzes, so doch nicht eindeutig innerhalb des Grundgesetzes bewegt. 

In mancher Hinsicht waren die Berufsverbote schlimmer als das, was gegenwärtig passiert. Andererseits führte die Entwicklung von diesen Verboten zur neuen deutschen Ostpolitik, zur Einigung mit Gorbatschow und der deutschen Vereinigung. Der Rechtsstaat blieb erhalten. 

Der Rechtsstaat ist wieder in Gefahr, aber die Chancen stehen gut, dass die deutsche Demokratie auch aus dieser Krise gestärkt hervorgeht. Freilich, die gegenwärtige Koalition bietet dafür keine Gewähr; denn ohne eine sinnvolle Reaktion auf den Klimawandel stehen uns Krisen bevor, gegen die die gegenwärtige Kumulation von Pandemie,Krieg und Energiekrise harmlos erscheinen wird. 

(Einige Links auf frühere Positionen des Verfassers und anderes sollen noch nachgereicht werden.)

Das entfiel, weil ich statt dessen unternommen habe, das Klima-Buch von Greta Thunberg vorzustellen, im Blog und in drei Wikis.

Bei dieser Gelegenheit eine Erinnerung an Ulrike Meinhofs Buch, dessen Titel sind nur durch einen Buchstaben von dem Enzensbergers unterscheidet


5.10.22

Wieder Lehrermangel

 "[...] Seit Jahren steigen die Geburtenzahlen, wächst die Zahl der zugewanderten Kinder und Jugendlichen; die Kultusministerkonferenz (KMK) verkündete gerade, dass es 2035 eine Million mehr Schülerinnen und Schüler geben werde als heute. Bis dahin könnte den Prognosen des Bildungsforschers Klaus Klemm zufolge ein Mangel von 158.700 Fachkräften entstehen. Klemm hat in seinen Berechnungen bildungspolitische Vorhaben berücksichtigt, die vielleicht bald nicht mehr selbstverständlich sind: den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz, die Inklusion, die Förderung von Schülern in Brennpunktvierteln. [...] Weil es keine langfristige politische Strategie gibt, kämpft jedes Bundesland für sich allein, wirbt schamlos (und obwohl in der KMK schon 2009 anders vereinbart) Lehramtsabsolventen und Pädagogen aus anderen Bundesländern ab; sieht zu, dass es den eigenen Schulbetrieb halbwegs aufrechterhält, quetscht aus den verbliebenen Pädagogen die letzten Kräfte und lässt jeden Willigen, der wahnsinnig genug ist, ohne pädagogische Vorbildung vor eine Klasse zu treten, in eine Schule. [...] 

Produktiv kann sein, dass die Bildungspolitik jetzt bereit ist, Tabuzonen zu betreten. So werden endlich die ausufernden Teilzeitmodelle von Lehrkräften infrage gestellt. Man diskutiert Priorisierungen von Fächern, damit wenigstens die Grundlagen in Mathe, Deutsch und Englisch noch ausreichend vermittelt werden. Multiprofessionelle Teams werden realistischer, weil erkannt wird, dass die Lehrkraft nicht auch noch Verwaltungsaufgaben übernehmen, Laptops reparieren und Kinder verarzten kann. [...] Zurzeit beklagen Universitäten abnehmende Studierendenzahlen, zu viele Interessierte wechseln in andere Jobs. [...]

Jedes Jahr verlässt fast ein Fünftel der Schülerinnen und Schüler die Schule, ohne ausreichend lesen und rechnen zu können. Wenn es ein Bildungssystem nicht mehr schafft, jungen Menschen in ihrer Schulzeit die Minimalausstattung an Wissen und Kompetenzen mitzugeben, ist das Armutszeugnis und Langzeitdrama zugleich. [...]" (Die Lücken im Lehrerzimmer bedrohen das ganze Land, ZEIT 5.10.22)

Dass der Lehrerbedarf fast nie realistisch berechnet wurde, beklage ich auf diesem Blog schon seit vielen Jahren. Verschärft hat sich das Problem dadurch, dass viel zusätzliche Aufgaben auf die Schulen zugekommen sind, ohne dass man (als der Mangel noch nicht so eklatant war) die Zahl der Lehrerstellen erhöht hat, aber außerdem dadurch dass man die Zahl der Pensionierungen der Babyboomer nicht zureichen berücksichtigt hat.

Schon am 24.2.2009 2009 hat der Lehrerfreund vielfaches Politikerversagen beim Versuch, Lehrermangel zu beseitigen, festgestellt.  Es ist ein altes Problem. 

Schon in den 60er Jahren hat das Land Nord-Rhein-Westfalen Seiteneinsteiger, die so genannten Mikätzchen einstellen müssen, um dem Lehrermangel abzuhelfen.

"Diesen Schritt unternahm die NRW-Landesregierung in den 1960er Jahren, um die geburtenstarken Jahrgänge besser beschulen zu können und die Schülerzahl in den wegen Lehrermangels überfüllten Klassen nicht über 50 steigen zu lassen.[1]" (Wikipedia)

Es steht zu hoffen, dass diese Wikipediazitat keinen Politiker auf den Gedanken bringt, diesmal dem Lehrermangel doch mit Klassen über 50 Schüler*innen abzuhelfen. 

Ausführlichere Darstellung zum Problem in der Süddeutschen Zeitung vom 3.1.23

13.8.22

Wieder einmal Literaturkanon

 Der/ein Herausgeber der FAZ Jürgen Kaube begründet die Streichung des "Faust" aus der Liste der verpflichtenden Ganzschriften im bayerischen Lehrplan damit, dass viel zu wenige Ganzschriften gelesen würden: "Die Festlegung auf fünf Ganzschriften geht aber nicht nur mit Übungsrückständen einher. Sie erzeugt auch unlösbare Pro­bleme der Auswahl." (Kaube in der FAZ vom 6.8.22)

Kaube streitet somit ab, dass ein Kanon eine Auswahlhilfe darstellt. Weiter schreibt er:

"Eine sehr deutsche Lösung dieses Problems ist es, einzelnen Werken die gesamte Last aufzuladen, den Kanon zu repräsentieren. Das bringt erneut den „Faust“ ins Spiel. Er ist die eiserne Ration der Lehrplankonstrukteure. Wenn fast nichts gelesen wird, so lautet die Devise, dann wenigstens er (oder „Nathan der Weise“)."

Außerdem schreibt er: "Welchen Sinn sollte es überhaupt haben, Literatur in Auszügen zu lesen?"

Damit tut er so, als wäre die Kenntnis eines einzelnen Aphorismus von Lichtenberg nicht sinnvoll, nur weil man nicht alle Aphorismen gelesen hat, die Kenntnis von Jean Pauls "Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei" sinnlos, wenn man nicht den vollständigen Roman Siebenkäs liest. Die Engstirnigkeit von Mitgliedern der deutschen Elite möchte ich beklagen und weiß doch, dass ich mir als Abiturient noch vorgenommen hatte "die deutsche Literatur" kennenzulernen. Kaube tut so, als hätte er immer noch diesen jugendlichen Größenwahn und es wäre sinnvoll, ihn an deutschen Schulen auszuleben. 

Ich zitiere notgedrungen (?) aus einem meiner Artikel zu diesem Thema aus dem Jahr 2018:

"Warum den ganzen Ulysses, und Ilias und Odyssee,  wenn dafür (über dem Fetisch 25% der Titel für jeden "Wissens"-bereich) ungezählte Kulturen unterdrückt werden. Warum nicht ein einziges Haiku, kein Ghasel, nicht wenigstens eine Erzählung (wenn schon kein Roman) von Tolstoi oder Dostojewski? Kann es wirklich sein, dass er Jung Chang als einzige chinesische Stimme zu Wort kommen lässt, von Indien zu schweigen?

Doch mit Hannah Arendt im Gespräch mit Günter Gaus trifft er eine subjektive Vorliebe von mir so gut, dass ich mich wieder freue über die so subjektive Auswahl. 
Denn der Sinn eines solchen Kanons ist ja der, dass man sich darüber streitet."

Gerade weil Schüler möglichst vielseitig angeregt werden sollten, braucht es einen fortlaufend diskutierten und danach erneuerten Kanon.
Büchner wurde noch vorgeworfen, dass er statt der Klassiker des Altertums die tagesaktuellen Dichter Goethe und Schiller las. Das sollten wir nicht so fortsetzen. 

Hier meine bisherigen Äußerungen dazu auf diesem Blog.


9.8.22

Lehrermangel aus anderer Perspektive

"[...] Immer mehr Lehrerinnen und Lehrer arbeiten in Teilzeit oder denken darüber nach, Teilzeit zu beantragen. bpv-Vorsitzender Michael Schwägerl erklärt: „In den Lehrerzimmern schlummert eine „stille Reserve“ an Lehrpersonal. Es arbeitet in Teilzeit und wäre unter den richtigen Be­dingungen bereit, Stunden aufzustocken. Mit unserer Umfrage wollen wir herausfinden, was sich dafür ändern müsste. Bei einer ersten Durchsicht der Ergebnisse fällt auf: In Hinblick auf die Planbarkeit des Einsatzes und damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat sich an den Schulen vor Ort bereits vieles getan. Die am häufigsten genannten Motive, nicht aufzu­stocken und mehr zu arbeiten, sind anderer Natur.“

Weit über die Hälfte der Lehrkräfte in Teilzeit geben zusätzliche Organisations- und Verwal­tungsaufgaben sowie eine Vielzahl schulischer Termine außerhalb des Unterrichts als Hinde­rungsgründe an. Dazu kommen der Korrekturaufwand, auch aufgrund nachgeholter Leistungs­nachweise, und Vertretungen. Beides hat im vergangenen Schuljahr aufgrund von häufigen und lang andauernden Fehlzeiten deutlich zugenommen. Schwägerl erläutert: „Klarer könnte das Ergebnis nicht sein: Die Kolleginnen und Kollegen wollen unterrichten und möchten dafür ausreichend Zeit haben. Zusätzliche Projekte an den Schulen, geforderte Konzepte, die exter­ne Evaluation, Fachsitzungen, Schulveranstaltungen, Dienstbesprechungen – je mehr gesell­schaftliche und bildungspolitische Anliegen an die Schulen herangetragen werden, desto mehr gerät das Kerngeschäft des Unterrichtens in den Hintergrund. [...]"

 https://bildungsklick.de/schule/detail/lehrermangel-stille-reserve-aktivieren-erstes-ergebnis-einer-bpv-umfrage-mit-fast-5000-teilnehmern

Kommentare dazu auf Twitter:

PDrewes @FrauKreis: Das Bild des Lehrer, der vormittags unterrichtet und nachmittags die Stunden für den nächsten Tag vorbereitet, passt nicht zu einer Organisation des 21. Jahrhunderts. Meines Erachtens liegt der Hebel zur Veränderung eher in weniger Unterrichtsverpflichtung und mehr Teamzeit.

Jule lehrt NDS @Julelernt_lehrtEine seltsame Rechnung wird da aufgemacht, wer soll den die „Zusatzaufgaben“ übernehmen oder werden diese fallen gelassen. Gerade sie sind ja für Schulentwicklung wichtig und sollten lieber gestützt werden. Außerdem finde ich den Begriff „stille Reserve“ äußerst dubios

PDrewes @FrauKreis: Ja. Genau. Wir machen einfach keine Schul- und Unterrichtsentwicklung mehr. Traurige Belehranstalten.

Dazu:
Bob Blume, der neben der Schularbeit Bücher schreibt, mit seinem Blog ein beliebtes Lehrbuch verfasst und umfassende Öffentlichkeitsarbeit betreibt, schrieb zum Schuljahresende, er wollte etwas über die Überbelastung in der Coronazeit schreiben, aber dazu fehle ihm die Energie. Ein anderer Lehrerblogger, Herr Mess, schrieb über diese Belastung (und ergänzte, er habe vieles weggelassen, weil er es sonst nicht geschafft hätte). Er erntete begeisterte Zustimmung, nicht zuletzt von hoch Engagierten aus dem Twitterlehrerzimmer.
Die Mehrbelastung durch ständige Zusatzaufgaben und zusätzlich  fortlaufend wechselnde Vorschriften haben den meisten Kollegen, auch den motiviertesten, die Energie geraubt.
Wer Teilzeit arbeitet, erlebt, wieviel Zusatzaufgaben mit jeder Stunde Unterrichtszeit dazukommen und hütet sich, zu seinen häuslichen Aufgaben unkontrolliert zusätzliche Verpflichtungen zu übernehmen. 
Es wäre vielleicht wirklich ein Potenzial für mehr Unterricht da, aber nicht für mehr Pflichterfüllung im Coronachaos. 

8.8.22

Von Schülern organisierte Vorbereitung auf das Abitur (mit Lehrerbegleitung) und Arbeitshilfen für angehende Lehrpersonen

Methodos Startseite

Methodos Mitglieder und Lehrer*innen

Abinom Startseite

Kennengelernt habe ich diese von Schülern organisierte Vorbereitung aufs Abi

über einen Gastbeitrag bei Bob Blume von Nina Hanefeld und Schüler*innen, die bei Methodos oder Abinom lernen. (Beide Institutionen entstanden durch Teilung, kooperieren aber.)

5.8.22

De-Privatisierung von Unterricht eine Recherche von Jöran Muuß-Merholz

 https://www.joeran.de/deprivatisierung-von-unterricht/ 5.8.2022

Von der Empörung über Verachtung zum Hass? Über die Gefahren gesellschaftlicher Enthemmung

 Drei Twitterzitate als Ausgangspunkt:

"Ich bin die einzige, die eine Maske trägt. Die einzige von ca. 30 Leute im Laden. Die #Maskenpflicht fallen zu lassen war ein Ausbund falsch verpackter "FREIHEIT" und sowas von wissenschaftsfeindlich. Der Herbst wird noch so richtig "lustig"."

"Ich werde nie wieder Maske tragen! Ich werde nie wieder einen Test machen! Und vor allem: Werde ich mich nie wieder derart gängeln lassen wie die letzten 2,5 Jahre  Bin ein freier, selbstbestimmender Mensch, der am besten weiß, was wichtig & richtig ist #ichmachenichtmehrmit"

"Und Sie werden nie wieder auch nur einen Funken Verantwortungsgefühl für Ihre Mitmenschen aufbringen. "Humanität" ist aus Ihrem Wörterbuch gestrichen! Dafür habe ich nur eines: Verachtung." (Belege hier)

Empörung über den Fortfall der Maskenpflicht, Empörung über die Maskenpflicht und Verachtung für Nichtachtung der Ängste anderer.

Harry Nutt analysiert diese Entwicklung in folgendem Beitrag:

Lust an der Empörung v. Harry Nutt FR 5.8.22

"Wir machen mit im Karneval der Affekte, erschrecken aber, wenn uns aus den sozialen Medien Hass entgegenschlägt."

Nicht mehr sind "Erkenntnis und Aufklärung eine Richtschnur für politische Entscheidungen und soziales Handeln [...] Stattdessen kostümieren wir uns in den in rasantem Tempo einander ablösenden gesellschaftspolitischen Debatten für einen Karneval der Affekte, in dem die Gebote zu rationaler Begründung geringe Aussichten haben, befolgt zu werden."

Empörung wurde 2010 durch die Schrift "Empört euch!" der 93-jährigen Stéphane Hessel als positiver Affekt bezeichnet. Harry Nutt schreibt dazu:

 „Wir müssen radikal mit dem Rausch des Immer noch mehr brechen“, heißt es in Hessels Bestseller, „in dem die Finanzwelt, aber auch Wissenschaft und Technik die Flucht nach vorn angetreten haben.“ Es sei höchste Zeit, dass Ethik, Gerechtigkeit, nachhaltiges Gleichgewicht unsere Anliegen werden."

Das, was Hessel zu Recht gegen Handeln der eigenen Regierung gefordert hat, wurde 2018 mit steigendem Erfolg von Greta Thunberg gegen das Nicht-Handeln der Regierungen in aller Welt gefordert.

Im Zuge der Corona-Pandemie machten sich die Maßnahmenkritiker diesen Anspruch auf Empörung zu eigen, indem sie für sich Meinungsfreiheit und Recht auf passiven Widerstand forderten. Dazu kamen, wie Harry Nutt es formuliert "entfesselte Ausdrucksformen [...] die weitgehend ohne Etikette auskommen"  Das wiederum rief  auf der Seite derer, die die Regierungsmaßnahmen für angemessen oder sogar nicht energisch ansehen, entsprechende Reaktionen - jetzt aber nicht gegen die Regierung, sondern gegen Personen hervor.

Dabei entsteht immer die Gefahr, dass solche Enthemmung in Hass umschlägt. Von der "Verachtung" ist der Weg nicht mehr sehr weit. - Auf beiden Seiten. 


Zur Erinnerung: Hessel schrieb 2010: "Den jungen Menschen sage ich: Seht euch um, dann werdet ihr die Themen finden, für die Empörung sich lohnt." (S.15) (Greta Thunberg hat gefunden.)

Hessel: "Ich habe [...] bemerkt, wie die israelische Regierung reagiert, wenn die Bürger von Bil'in jeden Freitag gewaltlos*, ohne Steine zu werfen, an die Mauer gehen, die der Gegenstand des Protestes ist. Die israelischen Behörden haben diesen Marsch als 'gewaltlosen Terrorismus' charakterisiert." (S.19)

(Man beachte Freitagsdemonstationen, weil das der muslimische Feiertag ist. - *Die Proteste, die 2005 gewaltlos begannen, blieben es - auf beiden Seiten - nicht, nachdem israelisches Militär eingriff. - Hessel war Mitglied der Kommission, die ab 1946 - seit 1947  unter der Leitung von Eleanor Roosevelt eine allgemeine Erklärung der Menschenrechte ausarbeitete.)


 

17.7.22

Handschrift am Gymnasium

 https://www.herr-rau.de/wordpress/2022/07/handschrift-am-gymnasium.htm

Herr Rau stellt in seinem Blogbeitrag verschiedene Ausgangsschriften (zum Erlernen des Schreibens) vor und erläutert die Vor- und Nachteile, die sie für die Entwicklung der Handschriften de einzelnen Lerner haben.

Außerdem erläutert er anhand von Beispielen, wofür auch im Zeitalter des computer-generierten Schreibens Handschrift noch unverzichtbar sei. 

Außerdem stellt er die verschiedenen Hilfslinien (Lineatur) vor, die es beim Lernen erleichtern sollen, gleichmäßige Buchstaben zu entwickeln. 

Der Artikel erscheint mir trotz der Knappheit der Darstellung sehr informativ und für das Entscheidende geradezu vollständig, auch wenn ich bei den Wertungen nicht immer mit ihm übereinstimme. 

mehr zu Schrift und Schreiben:

Fontanefans Schnipsel

Weites Feld

11.7.22

Warum richtige Antworten zwar befriedigen, aber nicht ausreichen

 Schüler fragten mich manchmal: "Warum sagen sie zu einer Antwort öfters: 'Richtig!' und sagen dann das Gegenteil?" - Die Antwort ist klar: deshalb, weil das Gegenteil auch richtig ist. Denn oft gibt es ein Einerseits-Andererseits.

Differenzierungen sind nicht immer leicht zu verstehen. Deshalb sagten mir Schüler des öfteren, nachdem ich ihnen eine Frage beantwortet hatte: "So genau wollten wir das nicht wissen."

Deshalb bin ich Wikipedianer geworden.

Freilich, immer wieder klagen Schüler: "Im Netz steht dazu nichts." Dabei steht es in der Wikipedia. Aber die hält sich schon lange nicht mehr an den Grundsatz, dass wenigstens die ersten drei Sätze (bei Benutzung der zugehörigen Links) verständlich sein sollten, auch wenn man "ohne die mindeste Ahnung" ist.

Deshalb beantworte ich so viele Fragen nach "Selbstverständlichkeiten" auf gutefrage.net.  


Weshalb ich auf gutefrage.net immer wieder auch "Selbstverständlichkeiten" erkläre

 Es gibt hier immer wieder Schnorrer, die sich Hausaufgaben ersparen wollen, aber das ist nicht immer eindeutig zu erkennen.

Inzwischen habe ich gelernt, dass es immer wieder auch Schüler gibt, für die auch bei mittelschweren Texten gilt, was ein Schüler einmal klassisch so formuliert hat: "Von diesem Text verstehe ich nur 'und' und 'oder'."

Eine eine intelligente deutsche Schülerin an einer Auslandschule, die lange im Ausland gelebt hatte und eine Frage falsch beantwortet hatte, sagte mir, dass sie ein Wort nicht gekannt habe. Weshalb sie nicht gefragt habe? Dann hätten die anderen sie vielleicht ausgelacht.

Daraufhin habe ich ihr geraten: "Frag in solchen Fällen: 'Was heißt x in diesem Zusammenhang.' "

Ein anderes Beispiel: Ein Kollege sagt zu einer Kollegin: "Denk dir, die Schüler haben diese Frage nicht verstanden!" Beide waren sich einig: Dumme Schüler.

Ich habe die Frage auch nicht verstanden. Deshalb erkläre ich immer wieder auch "Selbstverständlichkeiten".

Wenn ich darauf gekommen wäre, hätte ich gefragt: "Was ist Rollo? Und wer gehört zu ihm? und "Weshalb gehört Crampas einerseits zu Natur, aber andererseits zu Schuld?"

Was war wohl die Aufgabenstellung zu Fontanes 'Effi Briest'? Ist das eindeutig?

dazu auch:

Weshalb befriedigende Antworten öfters nicht ausreichen.


8.7.22

Warum dauern Unterrichtsstunden nur 45 Minuten und nicht 60?

 https://www.gutefrage.net/frage/wieso-gehen-unterrichtseinheiten-immer-45min

Antwort von HelmeSchmitt:

Im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert war eine Unterrichtsstunde tatsächlich 60 Minuten lang. Es war zudem üblich, dass Unterricht vormittags und nachmittags stattfand. Dazwischen gab es eine lange dreistündige Pause, in der die Schüler nach Hause gingen, oft ihren Vätern das Essen auf die Arbeit brachten und am Nachmittag zurückkamen.

Die Nachmittagsstunden waren unbeliebt. Kritiker argumentierten am Beginn des 20. Jahrhunderts, dass nach dem Mittagessen „die Verdauungstätigkeit“ einsetze, „die einen hemmenden Einfluss auf die geistige Leistungsfähigkeit ausübt. Ganz besonders störend wirken all diese Momente im Hochsommer; eine bleierne Schwere lastet dann oft auf der ganzen Klasse.“1 Die neue Wissenschaft der experimentellen Psychologie führte „Ermüdungsmessungen an Schulkindern“2 durch und kam zu dem Ergebnis, dass die 60-Minuten-Taktung der Gesundheit der Kinder schade und für das Lernen nicht förderlich sei. Die Wissenschaft empfahl daher, kleinere Kinder in 30-Minuten-Lektionen zu unterrichten, ältere Kinder in 45- oder 50-Minuten-Lektionen."

https://www.dhm.de/blog/2018/08/15/geschichten-aktuell-warum-hat-eine-schulstunde-45-minuten/


23.6.22

Lehrerbedarf?

 ZEIT Nr.26 vom 23.6.2022: "Die Prognosen, wie viele Pädagogen in den nächsten zehn Jahren fehlen, schwanken zwischen einigen Zehntausend bis weit über hunderttausend."

Wieso schwanken die Schätzungen so?

Zitat

"Insgesamt wird Interessenten für das gymnasiale Lehramt geraten, [...] auf das Lehramtsstudium ganz zu verzichten."

"Die Ausbildungskapazitäten der deutschen Universitäten sind in diesem Bereich viel zu hoch."
Dass die Zahl der hessischen Lehramtsabsolventen ab 20xx absinken werde sei eine "erfreuliche rückläufige Entwicklung".

"Nachzulesen in der Prognose zum Lehrerinnen- und Lehrerbedarf ab 20xx, Basis "Stand: Dezember" des Vorjahres. 

Ein paar Jahre danach fragte die Kultusministerin: "Ist das Lehramtsstudium ein Weg in die Arbeitslosigkeit?" und antwortete "Diese Faktoren unterliegen politischen Entscheidungen und sind von finanziellen Rahmenbedingungen abhängig."

Dazu aktuell: Befristet angestellte Lehrer über den Sommer erneut arbeitslos  

Badische Zeitung 21.6.22

Der Blogartikel, dem ich die obigen Zitate entnommen habe, wurde am 20.12.2008 geschrieben. 

Seitdem hat sich nichts geändert.

Für Interessenten der Text des Artikels mit den konkreten Jahreszahlen:

"Insgesamt wird Interessenten für das gymnasiale Lehramt geraten, [...] auf das Lehramtsstudium ganz zu verzichten."

"Die Ausbildungskapazitäten der deutschen Universitäten sind in diesem Bereich viel zu hoch."
Dass die Zahl der hessischen Lehramtsabsolventen ab 2004 absinken werde sei eine "erfreuliche rückläufige Entwicklung".

Nachzulesen in der Prognose zum Lehrerinnen- und Lehrerbedarf ab 2000, Basis "Stand: Dezember 1999".

Damals waren die Kinder, die heute aufs Gymnasium gehen, bereits geboren, das Lebensalter der Lehrer, die in den vergangenen Jahren pensioniert wurde und in den nächsten Jahren pensioniert werden, war auch bekannt.

Eine solche Fehlprognose lässt sich nicht mit Dummheit der Ministerialbürokrtie erklären. Es muss andere Gründe dafür gegeben haben.
Die Kultusministerin legte sie zum Teil offen, wenn sie ihr Vorwort unter die Frage stellte "Ist das Lehramtsstudium ein Weg in die Arbeitslosigkeit?" und dann hervorhob "Diese Faktoren unterliegen politischen Entscheidungen und sind von finanziellen Rahmenbedingungen abhängig."

14.6.22

Über eine nationale Bildungsplattform

re:publica 2022: Die Nationale Bildungsplattform – Notizen aus einer Session

von Karlheinz Pape

  • Die nationale Bildungsplattform soll alle 80 Millionen Menschen in Deutschland beim lebenslangen Lernen unterstützen.
  • Alle Anbieter, die privaten und die staatlichen, sollen in der Plattform nebeneinander sichtbar und nutzbar werden. Das soll eine Schnittstellen-Plattform werden, ohne eigene Datenbanken.
  • Die Bildungsplattform soll eine „Servier-Plattform“ werden. Jeder soll sich die Häppchen selber wählen.
  • Aber Lernende sollen auch ihre Lernergebnisse dort ablegen. Die „Lerner-Journey“ soll abgebildet werden.
  • Bisher wird fast nur das individuelle Lernen adressiert, nicht das soziale Miteinander-Lernen
  • Die nationale Bildungsplattform will für die Lerner individualisierte Angebote machen. Das ergibt sich schon aus der schier unübersichtlichen Menge des auf der Plattform zu findenden Angebotes.
  • Deshalb denkt man über vorgeschlagene „Lernpfade“ nach. Die könnten grafisch sichtbar werden. [...]

9.6.22

Die Leiterin einer bayerischen Mittelschule über die Situation an ihrer Schule

Gastbeitrag bei Hauptschulblues

Um den Beitrag zu charakterisieren, nur ein kurzes Zitat:

"[...] Viele Schüler sind einfach schon mit Stillsitzen, längeren Arbeitsphasen, den Anforderungen und womöglich noch Hausaufgaben nicht gewachsen. Die Konzentration hält nur kurzfristig. Moderne Unterrichtsformen bauen auf Eigenständigkeit. Das gestaltet sich dann extrem zäh, kräftezehrend und zeitaufwändig. Dieses Phänomen zeigt sich bis hoch in die Abschlussklassen. 
Quer durch alle Klassenstufen stieg auch die Quote der Schulschwänzer. Hartnäckig widersetzen sie sich allen Maßnahmen. [...] Es herrschen allgemein Hilflosigkeit und Verdrängung.
Ähnliche Verhaltensweisen wie bei Langzeitarbeitslosen werden sichtbar. Kinder berichten, dass sie sehr schwer am Morgen in die Gänge kommen - eigentlich erst gegen Mittag, viele daddeln unaufhörlich auf ihren Smartphones herum oder beschäftigen sich bis spät in die Nacht mit Computerspielen. Dies führt dann zu Schlafstörungen. [...]"

In den Kommentaren zu dem Beitrag werden viele ähnliche Erfahrungen angeführt. Aber es wird auch daran erinnert, dass Paul Freire in seiner Pädagogik sich ganz von vorgegebenen Lehrplänen gelöst hat und von den konkreten Problemen, die die Kinder hatten, mit ihnen Problemlösungen gesucht hat.:
„In der problemformulierenden Bildung entwickeln die Menschen die Kraft, kritisch die Weise zu begreifen, in der sie in der Welt existieren, mit der und in der sie sich selbst vorfinden. Sie lernen die Welt nicht als statische Wirklichkeit, sondern als eine Wirklichkeit im Prozess sehen, in der Umwandlung.“[13]Wikipedia

Doch am besten liest man das im Gastbeitrag bei Hauptschulblues selbst nach.

30.5.22

Treffen von Mitgliedern des Twitterlehrerzimmers in Kassel

Herr Rau erklärt das Twitterlehrerzimmer so: "Ein Hashtag, der von sehr vielen Leuten verwendet wird, die einander wohl auch viel folgen, und unter dem es zu Schule und Bildungspolitik geht."

Wenn man reinschaut, sieht es so aus: https://twitter.com/search?q=%23twlz&src=typeahead_click

Die Berichte vom Treffen lesen sich so:

 https://www.herr-rau.de/wordpress/2022/05/twlz-twitterlehrkraeftezimmertreffen-2022.htm#comment-143896

https://halbtagsblog.de/2022/05/29/was-bleibt-ein-rueckblick-auf-das-twlz-treffen/

und zu Bob Blume gibt es seit dem 13.8.2020 sogar einen Wikipediaartikel.

Bei der Gelegenheit:

Schule online?

Themenzentrierte Interaktion


27.5.22

Wenn ich das Klassenzimmer als Begegnungsmöglichkeit für viele bunten Facetten ...

"Wenn ich das Klassenzimmer als Begegnungsmöglichkeit für viele bunten Facetten von Gesellschaft begreife und vorlebe, gestalte ich als Vorbild die wertschätzende Auseinandersetzung mit Vielfalt." (Anja Färber: Gewalt, Glaubenssätze und Radikalisierung Gastbeitrag bei Netzlehrer)

Eine ganz wichtige Erkenntnis. Nun fehlt nur noch eine Formulierung, in der ich mir das zu meiner Devise machen kann.

8.5.22

Kindertagebücher aus der Coronazeit

 "[...] Ich habe im März 2020 angefangen, Geschichten über Corona zu schreiben. Die Idee hatte meine Mutter, als damals die Schulen geschlossen wurden. In ein kleines Schulheft hat sie auf jede Seite oben ein weißes Blatt Papier geklebt. Darauf habe ich ein Bild gemalt – eine Maske, einen Schnelltest, das Coronavirus ... Beim Malen ist mir oft eine Idee gekommen, was ich dazu schreiben will.

Unter dem Bild von einem Testzentrum zum Beispiel: "Dieses Coronatestzentrum steht auf dem Hamburger Fischmarkt. Man kann auch mit dem Auto vorbeifahren. Die Menschen tragen weiße Anzüge, damit sie sich nicht anstecken. Man bekommt ein Stäbchen in die Nase. Sehr tief rein und in beiden Nasenlöchern drehen. Irgendwann kriegt man ein Ergebnis. Positiv oder negativ. In der Schule mache ich auch Tests. Und immer negativ." Na ja, bis zum Eintrag mit der Überschrift "Häusliche Quarantäne" – darunter steht: "Ich habe auch Corona. Also muss ich zu Hause bleiben."

Das Schreiben geht schnell, meistens brauche ich so zehn, fünfzehn Minuten für eine Geschichte. Vieles weiß ich aus den Nachrichten. Manchmal frage ich auch meine Mutter, oder wir schauen gemeinsam im Internet nach. Inzwischen geht es nicht mehr nur um Corona, sondern auch um Handys und Motorräder oder um einen starken Sturm, den wir hatten.

Was mich ärgert oder was ich fühle, schreibe ich nicht auf. Deshalb sage ich auch lieber Geschichtenbuch als Tagebuch. Meine Schwester ist drei Jahre alt und möchte immer, dass ich ihr daraus vorlese – wie eine Gute-Nacht-Geschichte.

Ich habe schon acht Hefte voll. Das finde ich ziemlich cool, vor allem, wenn die Bilder schön geworden sind. Und ich bin auch stolz, weil ich so fleißig durchgehalten habe. Für mich ist die Pandemie noch nicht zu Ende. Ich fühle mich zum Beispiel echt komisch, wenn ich keine Maske trage. Und meine Geschichten möchte ich auf jeden Fall weiter schreiben. Aber über andere Themen. Seit zwei Monaten beschäftigt mich der Krieg in der Ukraine sehr. Wir haben Verwandte dort.
Elias, 10 Jahre, aus Hamburg [...]"

https://www.zeit.de/2022/19/kinder-corona-tagebuch-pandemie-alltag/komplettansicht


30.3.22

Motivation für Paralympics und anderes

 Woher kommt Ihr Ehrgeiz, Verena Bentele? – "Mein Handicap spornt mich an" 

"Die zwölffache Paralympics-Siegerin über ihr Aufwachsen bei furchtlosen Eltern, das Heimweh im Internat der Blindenschule – und Platzwunden. [...] 

Bentele: Diese Identitätsdebatten bergen die Gefahr, dass man als Mensch auf etwas festgelegt wird, aber mich kennzeichnet ja nicht allein, dass ich nicht sehen kann. Es gibt ebenso die Sportlerin Verena Bentele, die Politikerin und jetzt die Lobbyistin für die Rechte sozial Benachteiligter. 

ZEIT: Wann wurde Ihnen das erste Mal bewusst, dass Sie anders sind als andere Kinder? Ihr älterer Bruder Michael, mit dem wir zur Vorbereitung dieses Interviews sprachen und der die gleiche genetisch bedingte Sehbehinderung hat wie Sie, sagte uns, ihm wurde das erst in der Schule klar.

Bentele: Das war bei mir ähnlich. [...] 

ZEIT: 2009 hatten Sie während der Deutschen Meisterschaft einen schweren Unfall. Ihr Begleitläufer gab Ihnen eine falsche Richtung vor, und Sie sind einen Hang hinuntergestürzt, haben sich mehrere Brüche zugezogen und eine Niere verloren. Nach langer Pause und mit einem neuen Begleitläufer haben Sie weitergemacht, gegen Angst und Schmerz angekämpft und am Ende bei den Paralympics fünf Goldmedaillen geholt. Was haben Sie in dieser Krise gelernt?

Bentele: Dass ein negatives Erlebnis eben nicht das Ende bedeutet, sondern dass wir Menschen vieles, was wir gelernt haben, im Laufe unseres Lebens speichern und nicht auf einen Schlag verlieren.

ZEIT: Erinnern Sie sich an den Moment, als Sie das erste Mal wieder auf Skiern standen? Bentele: Sehr genau. Ich musste auf der Münchner Theresienwiese einen Hügel herunterfahren und hatte so viel Angst, dass mich mein Begleiter an die Hand nehmen musste. Stück für Stück ging es dann besser. Ein paar Monate später bin ich auf dem Gletscher wieder allein schnelle Abfahrten runter.

ZEIT: Als Sehende fragen wir uns auch: Das Schießen beim Biathlon, wie funktioniert das für Sie?

Bentele: Über Töne. Am Schießstand setzen blinde Sportlerinnen und Sportler einen Kopfhörer auf – und je näher man mit dem Gewehr dem Infrarotsignal des Ziels kommt, desto höher wird der Ton. Bei einem Treffer ertönt ein hohes Klingeln, bei einem Fehlschuss ein tiefer Brummton. 

"Zu sehen macht vieles einfacher im Leben" 

ZEIT: Bevor Sie die Leitung des Sozialverbands VdK übernommen haben, waren Sie Behindertenbeauftragte des Bundes – und damit Politikerin. Ihr Bruder sagte, Sie seien zuvor gar nicht so politisch gewesen?

Bentele: Politisch interessiert war ich immer schon, aber lange Zeit gab es tatsächlich vor allem meinen Sport und das Engagement für bessere Bedingungen für Athleten in Deutschland. Doch dann hat mich erst der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude gefragt, ob ich sein Wahlkampfteam unterstützen wolle, und schließlich kam die Anfrage von Andrea Nahles, ob ich in die Bundesregierung als Beauftragte kommen will. Ich habe kurz gezögert, denn die Sozialgesetzbücher kannte ich nicht in allen Details aus dem Effeff. Aber ich habe selten zu einem Risiko Nein gesagt.

" (ZEIT 3.2.22)

12.3.22

Es kommt auf unsere Glaubwürdigkeit an

Demonstrationen für Frieden sind richtig, Sanktionen für Aggressoren auch.

Wie aber steht es um das Finanzieren von Angriffskriegen? Das ist doch wohl eher abzulehnen, oder?

Warum aber zahlt die EU Russland nach seinem Überfall auf die Ukraine täglich rund 500 Millionen Euro für Öl und Gas? Weil Handelsverträge bestehen und weil wir auf diese fossilen Energieträger angewiesen sind.

Das kann ich verstehen, und es wird kaum einen Regierungspolitiker geben, der wagt, die Importe von sich aus sofort zu stoppen. Denn zu viele Bürger hätten unter dieser Entscheidung zu leiden, und - wie man hört - könnte das Volkseinkommen um 3 Prozent zurückgehen.

Lieber verkündet der Kanzler, er wolle 100 Milliarden Euro mehr für Rüstung ausgeben (die dann für den Klimaschutz fehlen), als dass er vorschlägt, durch Einsparung von Energie einerseits den Klimaschutz voranzutreiben und andererseits Putins Kriegskasse zu schädigen, indem wir ihm weniger fossile Energieträger abkaufen.

Dabei wurden und werden eine Menge Modelle angewendet, Energie einzusparen, die einzelne Bürger einsetzen können und die Staaten schon erfolgreich eingesetzt haben: Eine Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen, autofreie Sonntage, Verbot von umweltschädlichen Motoren (vgl. Katalysator) haben bei vielen Millionen von Europäern Anklang gefunden. Die privaten Energiesparmethoden sind zahllos. Wenn sie eingesetzt würden, würde klar, dass die Europäer bereit sind, für den Frieden Opfer zu bringen.

Dann erst würden unsere Rufe nach Frieden glaubwürdig.

Dazu:

Süddeutsche Zeitung: "Wir sind nicht machtlos" 12.3.22

https://www.deutschlandfunk.de/juergen-trittin-krieg-ukraine-russland-100.html


7.2.22

Wieder einmal: Motivation

 Text 1: "Mein Handicap spornt mich an" (ZEIT, 3.2.22)

"Fehlt bei der Inklusion die Entschlossenheit?

Bentele: Ja, wenn wir eine offene Welt ohne Vorurteile wollen, 

dann müssen wir in der Schule damit anfangen. Immer wieder 

erlebe ich Barrieren, weil Menschen mit und ohne Behinderung

sich so schlecht kennen. Viele Menschen sagen etwa zu mir: 

Toll, dass du so gut hören kannst. Oder: Wie machst du das 

mit dem Schreiben? Noch nehmen wir eher das Trennende 

als das Verbindende an anderen wahr. Das ist Teil des 

Problems, das auch Kinder aus Einwanderer-familien 

kennen. Wir haben eben längst noch keine Schule für alle. 

[...] dann hat mich erst der Münchner Oberbürgermeister 

Christian Ude gefragt, ob ich sein Wahlkampfteam 

unterstützen wolle, und schließlich kam die Anfrage 

von Andrea Nahles, ob ich in die Bundesregierung als

Beauftragte kommen will. Ich habe kurz gezögert, 

denn die Sozialgesetzbücher kannte ich nicht in 

allen Details aus dem Effeff. Aber ich habe selten 

zu einem Risiko Nein gesagt."

(Verena Bentele)

Fontanefan: Hier das Verbindende zu sehen, ist etwas viel 

verlangt. 

Schließlich hat Bentele als blinde Skiläuferin nach einem Sturz

eine Niere verloren und danach furchtbare Angst. Dann ist sie

aber doch wieder Gletscher hinabgefahren. Da ist es nicht nur

für Sehende wie für Blinde eine riesige Herausforderung, das

Verbindende zu sehen.

Diese Herausforderung anzunehmen, könnte Motivation 

stärken.


Text 2:

Wenn eine Gruppe in einem Motivationstief ist wird vom Lehrer höchste Selbstdisziplin verlangt, denn er muss trotz Widerstände seine Forderungen aufrechterhalten, seine gute Laune und seine Offenheit bewahren, sich vor Selbstmitleid und Gejammere hüten. Das geht nur, wenn man sich kurzfristig unabhängig vom Urteil und von der Stimmung der Klasse macht und im Vertrauen auf die Qualität der eigenen Arbeit "durchhält", bis die Motivation der Schüler wieder da ist.

Die Therapie

Aus meiner Sicht liegt ein Hauptproblem unseres Schulwesens darin, dass die Schüler qualitativ (Energie, Erfahrung, Denkvermögen, Handlungsbereitschaft) mit einem so hohen Niveau in die Schule kommen, dass man als Einzellehrer ihre legitimen Ansprüche nur mit einem enormen Aufwand befriedigen kann. Bezogen auf meine 11.Klasse bin ich der Meinung, dass meine ganze Arbeitskraft gerade hinreicht, um diese Schüler gut zu bedienen. Andererseits: wer von meinen Kollegen kann sich einen solchen Aufwand leisten?

Es müssten folgende Forderungen erfüllt werden:

  • Der Einzelkampf der Lehrers muss durchbrochen werden. Wenn ich beispielsweise die 11. Klasse im Team mit anderen Lehrern führen würde, wüsste ich, welche Aktivitäten gerade anstehen. Ferner könnte ich Informationen über die allgemeine Stimmung in der Klasse einholen und würde nicht jede Schwierigkeit (aber auch jeden Erfolg) auf mich allein zurückführen.
  • Projekte müssen mit Kollegen geplant und durchgeführt werden. Wenn ich eine Woche lang beispielsweise mit der Deutschlehrerin, dem Englischlehrer und dem Geschichtslehrer ein Projekt über die Renaissance inklusive Exkursion gestalte, dann ist die Arbeit insgesamt viel intensiver, sie hat einen Anfang, eine Klimax und einen Schluss, sie nähert sich dadurch der Struktur des realen Lebens. Die Schüler prägen sich das Erlebte viel besser ein.
  • Über den 45-Minuten-Takt war ich mir bisher nicht ganz schlüssig. In der letzten Zeit stelle ich fest, dass dieser Takt schon sehr störend sein kann: zum Beispiel lasse ich gegenwärtig Plakate anfertigen, auf denen die Etappen unserer Frankreichreise dargestellt werden. Der Fleiß meiner Schüler ist tadellos, aber ihre Arbeit wird immer wieder unterbrochen, weil die Stunde zu Ende ist. Was uns am Stück höchstens 90 Minuten beschäftigt hätte, zieht sich durch die Unterbrechungen des 45-Minuten-Taktes jetzt seit mehr als einer Woche hin. Das gilt nicht nur für die Erstellung von Plakaten, sondern auch für jede längere Arbeit (Kurzreferate, Klassenkorrespondenz usw.). Wird dadurch der oft beklagten Oberflächlichkeit des modernen Lebens nicht Vorschub geleistet?

Diese Forderungen sind natürlich nicht originell. An vielen Schulen werden sie schon erfüllt. Ich glaube, diese Schulen sind auf dem richtigen Weg.

Der zweite Text stammt aus dem Jahr 1998 und ist nicht von mir, sondern von Jean Pol Martin.

Ich halte ihn aber immer noch für einen treffenden Beitrag zum Motivationsproblem.

mehr zu Motivation: 

Eine Zusammenfassung mehrerer Beiträge von 2012

alle Beiträge zu Motivation bei Fontanefan

Wikipedia

5.1.22

Über Hochbegabung und das soziale Umfeld

Antwort von  Avicenna89, Community-Experte für Psychologie, Intelligenz, IQ bei gutefragenet (https://www.gutefrage.net/frage/kann-dummes-umfeld-dem-iq-eines-hochbegabten-schaden-anrichten#comment-318313430)

"Dem IQ eines Hochbegabten" fügt ein "dummes Umfeld" keinen Schaden zu. Der IQ ist der Versuch, die Intelligenz eines Menschen im Vergleich zu anderen Menschen zu quantifizieren. Als "hochbegabt" bezeichnet man dabei die Gruppe von Menschen, deren IQ mindestens doppelt so weit vom Durchschnitt abweicht wie man es aufgrund des statistischen Grundrauschens erwarten würde. Die Intelligenz ist ein Persönlichkeitsmerkmal und als solches (in Studien nachgewiesen) im Laufe des Lebens relativ stabil. Der größte Teil der Intelligenzunterschiede zwischen Menschen (also des IQ) ist genetisch veranlagt. Dieser Anteil nimmt sogar mit dem Alter zu. Diese genetische Veranlagung vererbt sich jedoch weitaus komplexer als die Fellfarbe von Nagetieren, anhand derer die Mendelschen Regeln in der neunten Klasse im Biounterricht erklärt werden, sodass man nicht unbedingt von den Eltern auf die Intelligenz der Kinder schließen kann. So etwas wird anhand von Zwillingsstudien herausgefunden, da man ja weiß, dass eineiige Zwillinge die gleichen Gene haben, aber nicht auf Basis von Studien zwischen Eltern und Kindern. Ein weiterer Teil der Intelligenzunterschiede kommt von Umwelteinflüssen, die aus meiner Sicht aber ähnlich wie bei der Anlage für Körpergröße eher destruktiv wirken. Das heißt, schlechtere Ernährung, psychische Belastungssituationen, physische Krankheiten, etc. können den IQ verringern. Achtung: Ob sich dadurch auch die Intelligenz verringert, steht auf einem anderen Blatt. Man kann ja die Intelligenz nur mit dem IQ messen, kann aber nicht immer sicher sein, dass die individuelle Person bei der Messung ihre vorhandene Intelligenz ausgereizt hat, also ob die Umweltfaktoren die Intelligenz bei der Messung überlagern oder ob sie die Intelligenz tatsächlich kaputt machen.

Generell ist die Intelligenz nur ein Potential. Sie ist einfach da. Bei manchen mehr, bei anderen weniger. Durch Anregungen, Förderung, Motivation, ... kann erreicht werden, dass sich dieses Potential entfaltet und kognitive Leistungen erbracht werden. So etwas ist in einem - wie du es beschreibst - "dummen Umfeld" nicht immer gegeben*. Dadurch kann es sein, dass das Potential nicht oder nur teilweise zur Entfaltung kommt - es ist jedoch weiterhin vorhanden und könnte abgerufen werden, wenn die Rahmenbedingungen besser sind, bspw. die Motivation oder die Anerkennung durch das Umfeld für kognitive Leistungen steigt. 

*Ich bin selbst entgegen des nachdrücklichen Rats des Realschulrektors [...]" (Link)