29.10.12

Fördern Organspenden den Mangel an Organspendern?

Axel W. Bauer, Medizinhistoriker, Wissenschaftstheoretiker und Medizinethiker, schreibt am 28.10.12 in der FAS (S.15):
Der "Organmangel ist keine Naturkonstante, sondern eine Folge davon, dass aufgrund von wissenschaftlichen und medizintechnischen Fortschritten mehr transplantiert wird. Man kann daher die Prognose wagen: Je erfolgreicher die Transplantationsmedizin in qualitativer und quantitativer Hinsicht künftig wird, desto größer wird ihr Bedarf an Organen und damit der relative Organmangel werden."

Über Organspender schreibt er:
"Das Interesse an seinen Organen führt zu einer Konzentration auf die Vitalerhaltung dieser Organe über den Zeitpunkt eines menschenwürdigen Sterbens hinaus."

Sein Schluss:
"Einen rechtlichen oder gar moralischen Anspruch auf die Überlassung von fremden Organen, die konstitutiver Teil einer anderen Person waren, kann es um der Würde des Menschen, die auch die Würde des Organspenders mit umfasst, nicht geben. Insofern müssen sich Medizin und Gesellschaft bei allem Fortschrittsoptimismus auf diesem Feld auch künftig in eine gewisse Selbstbegrenzung ihrer Wünsche fügen."

Ein Ausweg aus dem Dilemma wäre, wenn man Wesen mit menschlichen Organen herstellte, die laut gesellschaftlicher Definition keine Menschen wären.
Was das für die Gesellschaft, die solche Definitionen vornimmt, bedeutet, hat Kazuo Ishiguro mit viel Einfühlung in die gutmeinenden Täter und die menschlichen Opfer beschrieben. Zum Roman und zu dem Zusammenhang des Themas mit dem der KZs des Naziregimes habe ich mich hier geäußert.

Ich war schon lange dagegen, ein Organ gespendet zu bekommen, und gegen einen Druck in Richtung Bereitschaft zur Organspende. Bauers Argumentation läuft darauf hinaus, dass aber auch freiwillige Organspende für den Todesfall ausgeschlossen werden sollte, weil sie den Verzicht auf Menschenwürde darstellte.
Ich habe meine hier begründete Bereitschaft zu freiwilliger Organspende nach ca. 30 Jahren, in denen ich einen Organspenderausweis bei mir getragen habe, jetzt beendet.
Dass Organtransplantationen unsozial sind, weil die Organspender nicht selten aus finanziellen Notlagen heraus spenden und die Empfänger hohe Summen für die Organe bezahlen, war mir bekannt. Mit meiner Spende wollte ich einen - zugegebenen minimalen - Beitrag dagegen leisten. Ein menschenunwürdiges Sterben zu provozieren bin ich dafür aber nicht bereit.

Das Thema wird seit 2007 (oder früher?) auf breiter Basis diskutiert. Ich habe nicht den Eindruck, dass den Argumenten von A. W. Bauer schon genügend Aufmerksamkeit geschenkt worden ist.

Mehr Artikel zu dem Thema findet man in meinen Blogs unter dem Suchwort (Tag, Label) "Organspende".
Auf den Gastbeitrag zu diesem Thema möchte ich aber ausdrücklich hinweisen.

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