19.1.10

Scheiß-Smartboards!

Einen Höllenlärm rief die Lehrerin in ihrer Abiturklasse herauf, als sie meinte, die Schüler könnten sich für das Lernen fürs Abitur noch einmal Bücher aus der 12. Klasse ausleihen.
Lange konnte sie in den wüsten Schimpfkanonaden nicht verstehen, worum es ging. Eine allseits beliebte Schülerin mit Ambitionen auf einen Schnitt von 1,0 konnte die allgemeine Empörung - die sie uneingeschränkt teilte - schließlich erläutern.
Da die Bücher nicht einmal für den Jahrgang 12 ausreichen, werden dieses Jahr keine Bücher für das Lernen für das Abitur herausgegeben. Einzige Chance, man findet einen Schüler des Jahrgangs 12, der bereit ist, das Buch zu teilen.
Die Kritik der AbiturientInnen auf einen Punkt gebracht: Geld für Smartboards haben sie, aber für Schulbücher haben sie kein Geld.
Eine Kollegin, die gern mit dem Smartboard arbeitet, erläutert: "Sie sind sehr gut einsetzbar. Ich verwende sie freilich nur zwei- bis dreimal in der Woche. Das Problem ist, dass sie nur für Frontalunterricht eingesetzt werden können."

Nachtrag vom 11.10.11:
Aus einem aktuellen Interview mit Lisa Rosa:
"Auf diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass ausgerechnet das sündhaft teure digitale Whiteboard sich von allen Geräten als erstes die Unterrichtsräume erobert, noch bevor jeder Schüler sein eigenes Mobile mitbringen darf: Das interaktive Whitboard ist der alten Kreidetafel vom Lernsetting her am ähnlichsten: Der Lehrer bleibt vorne und im Zentrum, alle Schüler gucken nach vorne (anstatt dass sie sich individuell beschäftigen oder mit anderen Schülern kommunizieren). Man hofft, der Kelch des System Changes könne an einem vorbei gehen, wenn man nur das digitale Whiteboard einführt und damit den Unterricht formal modernisiert." (Lehrerbildung im digitalen Zeitalter, 8.10.11)

4 Kommentare:

Hugelgupf hat gesagt…

Das ist nicht wirklich wahr. Ein Smartboard kann man nutzen wie eine normale Tafel, sofern man auch die richtige Software dazu hat. Mein Physik-Lehrer tut das sehr gerne, er unterrichtet nicht nur frontal (eigentlich fast gar nicht), nutzt aber fast jede Stunde das Smartboard.

Walter Böhme hat gesagt…

Wie stellt er dann sicher, dass die einzelnen Gruppen nicht durch das, was am Smartboard erscheint, von ihrer Arbeit abgelenkt werden?

Unknown hat gesagt…

In Niedersachsen sind wir einen ganzen Schritt "weiter": Die Lehrmittelfreiheit ist abgeschafft.
Schulen (es heißt ja "selbstständige Schule") organisieren einen Verleih, der aber meiner Meinung nach so günstig auch nicht ist. Viele Lehrbücher in der Oberstufe müssen selbst angeschafft werden.

SMART-Boards bekommen wir z.Zt. auch ganz viele. Fairerweise muss man sagen, dass sich mit ihnen viele klassische Medien (Film, Folie, Internet, Tafel usw.) in einem Gerät zusammenfassen lassen - d.h. wenn ich Tafel, Overheadprojektor, PC, Fernseher, diverse Player anschaffe, komme ich auf das gleiche Geld - wobei natürlich so eione Tafel ewig hält und in mancherlei Hinsicht auch flexibler ist.

Frontal oder nicht? Frontaler als eine Tafel kann ein SMART-Board m.E. eigentlich auch nicht sein. Ich mache auch gute Erfahrungen, z.B. in Kombinaton mit einer Kamera, wenn ich Hausaufgaben vorlesen lasse. Die Klasse kann mitlesen und virtuell in dem Text herummalen - das ist schon eine andere Ebene der Arbeit mit einem Hausaufgabentext.

Nachteil für mich sind bisher die recht schlechte Auflösung und die fehlende "Breite" - Scrollorgien machen es auch nicht besser.

Walter Böhme hat gesagt…

Natürlich ist eine Tafel auch für Frontalunterricht da. Sie lenkt aber kaum von Gruppenarbeit ab.
Wenn aber erst einmal das Smartboard im Raum steht, werden sich mehr Aktivitäten für die Gesamtgruppe nahe legen.
Dennoch: Das Negativurteil über das Smartboard kommt nicht von mir, sondern von Schülern. Vielleicht, weil sie neidisch auf andere sind, die häufiger mit dem Smartboard arbeiten durften?